Köln. Das Römisch-Germanische Museum in Köln zeigt die Kunst einer bewegten Epoche voller Aufruhr und Zerstörung. Als das Römische Reich zusammenbrach, setzten sich die Völker in Bewegung. Doch die alten Völker des Kontinents waren nicht nur Krieger, sondern auch Künstler.
„Überall Trauer, überall Seufzen, und weit und breit ein Bild des Todes. Das Römische Reich bricht zusammen”. Mit einigem Entsetzen schreibt der Kirchenlehrer Hieronymus im Jahre 396 n. Chr. auf, was um ihn herum passiert. Es ist die Zeit der Völkerwanderung, und wie bisher niemals ist Europa in Bewegung, Aufruhr, Zerstörung und Neubeginn verstrickt. Eine schreckliche, eine fruchtbare Zeit, eine Zeit aber auch, die nicht so kulturlos ist, wie es oberflächlich scheint.
Fundstücke auf dem Familienfriedhof
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Das erkennt vor allem der junge Freiherr Johannes von Diergardt, der Sohn eines Bonner Rittergutsbesitzers. Er beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, die Kunst der Völkerwanderungszeit zu sammeln, nachdem er auf dem Friedhof seiner Familie im Park des von ihm bewohnten Schlosses Bornheim einen fränkischen Friedhof findet, den er auf seine Kosten ausgraben lässt, die die Funde stellt er aus. Und just in dem ausgehobenen Grab seiner Mutter Bertha findet er 1902 weitere fränkische Schmuckstücke, auch diese Zeugen der unruhigen Völkerwanderung.
Derzeit zeigt das Römisch-Germanische Museum in Köln die schönsten Stücke jener einst vieltausendfachen Sammlung, deren einer Teil im Bombenhagel vernichtet wurde, ein weiterer Teil mit dem Gold aus Troja immer noch in Russland weilt und ein dritter Teil als „Feindvermögen” an Frankreich ging.
Mit Sachverstand und viel Vermögen
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Dennoch, was in Köln äußerst attraktiv aufbereitet zu bestaunen ist, lohnt jede noch so weite Anreise. Der Titel der Ausstellung heißt „Europa brennt” , und so sind die exquisiten goldenen Schmuckstücke auf schwarzen Holzkohlenstücken drapiert, ein Hinweis auf die prekäre Fundlage einerseits und die Zerstörung der antiken Welt andererseits.
Diergardt hat mit großem Sachverstand und viel Vermögen aus dem eigenen Textilunternehmen in ganz Europa nach seinen Stücken suchen lassen. Da findet sich der Stirnreif einer Fürstin der Attilazeit, ein Diadem mit roten Almadinen, das sich nur die reiternomadische Oberschicht leisten konnte. Noch kostbarer ist der Haubenschmuck einer Hunnin, der einst auf einer steifen Filzhaube saß und vor rund hundert Jahren in der pontischen Steppe wiedergefunden wurde.
Erinnerung an den Sammler
Goldene Halsringe von Sarmaten und Germanen, „torques” genannt, sind ebenso zu bestaunen wie zahlreiche gold-silberne Fibeln, Gewandspangen von Gotinnen. Einer Gotin aus Italien oder Spanien gehörte auch die kunstvoll mit bunten Steinen verzierte Adlerbrosche. Merowinger müssen einst die stilisierten Greifvögel getragen haben, ein fränkischer Krieger stolzierte mit schwerer eiserner Gürtelschnalle, die mit Gold tauschiert ist. Die „Kertscher Krone” , ebenso schön wie edel aus Gold und Almadinen gefertigt, gehörte einst einer Fürstin aus Nomadenadel, die auf der Krim beerdigt wurde.
Köln konnte 1934 die Diergardt'sche Sammlung dem habgierigen Reichsführer SS Heinrich Himmler vor der Nase wegkaufen. Johannes von Diergardt, der von allen, die ihn kannten, als äußerst nobel, zurückhaltend, großzügig und freigebig geschildert wird, dürfte damit sehr einverstanden gewesen sein. Die Ausstellung erinnert an ihn aus Anlass seines 150. Geburtstages.
Zu sehen bis zum 15. November.