München. Der Anwalt Hannes Hartung hat sich dem Kunstrecht verschrieben. Sein prominentester Klient ist der Kunstsammler Cornelius Gurlitt. Mit dem Mann, der für die Öffentlichkeit nur ein Phantom ist, verbindet ihn auch etwas ganz Persönliches: die Leidenschaft für Kunst.
Selbst für seine geliebten Bilder hatte Hannes Hartung noch keine Zeit. Nach dem Umzug seiner Kanzlei stehen die zahlreichen Gemälde der Münchner Schule - "günstig und gut" - auf dem Boden herum. Sie müssen warten, denn momentan beschäftigen Hartung ganz andere Kunstwerke: Monet, Renoir und Picasso. Er vertritt den Kunstsammler Cornelius Gurlitt im wohl spannendsten Kunstfall seit Jahren.
Knapp 1280 Kunstwerke gehören zur Sammlung vom Klienten des Münchner Anwalts, erst vor wenigen Wochen ließ Hartung mit dem Einverständnis des 81-Jährigen eine weitere Schatzsammlung in Salzburg sicherstellen: "Bilder von französischen Impressionisten, aber auch von bekannten deutschen Malern - fast ausschließlich Ölgemälde", schwärmt der 40-Jährige.
Große, bedeutende Kunstwerke sind Hartungs Fall. In Augsburg vertritt der Anwalt momentan die Klägerin im Rechtsstreit um den teuersten Teppich der Welt: Ein Augsburger Auktionshaus hatte dessen Wert nicht erkannt, ihn auf rund 900 Euro geschätzt, beim Auktionshaus Christie's wurde der Teppich schließlich für sieben Millionen Euro versteigert. "Ein unglaublicher Fall, auch ein sehr tragischer", sagt der begeisterte Hobbysänger, der Aushilfstenor im Münchner Oratorienchor ist.
Hartung: Gurlitt widerfährt Unrecht
Zur Juristerei kam der gebürtige Ulmer eher gezwungenermaßen, Kunstinteresse bestand dagegen quasi von Kindheit an. Ins Kunstmuseum seiner schwäbischen Heimatstadt "ist man mit dem Humboldt-Gymnasium hingegangen", aus den Besuchen wuchs eine echte Leidenschaft. "Als Jugendlicher wollte ich aber eigentlich Archäologe werden." Erst nach eindringlichen Warnungen, "etwas G'scheits" zu studieren, verabschiedete er sich von seinem Berufswunsch.
Der Kompromiss war ein Jurastudium in Tübingen, losgelassen hatte ihn die Faszination für Kunst und Archäologie aber nicht. Durch seine Promotion zum Thema Beutekunst und Kunstraub kam Hartung schließlich wieder zurück zu seiner Leidenschaft. Seit 2002 ist er Anwalt, nebenher doziert er an den Universitäten in München und Graz über Kunstrecht. Hartung sieht sich als Kämpfer für die Kunstgerechtigkeit. Seine 2011 gegründete Kanzlei gegenüber der Münchner Residenz, die sich auf dieses Thema spezialisiert hat, benannte er nach der griechischen Göttin der Gerechtigkeit: Themis.
Dass seinem prominentesten Klienten, mit dem ihn vor allem "die Liebe zur Kunst" vereine, aus seiner Sicht gerade Unrecht widerfährt, daran lässt Hartung keinen Zweifel. "Ich halte es für einen Skandal, dass die Sammlung immer noch in öffentlicher Verwahrung ist, soweit es Privateigentum von Gurlitt ist. Hierzu gehört ohne jeden Zweifel unter anderem die Kunst aus vormals öffentlichem Reichseigentum, die entartete Kunst", kommentiert der Kunstrechtsexperte.
Der Fall Gurlitt ist nicht alltäglich
Gurlitt selbst trifft er mehrmals im Monat persönlich, oft telefoniert er mit ihm. Eine Stunde konstruktiver und produktiver Austausch sei möglich mit dem alten Mann, über den die Öffentlichkeit so gut wie nichts weiß. Der Kontakt zwischen Anwalt und Mandant kam über Hartungs Medienauftritte als Experte in Sachern Kunstraub zustande. Hartung ärgert die Berichterstattung über Gurlitt. Der sei kein weltfremder Kauz. "Er ist unheimlich interessiert an Politik, Nachrichten und liest wahnsinnig viel Zeitungen", sagt Hartung.
25 Kunstwerke aus Gurlitt-Fundus
Gegen die vielen Beschimpfungen als "Messi", "Bunkerer" oder "Nazi" will sich Gurlitt mit Hilfe von Hartung zur Wehr setzen. "Ja, er ist ein sehr zurückhaltender, ruhiger und schüchterner Mensch, aber ihm daraus einen Vorwurf zu machen, kann ich absolut nicht verstehen", empört sich der Anwalt mit schwäbischem Dialekt. Hartung glaubt an eine außergerichtliche Einigung in strittigen Fällen mit möglichem Nazi-Raubkunst-Hintergrund. "Der Fall Gurlitt bestimmt aber sicher noch einige Zeit meinen Alltag." Alltäglich ist er nicht. (dpa)