Essen.
Manchmal ist der Schritt vom Brehms zum Brahms nur ein Katzensprung. Oder müssen wir nicht sagen: vom Hendl zum Händel? Donna Leon jedenfalls lässt die Leichen im Canal Grande mal links liegen. Ihr neues Buch spielt im Zoo der Musik.
Genau genommen ist es nur ein Musiker, dessen Bestiarum sie uns bestaunen lässt. Leons ans Manische grenzende Verehrung für den barocken Deutschbriten Georg Friedrich Händel ließ sie ein Thema zum Buch machen, das sie schon Jahre verfolgte: Wie tierisch sind seine Opern?
Das Ergebnis ist ein charmantes kleines Kompendium. Donna Leon durchkämmt das Riesenwerk des Meisters hinsichtlich zitierter („Wie der Löwe zornig rast...“), sichtbarer oder zumindest durch Botenberichte hüpfender („Es gab Frösche zuhauf im ganzen Land, ja selbst in den Gemächern des Königs.“) Säuger, Amphibien und Insekten.
Amüsante Tierschau
Nun klingt das zunächst nach reiner Spezialistenliteratur, wie sie gerne zu Doktorarbeiten („Aspekte der Amöbe in Händels mittelfrühen Londoner Opern“) geknetet wird. Aber Donna Leon stellt es so schlau wie unterhaltsam an. Nicht so sehr die Opern nimmt sie ins Visier, vielmehr erzählt sie amüsant, leicht verständlich und zumeist quellenkundig, wer und was zu Händels Zeiten Tiger, Hirsch und Turteltaube eigentlich waren
Leon macht also keineswegs moderne Biologen zu Kronzeugen ihrer Tierschau. Vielmehr erinnert sie daran, was Plinius und Herodot über den Löwen wussten, dass das Mittelalter Bienen für Vögelchen hielt und lässt ohne Häme die Ahnungslosigkeit Revue passieren, mit der Europas 18.Jahrhundert auf den ersten Elefantenrüssel blickte.
Dass dieses Buch den Namen „Tiere und Töne“ trägt, rechtfertigen nicht nur die gedruckten Arien, die animalisch-menschliche Wesenszüge von Wildheit, Kampfes- und Liebeslust beschreiben. Donna Leon ließ der Fibel, die mindestens hübsche Nachmittagslektüre zum Tee ist, eine CD beilegen. Auf ihr finden sich zwölf Gesänge zu zwölf Tieren. Es sind die Lieblingsarien von Commissario Brunettis geistiger Mutter - und eigentlich zu schön gesungen, um zu loben: Gut gebrüllt, Löwe!