Hünxe.
Nutztiere aller Art mussten weichen: An diesem Wochenende tobt auf einer Weide beim Flugplatz Schwarze Heide das „Ruhrpott Rodeo“. Mit alten und neuen Fans feierte die legendäre Punkband Slime ihr Jubiläum.
24 Bands, 24 mal Punkrock. Die Voraussetzungen hätten kaum besser sein können: „Das Wetter ist gut“, rief Uwe Umbruch, Sänger und Gitarrist der „Revolvers“ in die pogende Menge, „und Slime werden spielen, die beste Punkband, die Deutschland je hervor gebracht hat“.
Slime. 30 Jahre ist das her, das Michael „Elf Mayer“, Eddi Räther, Peter „Ball“ Wodok und Sänger Dirk Jora dem Punk in Deutschland eine politische Stimme verliehen haben, wie sie vergleichsweise nur von „Ton Steine Scherben“ vernommen wurde. Das Bandjubiläum feiern sie auf diversen Festivals. In der Originalbesetzung, ohne einen einzigen neuen Song. Stattdessen die Lieder der 80er und frühen 90er, die knappen, präzisen und provokanten Parolen: „Legal, illegal, scheißegal“, „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“, „Brüllen, zertrümmern und weg“.
Heimspiel für die St. Pauli-Fans
Tim und seine ganze Clique tragen „Slime“-Shirts. Kennt er sie denn überhaupt noch von früher? „Nein. Damals war ich fünf. Ich habe ihre Sachen durch Freunde kennen gelernt und mir jetzt sofort Karten geholt“. Ob ihm die Texte der 80er denn heute noch etwas sagen würden? „Sie sind zeitlos!“
22.30 Uhr. Irgendwo in Europa verliert Bayern München und auf einer Weide in Hünxe interessiert das niemand. Die FC St. Pauli-Fans Slime feiern ein Heimspiel. Dirk Jora trägt eine Vintage-Trainingsjacke aus der offiziellen Totenkopflogo-Kollektion, viele Fans tragen Shirts und Trikots in den Vereinsfarben. Eine St. Pauli-Fahne weht über dem Publikum. Die erste Liga des politischen Punks wird an diesem Abend mehrfach den Aufstieg des Kultvereins in die erste Bundesliga feiern, Jora schlägt die Hand aufs Herz, wo das Totenkopflogo prangt. Doch bei aller Begeisterung, bei aller Feierstimmung der Fans, die Legende aus dem hafenstraßenumkämpften Hamburg der 80er tatsächlich live auf der Bühne zu sehen, die ernste Wut über den Zustand der Republik steht Jora ins Gesicht geschrieben, und sie klingt aus den Chören der mehreren tausend Fans.
Querverweise zwischen Klassikern und aktueller Politik
Bernhard ist 1200 Kilometer angereist, um dieses Konzert zu erleben. Der Wiener mit den kurzen, grünen Haaren lebte in den 80ern in einer WG in Hamburg, stand danach der Berliner Hausbesetzerszene nahe. Slime-Fan ist er seit 1981. „Es war der Soundtrack zu der politischen Stimmung“. Lang ist das her, die Zeiten haben sich geändert und manches ist passiert, was in den 80ern als Menetekel an die Wand gemalt wurde. „In Wien ist heute jede U-Bahn videoüberwacht, neueste Umfragen haben ergeben, dass 50 Prozent der österreichischen Jugendlichen rechts sind“. Bernhard kritisiert die mangelnde politische Haltung vieler neuerer Punkbands. „Ich weiß, das es bei Slime einfache Parolen sind, aber sie sind aktuell“.
Und so fällt es Dirk Jora leicht, zwischen den alten Klassikern und aktueller Politik Querverweise zu ziehen. Die Zustimmung der Grünen zum Afghanistan-Einsatz? „Linke Spießer“. Der Freispruch für den deutschen Oberst, dessen Befehl zum Tod von über 100 Zivilisten führte: „Ich glaub immer noch eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz“. Für Jora bleibt „Störtebecker“ der einzige Blick zurück. Und das Publikum geht bedingungslos mit.
Auch Wizo feiern ihr Comeback beim Ruhrpott Rodeo
Und trotzdem, ist ein Jubiläumscomeback nicht doch ein kleiner Ausverkauf? Nein, darin sind sich Tim, Bernhard und Uwe Umbruch einig. „Slime sollen allen kriegen, was sie sich wünschen“, schwärmt der Revolvers-Sänger aus der Düsseldorfer Szene. „Slime haben die Leute wie keine anderen emotional bewegt, dass sie aus dem Konzert kamen und die Republik verändern wollten. Auch für die Jugendlichen heute gibt es keine wichtigere Band“.
Also: Slime muss leben. Am Sonntag wird das Ruhrpott Rodeo mit den ebenfalls wiederbelebten Wizo als Headliner fortgesetzt.