Essen. Horst Evers produziert im Bestseller „Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ verquere Gedanken und hübschen Widersinn, an dem man zu knabbern hat.

Horst Evers ist eine sichere Bank. Und das nicht nur wegen der vier Buchstaben, auf die man sich allzu gerne setzt, wenn man seine Kolumnensammlungen mit kartoffelchipsartiger Geschwindigkeit verschlingt. Verwunderlich daran ist eigentlich nur, dass er als Kleinkünstler immer nur auf mittelgroßen Bühnen steht, während seine Bücher stets auf die obersten Ränge der Bestsellerlisten schießen – aktuell als erfolgreichster deutscher Autor, derzeit zahlenmäßig nur übertroffen von Haruki Murakami und T.C. Boyle.

Der Titel des Buches kam einst vom Mathelehrer

Und vielleicht liegt das Geheimnis ja in seiner Sprache, die simpel und kurz ist, aber zugleich kluge, treffende und bisweilen ganz schön verknotete Gags transportiert. „Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ zitiert er mit Titel seines neuesten Büchleins einen alten Mathelehrer – und schon darf man als Leser an diesem hübschen Widersinn ein wenig knabbern.

Verquere Gedanken von diesem Format kann Evers am laufenden Band produzieren. Wenn er sich versteigt in neidvolle Überlegungen darüber, dass Menschen, die reihenweise uneheliche Kinder in die Welt setzen, einfach mehr erleben als er… Und er klagt: „Ich habe kein einziges uneheliches Kind, also außer meinem eigenen. Aber das ist ja nur unehelich, weil wir nicht verheiratet sind.“

Und wenn er sich dann etwa schwurbelt ins Handbuchschreiben für uneheliche Eltern und von da ins Handbuchschreiben fürs Handbücher schreiben, kommt er zum einzig richtigen Schluss: „Ich glaube, wegen Gedanken wie diesem habe ich auch keine unehelichen Kinder. Wer möchte schon ein uneheliches Kind mit jemandem, der ständig ein derartiges Zeug denkt. Teilweise auch redet. Oft. Oder zumindest häufiger, als er sollte. So jemanden nimmt man lieber mal nicht mit nach Hause.“

Über Haustierhaltung im Alter: „Das letzte Kind trägt häufig Fell“

Evers, der gern aus Alltäglichkeiten wie der Haustierhaltung im Alter („Das letzte Kind trägt häufig Fell“), Ernährungstrends („Veganfreie Wurst“) oder den Tücken moderner Technik („Die Siebzehn-Faktor-Authentifizierung“) schöpft, spinnt dennoch zwei dünne rote Fäden durch sein Sammelsurium. Da wäre zum einen die Mini-Serie „Mein Leben in dreizehn Berufen“, bei der er als Küchenhilfe eines Sternekochs redlich den Titel „Die linke Hand Gottes“ erwarb, bei seinem ersten lokaljournalistischen Gehversuch einen beinahe Hundertjährigen ins Grab schrieb oder als Soldat ernsthaft mit seinen Kameraden die Wehrkraft zersetzte: „Ein Land, das eine Armee wie die Bundeswehr hat, lebt offensichtlich frei von Angst vor Feinden.“

Der andere rote Faden diese Buchs sind die Tagesprotokolle, in denen Evers immer wieder auf das Baugerüst vor seinem Fenster starrt; das steht dort so lange, dass darin irgendwann sogar eine Pop-up-Galerie eröffnet: „Thema der ersten Ausstellung ist offensichtlich eine Fotoserie über die wichtigsten und langlebigsten Baugerüste dieser Stadt…“ Manchmal liefert das Leben die lakonischsten Pointen. Man muss nur lange genug aus dem Fenster gucken.

Horst Evers: Wer alles weiß, hat keine Ahnung. Rowohlt Berlin, 240 S., 20 €.