Cannes. Nach dem Stummfilm-Erfolg “The Artist“ erzählt der französische Regisseur Michel Hazanavicius in Cannes von den Gräueln des Tschetschenien-Krieges. Auch Wim Wenders zeigt bei den Filmfestspielen Bilder aus Krisengebieten. Und wird für seine Dokumentation bejubelt.

Erst die weltweit gefeierte Hommage an die Tänzerin Pina Bausch, nun die bildgewaltige Würdigung des brasilianischen Ausnahme-Fotografen Sebastião Salgado: Der deutsche Regisseur Wim Wenders beeindruckt erneut mit einer Dokumentation für die große Kinoleinwand - und wird dafür beim Filmfestival Cannes ausgiebig bejubelt. Im Zentrum stehen dieses Mal bedrückende und zugleich atemberaubende Fotos aus Krisen- und Kriegsgebieten, von Flüchtlingen und unter schwersten Bedingungen arbeitenden Menschen, aber auch imposante Naturaufnahmen.

Es sind Bilder des international renommierten Saldago, eines Rastlosen, eines Abenteurers, eines Unerschrockenen. In der Dokumentation "The Salt of the Earth", die Wenders zusammen mit Salgados Sohn Juliano drehte, erzählt der 70-Jährige von seinen Erlebnissen, von den Menschen, die da auf den Fotos zu sehen sind: Goldgräber in Südamerika zum Beispiel, die ihre schwere Last über dünne Holzleitern schleppen. Mit Öl verschmierte Feuerwehrmänner an den brennenden Ölfeldern Kuwaits. Verzweifelte Flüchtlinge in Ruanda. Bis aufs Skelett abgemagerte Kinder in der Sahelzone.

Salgado war monatelang in Krisengebieten

"Andere Fotografen sind ein paar Tage in einem Krisengebiet, oder nur ein paar Stunden", sagte Wenders (68) anlässlich der Filmpremiere in der Cannes-Sektion Un Certain Regard. "Salgado hat oft Monate zugebracht, um die Menschen dort kennenzulernen." Kein anderer habe sich immer so viel Zeit gelassen und sich dermaßen auf die Menschen und die Regionen eingelassen. "Salgado ist wie kaum ein anderer der Chronist des Menschen am Ende des 20. Jahrhunderts. Das sind WIR in seinen Bildern: die Menschheit."

Menschen in Krisengebieten standen am Mittwoch auch bei zwei weiteren Cannes-Filmen im Mittelpunkt. Da war zum einen die außer Konkurrenz gezeigte Dokumentation "Maidan" über die Unruhen der vergangenen Monate in der Ukraine. Darin fing der in der Ukraine aufgewachsene und mittlerweile in Deutschland lebende Regisseur Sergej Losniza über einen längeren Zeitraum die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew ein. Er nimmt dabei die Rolle des Beobachters ein, verzichtet meist auf erklärende oder kritische Einordnungen.

"The Search" zeigt facettenreiches Bild innerhalb eines Konflikts

Ein facettenreicheres Bild verschiedener Seiten innerhalb eines Konflikts entwirft dagegen der Wettbewerbsbeitrag "The Search" von Regisseur Michel Hazanavicius. Nach seinem Stummfilm "The Artist", dessen internationaler Triumph vor drei Jahren in Cannes begann, widmet er sich einem deutlich ernsteren Thema, dem Tschetschenien-Krieg. Er habe dieses Projekt schon länger im Kopf gehabt, erklärte der französische Regisseur. Doch erst der Erfolg von "The Artist" habe es ihm ermöglicht, das auch zu realisieren.

In "The Search" porträtiert er nun mehrere Menschen, deren Schicksale durch den Krieg verbunden werden. So drastisch seine Bilder von Flucht und Massaker, von Verrohung und Versöhnung auch sind, so schematisch bleiben die Figuren in Klischees hängen: der traumatisierte Waisenjunge, der von seiner brutalen Umwelt zum Mörder gemachte Soldat. Vor allem Hazanavicius' Lebensgefährtin Bérénice Bejo bleibt mit ihrer Performance als hilflose EU-Menschenrechtsbeauftragte ziemlich blass. So gut wie mit "The Artist" wird es für "The Search" wohl nicht laufen. (dpa)