Essen.. Im Ruhrgebiet amüsiert man sich am besten: Wo die Industrie einst niederging, entstand eine selten zu findende Dichte an Humoristen und Kleinkunstbühnen. Ein kleiner Streifzug durch Kabarett und Comedy an der Ruhr.

Als im Jahre 2010 das ehrenwerte Kulturhauptstadtjahr seinen Lauf nahm, machte ein Satz Karriere, mit dessen Erfolg zuvor die wenigsten gerechnet hatten: „A 40 – Woanders is auch scheiße“. Was da zu lesen stand auf T-Shirts, Tassen, Aufklebern, brachte das Verhältnis des Ruhrbürgers zu seiner Heimat dermaßen auf den Punkt, dass er beinahe zum lachend vorgetragenen Bekenntnis wurde: Bei uns ist es vielleicht nicht nur schön – aber immer noch besser, als woanders leben zu müssen.

Dass sich ausgerechnet Kabarettist und Autor Frank Goosen diesen Satz ausgedacht hatte, kam nicht von ungefähr. Er ist Ausdruck eines Jahrzehnte währenden Wandels. Während sich das Ruhrgebiet noch immer schwer an den Lasten der niedergegangenen Industrie abzubuckeln hat, sind die Städte zwischen Hüttenheim und Bodelschwingh längst zur Schwerindustrie der Humorschaffenden gereift.

Wer den Zusammenhang von Kohle und Komik ernsthaft bezweifelt, dem sei gesagt: Auf den Ruinen der einen wuchs langsam die andere heran. Das lässt sich schon an den Namen vieler Bühnen ablesen, die sich mit der Kleinkunst einen Namen machten. Sei es die Zeche Carl in Essen, die Kaue in Gelsenkirchen, der Hasper Hammer in Hagen, die Flottmannhallen in Herne als ehemaliger Bergbauzulieferer und das Zentrum Altenberg in Oberhausen, eine alte Zinkfabrik.

Erfolg kam nicht vom Reißbrett

Tatsächlich gilt für das Ruhrgebiet in kleinkünstlerischer Hinsicht oft der schöne Nachkriegssatz: Wir hatten ja nichts. Denn die meisten der heutigen Erfolgsgeschichten waren nicht vom Reißbrett geplant, sondern entwickelten sich aus Ratlosigkeit und Zufall. So will es die Gründungsgeschichte von Herbert Knebels Affentheater, dass einst der Fernmeldetechniker und Punksänger Uwe Lyko zusammensaß mit einem gewissen Kalle Mews (heute bei Ulrich Tukurs Rhythmusboys) und Benedikt Eichhorn (bei Pigor & Eichhorn). In den Schwaden der vielen verqualmten Zigaretten, sagte Lyko plötzlich den Satz, der zur Blaupause für Knebel werden sollte: „Boh glaubse, die ganzen Knochen gelb! Dat krisse doch nie im Leben wieder ab. Wir ham aber auch wieder wat weggeraucht, mein lieber Herr Gesangsverein!“ Von diesem Abend im Duisburger Eschhaus-Theater bis zu den ersten Erfolgen in der Essener Zeche Carl gab es noch einige Wirrungen.

Knebel und Schneider traten einst zusammen auf

Welche, die Uwe Lyko auch auf Helge Schneider treffen lassen sollten, der sich seine Sporen mit an­archistischem Humor und Musik in Jazzclubs verdiente. Während die Missfits aus einem Walking Act als Putzfrauen im Zentrum Altenberg entstanden.

Es ließen sich zig solcher Erfolgsgeschichten erzählen. Zumeist, das ist die Gemeinsamkeit, ist der Ruhrwitz geprägt von einer Kombination aus Galgenhumor und Schlitzohrigkeit, Liebe und Hass. Etwas, das am besten dort wachsen und erblühen kann, wo der Boden besonders karg ist. Allein mit der Existenz eines Jürgen von Manger, der in den 60er-Jahren mit seinem Adolf Tegtmeier ein ruhrdeutsches Original schuf, ist das bei all seinen Verdiensten, nicht zu erklären.

Mut der Verzweiflung

Vielmehr war es der Mut der Verzweiflung, der im Ruhrgebiet eine Kabarett- und Comedylandschaft erschuf, von Hennes Bender bis Kai-Magnus Sting, von Doktor Stratmann bis Jochen Malmsheimer. Und der Mut der Verzweifelten ist auf vielen Bühnen der ständige Begleiter, denn gerade die kleinen, alternativen Bühnen finanzieren sich selbst – und haben vom großen Kuchen, der für die Kulturhauptstadt angeschnitten wurde, keinen Krümel abbekommen.