Salzburg.. Matthias Hartmann hat Bochums Schauspielhaus seine letzte glanzvolle Ära zu verdanken, längst ist er Chef am Wiener Burgtheater. Jetzt räumt er mit Nestroys „Lumpazivagabundus“ bei den Salzburger Festspielen ab. Es gab lauten Jubel und zuvor reichlich Buhs für eine starre Regie der „Jungfrau von Orléans“.
Auch das Schauspiel boomt bei den Salzburger Festspielen. Dass es nur noch Restkarten für die meisten Theaterabende gibt, inklusive neuer „Jedermann“, dafür sorgt Schauspiel-Chef Sven-Eric Bechtolf, der ab 2015 hier ganz das Ruder übernehmen wird.
Dank seines Faibles für deutsch-österreichische Wertarbeit und eines geschickten Mix’ aus Experimenten und gediegenen Klassikern, inklusive Talentschuppen „Young Directors Project“, sieht man hier trotz Höchstpreisen jüngeres Publikum. Mit Michael Thalheimer und Matthias Hartmann engagierte Bechtolf gleich zwei Vertreter der Regie-Elite deutschen Sprechtheaters mittleren Alters, die sich Schillers und Nestroys annehmen.
Thalheimer seziert und skelettiert
Thalheimer wagt sich an Schillers „Johanna von Orléans“. Er reduziert die „romantische Tragödie“ (Schillers Untertitel) auf gut zwei Stunden, seziert und skelettiert die Charaktere. Fazit: Ein Theater exquisiten Deklamierens, das anstrengt und das Publikum spaltet.
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Thalheimer misstraut einer tosenden Historien- und Schlachtenmalerei vom Ende des 100jährigen Krieges zwischen England und Frankreich. So rührt sich Hauptdarstellerin Kathleen Morgeneyer fast zwei Stunden lang nicht vom Fleck. Beleuchtet wird sie, die das Kriegsschicksal in letzter Minute durch Gottes Willen wendet, wie ein Heiligenbild. In ihren Strahlenkranz kriechen Feinde wie Freunde – unterlegene Kreaturen, die aus dem Dunkel auftauchen. Morgeneyer wurde gefeiert, die Regie ausgebuht.
Pralles, saftiges Volkstheater
Begeisterungsstürme entluden sich nach Nestroys „Lumpazivagabundus“ auf der Perner Insel. Pralles, saftiges Volkstheater verbunden mit Wienerischer Weltphilosophie bietet diese Zauberposse mit Gesang – inszeniert von Matthias Hartmann, der sich damit gut als Zirkusdirektor bewerben könnte.
Eine starke Pranke, Bühnen-Zauber, Kulissenschieberei und Sprach-Zunder im Wiener Dialekt: Das liebt Burg-Direktor Hartmann, der Bochum 2000-2005 seine letzte Glanzzeit bescherte. Und bringt jetzt erste Garde aus Wien mit. Schauspieler, denen man Stunden zuschauen möchte, darunter Maria Happel als auf Märchenwolken schwebende Glücksgöttin Fortuna – ein Angela-Merkel-Verschnitt. Sie beschenkt drei herumlungernde Gesellen, die alles verprassen mit einem Lotteriegewinn von 100.000 Talern. Damit will sie sie aus den Klauen des bösen Geistes Lumpazivagabundus befreien.
Grandios, ein waschechter Wiener
Als Gesellen glänzen Florian Teichtmeister und der virtuos komödiantische Michael Maertens. Grandios der dritte im Bunde: der waschechte Wiener Nicholas Ofczarek – Rampensau und Mime von nahezu maßloser Kraft: derb und zersetzend, tragisch und sentimental. Man denkt an die Kunst eines Helmut Qualtinger. Erstaunlich heutig wirken seine Sätze wie „Was soll ich mich noch plag’n im letzten Jahr, es rentiert sich nicht mehr.“ Nestroy schrieb sie 1833.