Essen. Ein Giftmord passiert in Essen-Kettwig. Der ist beim Krimi-Trail nur Fiktion, doch wir sind das Ermittler-Team. Ein Selbstversuch als Spürnase.

Na, das fängt ja gut an. Julia und ich stehen umringt von kleinen Fachwerkhäusern auf dem großen Rathausplatz im Essener Stadtteil Kettwig – und schauen uns planlos um. Dabei sind wir hier, um einen Mord aufzuklären. Genauer gesagt, den Giftmord an Essens Oberbürgermeister.

Nein, natürlich handelt es sich dabei nicht um Thomas Kufen, den echten OB der Ruhrmetropole, sondern um ein fiktives Opfer. Bei der Krimi-Trail genannten Rätseltour, die es auch in einigen anderen Städten (s. Info-Kasten) gibt, müssen die Teilnehmenden per Handy-App einen fiktiven Kriminalfall lösen. Das Tötungsdelikt passt jedoch gut in die Szenerie: Im Rathaus Kettwig soll eine Tagung zur Renaturierung der Ruhr und Verbesserung der Trinkwasserqualität stattgefunden haben. Doch ausgerechnet in sein Trinkwasser wurde dem Oberbürgermeister bei diesem Treffen giftiges Reinigungsmittel geträufelt. Fünf Tatverdächtige konnten bereits ausgemacht werden.

Rätseln an der frischen Luft

Jetzt liegt es an meiner Freundin und mir, herauszufinden, ob die Personen ein Alibi haben und wer von ihnen ein Motiv für die Tat hat. Dafür müssen wir an verschiedenen Schauplätzen im Ort Rätsel lösen und die richtige Antwort per SMS an die Einsatzzentrale von Krimi-Trails senden, automatisch erhält man schließlich weitere Hinweise.

Vincent Kleinemeier von Krimi-Trails beschreibt das Prinzip der Tour als eine Mischung aus Schnitzeljagd und Escape-Room. Denn auch hier gibt es eine Hintergrundgeschichte und es werden Rätsel gelöst. Bei den Krimi-Trails stehe man jedoch weder unter Beobachtung noch unter Zeitdruck. „Wir geben zwar einen gewissen Rahmen vor, aber im Endeffekt entdeckt die Gruppe alles selbst“, sagt Kleinemeier.

Julia notiert alle wichtigen Erkenntnisse auf ihrem Blog.
Julia notiert alle wichtigen Erkenntnisse auf ihrem Blog. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Das ist leichter gesagt als getan: Ausgerüstet mit unseren Handys, auf die wir die Krimiakte heruntergeladen haben, sowie Block und Stift in der Hand verzweifeln wir schon an der ersten Frage. Gesucht wird eine Lokalität, in dessen Namen sich ein damals politisch wichtiger Städtename verbirgt. Anstatt uns in unmittelbarer Rathausnähe umzuschauen, vermuten Julia und ich hinter der Frage einen ausgeklügelten Fallstrick, sodass wir uns immer weiter vom Startpunkt entfernen. Bald finden wir uns in verschlafenen Gässchen wieder, in denen der Weg nicht weiterführt. Schließlich beginnen wir sogar zu googeln.

Vincent Kleinemeier ermutigt Anfängerinnen und Anfänger, dran zu bleiben: „Die Geschichte entwickelt sich erst im Laufe der Zeit, man muss nicht alles von Anfang an verstehen.“ Irgendwann, so glaubt Kleinemeier, würde jeder Teilnehmer seine passende Rolle in der Gruppe finden. Und wenn man nur die Gegend beobachtet.

Während der Tour die Umgebung erkunden

Julia blickt von ihrem Handy auf und schaut sich um. Die Sonne geht gerade unter und wirft ein schimmerndes Licht auf die Kopfsteinpflaster vor uns. Kaum jemand ist unterwegs, es ist ungewöhnlich still. „Ich hätte nicht gedacht, dass Essen so schön sein kann“, sagt Julia. „Bislang habe ich eher andere Ecken kennengelernt, da ist Kettwig mit den kleinen Fachwerkhäusern echt etwas Besonderes.“

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Auch Kleinemeier findet: „Das Schöne an den Outdoor-Trails ist, dass man während des Rätselns die Gegend kennenlernt, ohne das Gefühl zu haben, direkt an einer Stadtführung teilzunehmen.“ Die Teilnehmenden können selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge sie die Stationen besuchen und wann sie die Tour antreten wollen. „Es ist ein ganz anderes Erlebnis, wenn man an einem Samstagvormittag losgeht, an dem viel auf den Straßen los ist, oder nach Feierabend die leeren Gassen entlang läuft“, erklärt Kleinemeier. Aber: Nur tagsüber ist eine Hilfehotline für die Gruppen eingerichtet, über die die Teilnehmenden Tipps erhalten, wenn sie mal nicht weiter wissen (s. Infokasten). Mutige können den Trail aber auch um 22 Uhr beginnen.

Angesetzt ist die Tour auf etwa zweieinhalb Stunden. Einige Gruppen nehmen sich aber auch einen ganzen Tag Zeit, machen zwischendrin eine Kaffeepause, erzählt der Krimi-Trail-Experte. „Wenn es zum Beispiel anfängt zu regnen, kann die Gruppe an einem anderen Tag weitermachen.“ Auch Julia hat mit Blick auf ihre Armbanduhr den Eindruck, flexibler zu sein als in einem klassischen Escape-Room. 45 Minuten sind bereits vergangen. „Ich finde es gut, dass man hier nicht in einem stickigen Raum mit anderen ist und versucht, so schnell wie möglich wieder rauszukommen“, sagt sie und lacht.

Motiviert zur nächsten Aufgabe

Nachdem wir einmal im Kreis gelaufen sind, lassen wir uns erschöpft auf eine Bank neben dem Rathaus fallen. Und siehe da: Die Lösung liegt direkt vor unseren Augen. Wir haben das Gebäude gefunden und das erste Rätsel gelöst! Unsere Motivation ist zurück und unser Kampfgeist geweckt. Wir kritzeln eifrig Notizen in unser Heft, denken uns Geschichten zu den Verdächtigen aus und erkunden die Umgebung.

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So lange, bis es draußen so dunkel ist, dass wir kaum noch etwas erkennen können. Müde und mit leeren Handyakkus machen wir uns nach drei Stunden auf den Rückweg – ohne das Rätsel final gelöst zu haben. „Lass uns die Tour noch einmal in einer größeren Gruppe, mit mehr Vorbereitungszeit und einer ausgedruckten Krimiakte wiederholen“, sagt Julia zu mir, als wir in ihr Auto steigen. Die Herausforderung nehme ich gerne an.

>>> Info: Krimi-Trails der Region

Die Krimi-Trails finden ganzjährig statt und können jederzeit gebucht werden. Von 10-17 Uhr wird den Teilnehmenden eine Betreuungshotline zur Verfügung gestellt.

Orte: Bonn (Brassertufer), Düsseldorf (Lindenstraße 142), Essen (Rathaus Kettwig), Köln (Vondelstraße 4) uvm.

Kosten betragen 25 € pro Gruppe (maximal 5 Personen). Allerdings können mehrere Gruppen den Trail zur gleichen Zeit antreten. Weitere Infos gibt’s unter krimi-trails.de.