Leipzig. Der Hunger auf Literatur live ist groß, erst recht nach zwei Jahren voller Lockdowns. Leipzigs kleine Ersatz-Buchmesse jedenfalls brummte!
„Ausverkauft, für morgen noch Restkarten.“ Wer am Wochenende in Leipzig neue Bücher kennenlernen wollte, brauchte Geduld. Denn die Buchmesse_popup in einer alten Fabrik im Stadtteil Connewitz war gut besucht, auch wenn die Gäste höchstens zwei Stunden bleiben durften. Nach der dritten Absage der Leipziger Buchmesse hatten zwei junge Verleger einen Ersatz organisiert, samt kleinem Lesefest und viel Atmosphäre.
Eine hohe, schmale Werkshalle, Technikgestänge unterm Dach, gemauerte Wände, unverputzter Boden. Wo sonst im „Werk2“ Rock- oder Metal-Konzerte die Ohren beschallen, hatte diesmal die leise Literatur ihren Platz. Bestsellerautoren liefen den Besuchern zwar nicht über den Weg, wie sonst in der gläsernen Messehalle. Und statt Bücherstapeln gab es nur ein, zwei Exemplare eines Titels auf weißgedeckten Tischen zu sehen.
Leipzigs Buchmesse_popup zog viele Besucher an, der Hunger auf literarische Begegnungen ist groß
Genau zwei Meter hatte jeder Aussteller Platz, kleine Verlage teilten sich den, größere wie Suhrkamp, C.H. Beck oder Hanser reihten mehrere aneinander. Sie waren trotz allem nach Leipzig gekommen, nachdem Konzernverlage für die erneute Absage der Buchmesse gesorgt hatten. Und so kamen auch viele ältere Besucher ins linke Szeneviertel Connewitz, das sonst nicht ihr Terrain ist.
Ein Bücherland, in dem sich die Ukraine und Belarus gegenüberstehen
Ein gelbes 2G+-Bändchen ums Handgelenk und es konnte losgehen ins Bücherland, in dem sich die Ukraine und Belarus gegenüberstanden. Blaue Bücher über die weißrussische Revolution bei „edition.fotoTAPETA“, „Die Ukraine im Krieg“ bei Kremayr & Scheriau; Anti-Kriegsautoren wurden angeboten und gelesen; Stifte, Zettel und eine Pappbox für eigene Anti-Kriegs-Lyrik standen bereit. Russlands Krieg war aber nicht das beherrschende Thema der Messe.
Es gab intensive Gespräche in kleinen Gruppen, mancher versenkte sich neben seinem Rucksack in ein Buch. Und draußen, im Hinterhof, hielt kein Messedach die Sonne ab, gab es „green africa“-Essen vom Imbisswagen, alte Ölfässer als Tische. Die Hauswände ringsum waren mit Graffiti besprüht, samt „Antifa“-Zeile. Das normale Ambiente im „Werk2“ eben, wo nur etwa 60 Aussteller Platz, aber viel Aufmerksamkeit fanden. Nicht nur beim Mitteldeutschen Verlag nannte man das Signal dieser Trotzdem-Messe „einfach schön. Man kann die Menschen auf unsere Bücher ansprechen und wird drauf angesprochen“.
Besucher wollten Autoren live erleben, auch wenn die großen Namen fehlten
Genau das hatten die Initiatoren Leif Grenius (Voland & Quist) und Gunnar Cynnybulk (Kanon) gewollt und die Stadt unterstützte ihr Vorhaben. Zwar wurde vor dem Werk2 zu online-Lesungen geladen, aber die Besucher wollten ihre Autoren live erleben. Und so gab es auf dem Gelände zwischen Töpferei und „Constanze“-Bistro Autoren in den „Cammerspielen“ zu erleben, auch in der „Suedbrause“ gleich nebenan fanden Schriftsteller und Zuhörer zueinander. Auch im schön-maroden „Felsenkeller“ in der Karl-Heine-Straße, noch einem Szeneviertel, wurde gelesen, zugehört, ausgestellt und für Kinder Bücher gedruckt. Und nicht nur in der Messestadt, auch im thüringischen Arnstadt und in der Altmark (Sachsen-Anhalt) schuf man Ersatztreffen für Autoren und Leser. Das zeigte: Die Leipziger Buchmesse wird vermisst – und gebraucht.