Grefrath. Im Niederrheinischen Freilichtmuseum scheint die Sonne beim 360-Grad-Rundgang auch virtuell - und das nicht erst seit Beginn der Corona-Krise.
Beim Blick auf die Karte des Geländes könnte man denken: Wie kommen denn die ganzen Bauernhöfe da hin, die sich rund um die Dorenburg angesammelt haben? Sie alle liegen um dieses alte, niederrheinische Herrenhaus, dessen Wurzeln sich zurückverfolgen lassen bis ins Jahr 1326… Denn auch wenn das Gelände rund um die Dorenburg großzügig bemessen ist, für gleich drei Bauernhöfe plus Schmiede, Kornbrennerei, Gerberei und Sägewerk wäre der Platz doch ein bisschen knapp bemessen.
Die Gebäude um die Dorenburg stammen aus einer anderen Gegend, zusammen bilden sie das Niederrheinische Freilichtmuseum, das man derzeit zwar schon wieder live unter freiem Himmel besuchen kann – aber nicht muss. Denn in Grefrath war man sehr früh dabei, lange vor Corona, digital zu werden und zu werben…
360-Grad-Rundgang mit Simpsons-Wattewölkchen
Es scheint, als wäre auf der Homepage des Freilichtmuseums immer Sommer, zumindest wurde der virtuelle 360-Grad-Rundgang an einem Tag aufgenommen, als ein Wetter zum Bäumeausreißen herrschte: sonnig, heiter, mit leichten Simpsons-Wattewölkchen am Himmel, fast kann man die Wärme auf der Haut spüren. Dabei schauen wir hier in einen lange zurückliegenden Sommer, den Rundgang gibt es schon seit 2016, als so etwas noch recht selten war in der Museumslandschaft. Mit im Spiel war auch ein bisschen Zufall. „Wir wurden angesprochen von einem Museums-Besucher, der selber solche Rundgänge produziert und aus der Region kommt. Als er fragte, ob wir Interesse daran hätten, haben wir uns das angeguckt, ein bisschen die Preise am Markt verglichen. Und dann passte das alles“, sagt Kevin Gröwig, stellvertretender Museumsleiter und Museumspädagoge.
Dass es sich dabei allerdings hauptsächlich um einen Rundgang übers Außengelände handelt, wollten die Macher damals schon nicht hinnehmen. Nun werden etwa vor den einzelnen Gebäuden Foto-Symbole angezeigt. Draufklicken – und schon gelangt man zu Einzelbildern oder ganzen Diashows aus dem Inneren der Häuser.
„Wir haben niemanden vertrieben, um die Häuser zu bekommen.“
In der Dorenburg ist übrigens eine Ausstellung zur Wohnkultur am Niederrhein untergebracht. In der zugehörigen Scheune findet sich das Spielzeugmuseum, das gleich Lust auf die riesige Modelleisenbahn macht, die im Panoramabild schon gewaltige Pracht entfaltet – und in der Diashow in ein paar tollen Nachtaufnahmen zu sehen ist. Dabei wäre es natürlich toll, wenn man die kleinen Züge auch in voller Fahrt sehen und Rundgänge durch die Gebäude machen könnte. Aber das wurde bewusst nicht ermöglicht...
„Wir haben uns von Anfang an darauf verständigt, dass wir nicht zu zu sehr ins Detail gehen wollten. Weil wir den Leuten ja nur eine Anregung geben wollten, selbst vorbeizukommen, und nicht gleich alles verraten wollten“, sagt Gröwig.
Die anderen Gebäude um die Dorenburg sind Importe von vielen anderen Ecken des Niederrheins. „Die wurden an ihrem originalen Standort abgebaut und ins Museum gebracht. Wir sammeln im Prinzip Häuser. Die meisten kamen in den 70er-Jahren her, als das Museum aufgebaut wurde. Aber wie ich den Kindern bei den Führungen immer sage: Wir haben niemanden vertrieben, um die Häuser zu bekommen“, sagt Gröwig und lacht.
Mit Videos zu Osterbräuchen fing es an
Dabei kann man auf wenigen hundert Metern gut Strecke machen: Die Korn-Brennerei stammt aus Moers, die Posthalterei aus Willich-Schiefbahn, der Bauernhof Waldniel aus Schwalmtal und eine Dampfwalze kommt gar aus... Soest, was ja streng genommen nicht ganz am Niederrhein liegt…
Das jüngste Gebäude ist die Miertzkate. „Das Gebäude stand ursprünglich ein paar Kilometer vom Museum entfernt – und über viele Jahre hat darin eine Familie gewohnt, deren Geschichte wir zum Teil nacherzählen – und es gibt darin eine Ausstellung zur Armut auf dem Lande“, erzählt Gröwig.
Dazu muss man allerdings live vorbei kommen, so lange es die Inzidenzwerte zulassen – am besten per Online-Anmeldung über die Homepage. Auch anderweitig hat Corona großes digitales Engagement erfordert. „Wir haben vorher schon viel Social Media gemacht, wir sind ganz gut aufgestellt bei Facebook – und sind schnell dazu übergegangen, kleine Videos zu produzieren, zwar ganz laienhaft mit dem Handy, aber das kam sehr gut an. Unser erstes Video war zu einem kleinen Fohlen, das da gerade geboren war letztes Jahr. Und dann rückte Ostern näher und ich war gerade mit den Arbeiten zu einer neuen Dauerausstellung fertig, da ging es auch um Ostern und die Karwoche. Deshalb habe ich eine Reihe gemacht zu den Tagen der Karwoche und ihren Gebräuchen. Es ist supertraurig, aber wir könnten das dieses Jahr noch mal posten“, klagt der stellvertretende Museumsleiter.
Schnitzeljagd im Netz
Auch als im Sommer Köhler zu Gast im Museum waren, wurden dazu Filmchen gedreht. Zudem gibt es eine Museums-App, die sich jeder aufs Handy ziehen kann. „Das ist eine Ergänzung zu unseren Gelände-Texten, also nicht nur die Texte, die eh schon an den Häusern sind.“
Und noch spannender: Über die kostenlose App „Actionbound“ gibt es zwei digitale Museumsspiele, die wie eine virtuelle Schnitzeljagd auf dem Museumsgelände funktionieren. „Da gibt es tolle Aufgaben, das ist in Corona-Zeiten etwas, worauf wir setzen, weil wir so unsere Museumspädagogik noch mal an kleinere Gruppen weitergeben können…“
Noch spannender geht es nur zu, wenn man vor Ort ist. Und immerhin: Ein Museum unter freiem Himmel – etwas Risikoärmeres wird man derzeit in der Museumslandschaft kaum finden. Wann man wieder Termine buchen kann, erfahren Sie auf der Webseite des Museums.
Mehr Infos, elektronische Anmeldung zum Besuch und die virtuelle Tour finden Sie auf: niederrheinisches-freilichtmuseum.de Adresse: Am Freilichtmuseum 1 (Navi: Stadionstr. 145) 47929 Grefrath, Tel.: 02158/9173 - 0