Bonn. Großkünstler, Malerfürst, Geniebuden-Chef: Die Bundeskunsthalle widmet Markus Lüpertz die bislang größte und umfassendste Retrospektive. Dort wird sichtbar, dass trotz seiner Markenzeichen Lüpertz' Stärke das Vielerlei von Motiv und Malweise, von Position und Stil, Pose und Haltung bleibt.
Die Bühne für Markus Lüpertz muss großzügig bemessen sein. Schließlich ist er die personifizierte Summe von Kunstgeschichte. Mit Kandinsky im Sinn, Poussin an seiner Seite, Courbet, Beckmann, Picasso im Rücken. In ein großes Ego passt eben viel Persönlichkeit, passen viele Persönlichkeiten. Und Lüpertz ist der „Maler der Malerei”, Bildhauer der Kanzler, Genie von eigenen Gnaden. Und als solcher wird er nun mit einer großen Schau in der Bonner Bundeskunsthalle gewürdigt: „Hauptwege und Nebenwege”, frei nach Paul Klee.
Bislang größte und umfassendste Retrospektive
Die mit 150 Gemälden und Skulpturen bislang größte und umfassendste Retrospektive ist die ultimative Adelung des selbsternannten „Malerfürsten”. Sie reicht von den poppigen Donald-Duck-Bildern der frühen 1960ern über die berühmten „Dithyramben” bis zur jüngsten, raumgreifenden Arbeit „Abschied” von 2009. Ein exemplarisch überladenes Werk mit den bekannten Lüpertz-Symbolen vom Stahlhelm bis zum Totenkopf: Paradies perdu im 21. Jahrhundert.
Wobei allein der Begriff „Retrospektive” heikel klingt für jemanden, der geradezu eine „Phobie vor Vergangenheit” hat, seine Bilder nicht mit Datum signiert und überhaupt alles tut, um die Zeit anzuhalten. So einer beantwortet die Frage nach einem Lüpertz-Museum zu Lebzeiten mit einem entschlossenen „Nein”: „Das wäre ganz furchtbar, ein vorgezogenes Sterben.”
Ein "Neuer Wilder" a.D. und Künstler der alten Schule
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Aber Lüpertz ist vital, auch wenn der 68-Jährige seit Jahren am kunstvoll geschnitzten Stock geht. Ein „Neuer Wilder” a.D. und Künstler der alten Schule, der sich im Zwischenbereich von Tradition und Experimentierlust eingerichtet hat. „Es gibt keine bildende Kunst, die nicht irgendwann einmal in einem Tempel zu Hause war”, doziert er. Als Rektor der Düsseldorfer Akademie hat er abgedankt, bald will er in seiner Potsdamer Privat-Schule „Souci” kreative Atmosphäre und meisterlichen Abglanz vermitteln. Leistungsfach: Bohème.
„Avantgardismus als Kunstrichtung”, beharrt Lüpertz, „wird dilettantisch.” Er aber sucht die Vollendung – und findet sie früh im Figurativen. In Bonn sieht man die Seerose von 1970 und den Gugelhupf, die monumentalen Telegraphenmasten und das „Spargelfeld”; farbig überhöht und so der banalen Wirklichkeit enthoben. Die Pathetik des Alltäglichen aus der Farbe.
Markenzeichen: Schnecke, Ähre, Stahlhelm
Die Schnecke, die Ähre, vor allem der Stahlhelm aber werden Anfang der 1970er seine Markenzeichen. „Deutsche Motive”, die der Ausreißer aus der algerischen Fremdenlegion in die flache Farblandschaft stellt wie geschichtskontaminierte Zeichen, um sie auf der Leinwand auslüften zu lassen. Man kann es künstlerische Konsequenz oder Wiederholungszwang nennen - die Helme tauchen bis heute auf.
Lüpertz' Stärke bleibt gleichwohl das Vielerlei von Motiv und Malweise, von Position und Stil, Pose und Haltung: Mal steht man still in einem lichten Tempelchen voller altmeisterlich Kleinformate. Mal scheinen die riesigen Formate in ihrer dionysischen Geltungssucht mit den Skulpturen um die Aufmerksamkeit des Betrachters zu ringen: Der „Prometheus”, der mit seinen offenen Gedärmen an eine Figur aus von Hagens „Körperwelten” erinnert, die prall-runde „Judith” mit ihren Dellen und dem unförmigen Schädel oder der kurzbeinige „Adler”, der sonst vorm Bundesgerichtshof in Karlsruhe thront.
An Großaufträgen herrscht weiter kein Mangel: Nach Augsburgs „Aphrodite” und Salzburgs „Mozart” wird auch die Ruhr.2010 mit Lüpertz locken: dem „Herkules” für die Zeche Nordstern. Ein griechischer Halbgott, der auch nicht eben tiefgestapelt haben soll.
Bis 17. Januar, Friedrich-Ebert-Allee 4, dienstags und mittwochs 10-21, donnerstags bis sonntags 10-19 Uhr. Katalog: 34,90 Euro.