Essen..

Die Kulturhauptstadt treibt manchmal seltsame Blüten. So hat sie zum Beispiel „Tribunal“ von Klaus Erfmeyer hervorgebracht, den Krimi zum Kulturhaupstadt-Jahr 2010. Eine packende Geschichte, spannend geschrieben, eine ausgeklügelte Story. Doch mit Ruhr.2010 hat das Buch nichts zu tun.





Es ist ein perfider Plan, den Paul Bromscheidt ausgeheckt hat: Er gibt sich als Psychologe aus und plant eine Ausstellung zum Thema „Justiz und Gewissen“, die in Deutschlands größter unterirdischer Bunkeranlage in Dortmund gezeigt werden soll. Mit dieser Idee kann er die Anwälte der Kanzlei Hübenthal & Knobel gewinnen. Vornehm lädt er Stephan Knobel, seinen Kollegen Löffke und Richter Frodeleit in seine Villa, um die Idee gemeinsam reifen zu lassen. Das Juristen-Team ist begeistert. Ein seichter Start für das „Tribunal“ von Klaus Erfmeyer.

Dann führt Bromscheidt die Kollegen in das verzweigte Stollensystem. Doch die Führung wird zur Entführung. Nach wenigen Minuten sehen sich die Juristen eingesperrt in einer Falle, in einem Bunker, der mit tödlichen Laser-Strahlen abgesperrt, mit Kameras versehen und als Big-Brother-artiges Gefängnis umgestaltet ist. Die einstigen Mitstreiter und Gäste werden zu Geiseln, die sich mit einem gnadenlosen Täter konfrontiert sehen. Und der will eine zynische Abrechnung zelebrieren. Er will Gerechtigkeit, und inszeniert ein Tribunal unter Juristen.

Fehlurteil und Willkür

Dortmunder Autor: Klaus Erfmeyer.
Dortmunder Autor: Klaus Erfmeyer. © Unbekannt | Unbekannt





Autor Klaus Erfmeyer hat seine Geschichte intelligent aufgebaut. Seinen Protagonisten Knobel stellt er in „Tribunal“ vor einen sehr komplexen vierten Fall. Viele Irrungen und Wirrungen folgen auf die eh schon auswegslose Situation.

Der Dortmunder Krimi-Autor wirft die Fragen von Recht und Unrecht, von Fehlurteil und Willkür und vor allem von Freundschaft und Abhängigkeiten auf. Wunderbar ist zu beobachten, wie Freundschaften unter dem Druck einer Notsituation erst zerbrechen und dann doch bestehen, wie Liebespaare nicht zusammenhalten, wenn es um Moral und Teamgeist geht, wie Ehen auf harte Proben gestellt werden. Ein schlauer Ruhr-Krimi, der die Spannung bis zum Schluss hält.

Konstruierter Ruhr.2010-Bezug

Doch einen kleinen Nachgeschmack hinterlässt „Tribunal“. Der Gmeiner-Verlag preist das Buch als „Kriminalroman zum Kulturhauptstadt-Jahr 2010“ an. Doch der Bezug hinkt. Täter Bromscheidt selbst formuliert in dem Buch: Die Kulturhauptstadt Essen sei eine „vorzügliche Gelegenheit, Themen zu transportieren, denen sonst zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Justiz und Gewissen ist eine Thematik, die man sicher nicht auf der Agenda erwartet“. Doch der Bezug, Recht und Unrecht seien wesentliche Bestandteile der Kultur, wirkt konstruiert.

Immer wieder wird Ruhr.2010 in den Dialogen platziert. Doch auch die Bemerkung von Geiselnehmer Bromscheidt im Stollen: „Die Anlage ist verlassen. Es können Wochen, vielleicht Monate vergehen, bis jemand wieder hier unten reinschaut. Daran ändert auch das Kulturhauptstadtjahr nichts“, macht den Zusammenhang nicht zwingender. Auch ohne den Bezug zum werbetragenden Ereignis wäre „Tribunal“ ein lesenswertes Buch gewesen.


Klaus Erfmeyer: Tribunal, Knobels vierter Fall, Februar 2010, Gmeiner-Verlag.