Köln. Von wegen Pflichtprogramm. In der rappelvollen Arena Köln verwöhnten „The Cure“ 17000 Fans mit einem ultralangen, starken Konzertabend!
Robert Smith singt vom Ende. Von der Vergänglichkeit aller Dinge und vom Unvermögen, daran etwas zu ändern. Vom Altwerden, vom Alleinsein, vom Abschiednehmen. Die neuen Songs des noch unveröffentlichten Albums „The Lost World“, die The Cure Dienstag in der Kölner Arena vorstellen, klingen so, als hätte der 63-Jährige sein Testament gemacht. Und würde die Band gleich mit zu Grabe tragen. Zwangsläufig. Smith ist der Erz-Heiler, das Urgestein, die Galionsfigur. Mit einer Frisur, die mit den Jahren immer mehr einer Kreuzung aus platt geschlafenem Vogelnest (hinten) und Kurzschluss unter der Trockenhaube (vorne) gleicht. Augen wie mit Ebenholzstaub gepudert, Lippen, wie die eines gut gesättigten Vampirs im kalkweißen Gesicht.
Ein schwarzer Prinz aus dem Poesiealbum der Dunkelheit, der dafür kein Haarfärbemittel und keinen Hüftgürtel braucht. Weil er der Finsternis, der Furcht davor, und dem Wissen darum, aber auch der Liebe eine Stimme verleiht: „My world has grown old, but it really doesn’t matter, if you say, we’ll be together.“ Robert Smith ist die Band. Von einer Trauerfeier hat dieser Abend aber so gar nichts. Höchstens hinterher. Für diejenigen, die später erfahren, dass nach 105 Minuten, nach „Endsong“, noch lange kein Ende in Sicht ist. The Cure spielen da noch eine ganze Stunde weiter. Aber es geht fast niemand.
„The Cure“: Kölns Arena ist voll bis unters Dach
Die Eingefleischten, selbst Erzgesteinigen, wissen, dass es 29 oder 30 Stücke sein werden. Und dass ein Konzert von The Cure unter einer Gesamtdauer von zweieinhalb Stunden nicht abgeht. Jeder, aber auch wirklich jeder, Platz ist in der Arena belegt. Vom Innenraum, wo die Fans dicht an dicht stehen, bis unter die Decke. Ringsherum auf den Rängen, von oben bis unten, Logen mit eingeschlossen. Sogar die Randbezirke, die direkt an die Bühne grenzen, sind besetzt. Ausverkaufter geht nicht. Anschnallen, fertig, los. Fürs Sich-mit-dem Zeitreise-Katapult zurückschnellen lassen. Querbeet, nicht chronologisch, durch die Jahre 1981 bis 2008. Als das letzte Album „4:13 Dream” herauskam.
„Frischzellen-Cure“: Museal klingt hier gar in Kölns Arena nichts
Museal konserviert kommen Klassiker wie „Pictures of You“ und „Lovesong“, „At Night“ und „Play For Today“ oder „Close To Me” und „In Between Days” nicht daher. Das klingt viel eher, sorry, der muss jetzt sein, nach „Frischzellen-Cure“. Tausende singen Zeile für Zeile mit, die besonders Ergriffenen sprechen sie nur. Wie im Gebet.
Wenn um kurz vor 22 Uhr mit Wackelkamera und Sausesound der Gang durch einen Wald ansteht, der so lebensgefährlich ist, dass „The Blairwitch Project“ dagegen wirkt wie ein Filmchen für Kinder, tobt die Arena. In lustvoller Erwartung von solchen Zugaben wie „Lullaby“, „Friday I’m in Love“ oder „Boys Don’t Cry“.Am Ende wird Robert Smith ganz fürsorglich, neumodisch würde man es wohl achtsam nennen. Er bedenkt diejenigen, die an den Rangflanken nur seitlich auf die Bühne schauen können. Indem er sich mittig direkt vor ihnen platziert und nur für sie singt. Verhält sich so ein Vollstrecker des eigenen Testaments? Der mit seinem Leben abgeschlossen hat? Oder ist auch das jetzt Abschied? „I Can Never Say Goodbye“ heißt das fünfte Stück vom neuen Album. „Dieser Song handelt von einem Problem, das ich habe“, kündigt Smith es an. Um dann von einer kalten Novembermondnacht zu singen: „Something wicked this way comes.“ Hoffnung klingt irgendwie anders.