Essen.. Mit „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ erscheint das zweite Solo-Debüt nach Auflösung der Britpop-Könige. Es ist ruhig, komplex und dennoch der Ex-Band treu. Wo Liam geradlinig ist, holt Noel zu großen Melodiebögen aus. Beides wunderbar.

Wer war solo eigentlich noch mal besser, Lennon oder McCartney? So wenig wie sich diese ewige Beatles-Frage endgültig beantworten lässt, so wenig mag man nach der Trennung von Oasis das unvermeidliche „Liam oder Noel?“ entscheiden. Eines kann man dieser Tage, in denen das Solo-Debüt „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ erscheint, aber sagen: Beide Krawallbrüder sind dem Sound ihrer Ex-Band auf unterschiedliche Weise treu. Vor einem halben Jahr zielte Liams neue Band Beady Eye mit einem überraschend starken Album direkt aufs Kinn der Fans: einfache, den Beatles verhaftete Songs, meist uptempo und getragen von Liams rotziger Stimme. Dass Songs wie „The Roller“ oder „Millionaire“ aus Oasis-Tagen stammen – geschenkt.

„Rock’n’Roll Star“ gegen „Champagne Supernova“

Denn auch Noel greift ins Repertoire des längst Geschriebenen. Nur nimmt er sich viel mehr Zeit. Er beginnt das Album mit leisem Schnipsen, Hüsteln – dann setzen schon die Streicher ein zum hymnischen „Everybody’s On The Run“. Noel spannt die melodischen Bögen sehr weit und räumt großen Gefühlen viel mehr Platz ein als sein Bruder. Wenn man zum Vergleich zwei Oasis-Songs bemühen möchte, ist Liam eher „Rock’n’Roll Star“ und Noel eben „Champagne Supernova“.

Das angebliche Meisterwerk ist nicht der beste Song

Das merkt man bei der minimalistischen Single „If I Had A Gun“, dem Kinks-inspirierten „The Death Of You And Me“ oder dem dahindriftenden „(I Wanna Live In A Dream In My) Record Machine“. Wenn wir gerade in Streicher-Glückseligkeit schwelgen, beweist Noel mit „Aka . . . What A Life!“, dass er mit Dance-Rhythmen auf dem Piano Gas geben kann. Zum Finale zieht er den Trumpf: „Stop The Clocks“ wurde schon zu Oasis-Zeiten zum Meisterwerk erklärt. Nun hat Noel den Song aufgenommen. Er ist sehr erhaben. Aber selbst auf diesem Album gibt es bessere.

So bleibt der Bruderzwist unentschieden. Liam? Noel? Beide gut. Und der Gewinner? Ist der Hörer.

  • „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ (Sour Mash/Indigo). Live: 4.12. Köln (ausverkauft!)