Essen.. In Essen sind sie inzwischen nur noch „auf Besuch“: Die Brüder Wassily und Nicolai Gerassimez haben es von Essen an die Klassik-Spitze geschafft. Es begann mit „Jugend musiziert“. Jetzt ist ihre erste CD erschienen.


In Essen sind sie inzwischen nur noch „auf Besuch“. Längst haben Ausbildung und erste Karriereschritte die Brüder Nicolai (Klavier) und Wassily Gerassimez (Cello) nach Berlin und Leipzig verschlagen. Eben ist ihre erste CD erschienen. Nach ihrer familiären Steeler Stippvisite traf Lars von der Gönna die Brüder zum Gespräch.

Was bedeutet es, „unter Brüdern“ aufs Klassik-Podium zu treten?


Nicolai: In erster Linie muss die Qualität des Musikers stimmen. Aber ich denk’ doch: Mit einem Bruder zu musizieren, das ist eine Art Bonus, da sind noch ein paar Prozent, die man mit einem anderen Partner nicht hinbekommt. Wir sind einander vom Typ eben auch ähnlich.

Wassily: Ich glaube, wir kommen schneller zum Ziel, sind uns schneller einig, was eine bestimmte Musik für einen Ausdruck braucht. Auch das Publikum spürt das, wenn man als Brüder die gleiche Empfindung teilt.

Wassily, haben Sie je gespürt, dass Sie der „kleine“ Bruder sind?

W.: Nein gar nicht, auch bei der Verantwortung für den anderen nicht. Wenn wir zusammen auf Tour sind, guckt mal der eine, auf welches Gleis wir jetzt müssen, und mal der andere (lacht). Obwohl es bei uns einen echt großen Altersunterschied gibt: ganze sechs Jahre.

CD, Konzert und eigene Kompositionen



„Free Fall“ heißt die CD der Brüder Gerassimez, die diese Woche beim Label „Genuin“ erschienen ist. Auf Youtube ist die Komposition „Transition“ auch als Film zu sehen.



Neben Mendelssohn, Shostakovich und Say sind auch jazzige Eigenkompositionen von Wassily auf dem Album. „Ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt er, „ich kennen keinen Cellisten meiner Liga, der so viel komponiert.“ Sein Traum: Ein Konzert nur mit eigenen Werken.



Nicolai spielt mit seinem Bruder Alexej (Schlagzeug) am 8. Juni in der Reihe „Essener Jugendstil“ ein Konzert in Essens Philharmonie.

Als Sie auf die Welt kamen, saß Nicolai schon am Klavier!

W: Ja, bei uns hatten alle ein Instrument. Da musste mich gar keiner überzeugen. Ich wollte da unbedingt mitmachen. Meine Mutter hat mir dann gezeigt, dass man eine Geige auch zwischen den Knien spielen kann. Da fing die Liebe zum Cello an, da wollte ich es dann nie mehr hergeben.

Sie haben zig Preise abgeräumt. legen zu zweit jetzt ein starkes Debütalbum vor. Es gibt viele gute Musiker in Ihrem Alter. Ist es purer Mut, zu sagen: „Ich werde Profi!“?

W: Ach, die Erfolge tragen einen auch sehr dahin, die Preise bei ,Jugend musiziert’, der Aalto-Bühnenpreis, aber auch das Publikum und Lehrer. Da stellt man sich die Frage vielleicht weniger.
N: Ich weiß es noch genau: Als ich 13 war, habe ich mich entschieden, dass es kein Hobby bleibt. Mich hat auch gereizt, dass man sich als Musiker auf einer Bühne präsentiert.

Wie sehen Sie David Garrett?

W: Klar, ein guter Musiker. Was er daraus macht, ist ja seine Sache. Mich ärgert viel mehr, wenn auf Youtube eine Bratschistin, die kaum mehr als die Tonleiter beherrscht, irre Klickzahlen hat.
N.: Ich würde mir manchmal wünschen, dass David Garrett den Hörern mehr zutraut.

Erinnerung an die Kindheit in Essen

„Bei uns zuhause war es nie still, irgendeiner hat immer Musik gemacht. Mein Vater hat sich oben mit der Trompete eingespielt, meine Mutter im Wohnzimmer Geigenunterricht gegeben“, erinnert sich Wassily Gerassimez an seine Kindheit in Essen. Vater Gerassimez ist bis heute Trompeter bei den Essener Philharmonikern, die Mutter ist studierte Bratschistin.

Es sind viele glückliche Erinnerungen an das Aufwachsen im musikalischen Elternhaus geblieben – gerade weil es ein Weg ohne Zwang gewesen sei. „Ganz bewusst“, sagt Wassily, „wollten uns unsere Eltern nicht in die Musik drängen. Sie hatten viel Zeit für uns, aber sie haben uns überlassen, ob wir ein Instrument lernen oder nicht.“ Die Freiheit trug Früchte: Alle vier Kinder lernten ein Instrument. drei professionell. Alexej, der dritte im Bunde, ist Schlagzeuger. Schwester Larissa studiert Architektur.

Zur Intensivierung ihrer Ausbildung wechselten Nicolai und Wassily bereits als Jugendliche ans Bach-Musikgymnasium Berlin. Woran sie denken beim Stichwort Heimat Essen: „Wir fanden es toll, wie unser Vater uns als Kinder in Opernproben eingeschleust hat“, schwärmt Wassily. Und ein grüner Abenteuerspielplatz war die Kindheit auch. Nicolai: „Wir wohnten in Stadtwald, gleich am Wald, das war mit den Nachbarskindern eine tolle Zeit“.