Duisburg. Nach der Aufregung um die Reform von WDR 3 stellt sich der Westdeutsche Rundfunk der Debatte mit Hörern und Experten. Auf einer Podiumsdiskussion in Duisburg nannte WDR-Intendantin Monika Piel 300.000 Hörer als Ziel für die Kulturwelle. Bislang schalten etwa 220.000 Menschen pro Tag ein - viele von ihnen wünschen sich einen Stil-Mix vom Sender.
Es sah nicht gut aus, selbst fünf Minuten vor Beginn der Veranstaltung. Der WDR hatte am Donnerstag über „die Zukunft der Kultur im Radio“ (Titel) diskutieren, und zur ersten Podiumsdiskussion der neuen Reihe „WDR=Kultur=Gut“ war gerade mal ein Häuflein Interessierter in den Duisburger Mercatorsaal gepilgert. Was trist zu beginnen schien, endete mit einer fetten Überraschung.
Nach dem dem Aufregungs-Tsunami um die Reform von WDR 3 hatte sich der gebührenfinanzierte Landessender zu einer Info-Offensive entschlossen. Doch die Verantwortlichen zogen das Thema allgemein auf, um dem – nach eigenem Bekunden – Klein-Klein des Streits um die Kulturwelle zu entkommen.
Monika Piel kam, um zuzuhören
Zugleich hatte sich die kürzlich wiedergewählte Sender-Chefin Monika Piel persönlich ins Revier bemüht, um endlich Kontakt zur Hörerschaft aufzunehmen. Immerhin gilt das Publikum des Nischensenders zwar als klein, aber fein und obendrein besonders treu. Piel wollte in erster Linie „zuhören“.
Das Podium distanzierte sich zunächst von der klassischen Hochkultur. Der Chef des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, empfahl die Musik-Formel der Unesco: Sie umfasst das kulturelle Erbe, zeitgenössische Strömungen wie Pop sowie Weltmusik. Kultur-Manager Henry C. Brinker sekundierte. Auch ein junger Sender wie 1Live könne den kulturellen Horizont seines Publikums weiten, wenn er Stücke jenseits der Hitlisten spiele.
Kulturbegriff hat sich gewandelt
Internet-Expertin Mercedes Bunz verwies darauf, dass sich der Kulturbegriff in den vergangenen 20 Jahren stark verändert habe. Sie sah stärker werdende wirtschaftliche Zwänge, bei denen sich Kultur nur durch Publikumserfolg rechtfertigen könne. Von Quoten-Druck wollten WDR-Chefin und der Programmchef des Deutschlandradios, Andreas Weber, nichts wissen. Ihr Kulturprogramm richtet sich erklärtermaßen an eine Minderheit, „aber bitte für den größeren Teil“ (Weber).
Hintergrund: WDR 3 erreicht täglich gerade mal 220.000 Hörer – verschwindend wenig im Vergleich zu Massenwellen wie WDR 2 oder Spitzenreiter 1Live. Das Potenzial liegt deutlich drüber. 1,5 Millionen Hörer gaben zuletzt an, WDR 3 gelegentlich gehört zu haben. Kultur-Manager Brinker nannte diese Zahl ein ungenutztes Potenzial.
300.000 Hörer am Tag als Ziel für WDR 3
So will Piel mehr Publikum, und das darf auch im Schnitt jünger sein bisher. WDR 3 macht, wie WDR 4, ein Programm für Oldies. Als Ziel nannte Piel 300.000 Hörer pro Tag. Einen Weg – jenseits verstärkter Internet-Präsenz von WDR 3 – zeigte Programmmacher Weber auf. Im Deutschlandradio laufen Neuvorstellungen ohne stilistische Begrenzung. Lady Gaga steht neben Händel. Beides eint die journalistisch einordnende Präsentation; das Publikum, so Weber, mag es.
Und was sagt das Publikum dazu? Im Saal meldete sich der Duisburger Wolfgang Esch zu Wort. Er machte sich für einen musikalischen Stil-Mix im Programm stark; Formatierung nach Klassik, Jazz und Weltmusik lehnte er ab. „Der größte Genuss beim Radio ist die Überraschung“, fügte die Essenerin Petra Gärtner hinzu. Klaus Schoof aus Kalkar warb dafür, 1Live-Moderatoren sollten sich als Spürnasen für die neuesten Musik-Trends in den Metropolen der Welt für WDR 3 tummeln. Und das war längst nicht alles an Wortmeldungen.
WDR 3 als Vermittler von Inhalten "klassischer Bildung"
Ein erheblicher Teil der Beiträge kam aus dem Netz. Die Diskussion war lebhaft, und sie war vielstimmig. Anke Niggenaber etwa verlangte von den WDR-3-Machern, „weiter Klassik zu senden“. Stephan Dreher hingegen machte sich für längere Wortbeiträge stark – und schob obendrein die Frage nach: „Und bin ich dann auch noch wach?“ Peter Wernfeld wiederum sieht WDR 3 eher als Vermittler der „Inhalte klassischer Bildung“. „La Tortuga“ seinerseits hat eine völlig andere Vorstellung; sie reicht von Klassik bis zu Kraftwerk.
Nur eine Gruppierung mochte sich an der Diskussion ums Kulturradio nicht beteiligen. Alle angefragten Mitglieder der wortgewaltigen „Radioretter“ hatten laut WDR keine Zeit fürs Podium.