Moers. Zur Jubiläumsausgabe im 50. Jahr setzte das Moers-Festival auf Bewährtes und große Namen – John Scofield spielte live vor wenigen Park-Besuchern.

Über Pfingsten muss es am Niederrhein, zumindest beim „50. Moers Festival“, ziemlich sonnig gewesen sein. Jedenfalls wenn man dem Prediger Kohelet glaubt, der weiland selig ja befand: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Seit Anfang der 70er-Jahre, als Burkhard Hennen sein „Internationales New Jazz Festival“ langsam, aber sicher zu Weltruhm führte, gilt allerdings auch für dieses Pfingstereignis: Wunder gibt es immer wieder.

Dessen größtes war im Jubiläumsjahr zweifelsohne die vom aktuellen künstlerischen Leiter Tim Isfort prompt und souverän genutzte Chance, an vier Tagen jeweils ein Konzert mit Publikumsbeteiligung offerieren zu dürfen. Wer allerdings glaubte, dass die Jazzfans nach ewiglanger Zeit ohne Live-Musik das Open-Air-Gelände am Rodelberg mit seiner archaischen Bühnenkonstruktion bis auf den allerletzten der behördlich erlaubten 500 Plätze füllen würde, der stand meist ziemlich bedröppelt da. Selbst der Himmel weinte, als der amerikanische Saxophonist Joe McPhee mit dem Hammond-Orgel-Trio „Decoy“ nur vor einem Bruchteil der möglichen Zuhörer erstaunlich gestrig groovte. Da hatte der australische Perkussionist Will Guthrie mit einem französischen Gamelan-Orchester ebendort durchaus packend schon Erinnerungen an jene Zeiten geweckt, als im Freizeitpark unzählige Freaks noch lautstarke Trommelorgien feierten.

Bühne unter Wasser, David Murray röhrt hinreißend vital

Es war beileibe nicht der einzige nostalgische Rückblick auf ein Moers Festival, das größtenteils Corona-bedingt ohne Publikum als Live-Streaming-Event bei Arte Concert stattfinden musste. Und dies als ständiges Hin und Her zwischen der Festivalhalle, wo vor allem Großformationen auftraten, und dem Rodelberg, der neben dem Publikumskonzerten etwa auch den legendären „Moers Sessions“ eine Plattform bot. Oft unter erschwerten Bedingungen, denn nicht nur beim Auftritt der Band „The Resonators“ um den Saxophonisten Frank Gratkowski stand die Bühne größtenteils unter Wasser. Weshalb viele Acts dort mehr für die Kameras als für die Journalisten und Fotografen spielten, die auch in der Festivalhalle wenigstens einen Hauch von Live-Atmosphäre vermittelten – der große Applaus kam stets vom Band.

Wie „Der Kampf um die Zukunft“, so das offizielle Motto, angesichts der Vielzahl alter Heroen beiderlei Geschlechts gewonnen werden soll, war die große Frage beim 50. Moers Festival. Denn diesmal setzte Tim Isfort, der letztes Jahr noch einen starken Fokus aus die junge europäische Szene gelegt hatte, nahezu komplett auf Veteranen der Vergangenheit. So röhrte David Murray hinreißend vital wie in alten Zeiten, während Jamaaladeen Tacuma allein am Elektro-Bass superbe Technik mit höchster Musikalität zu einem druckvollen Erlebnis machte. Bezaubernd filigran geriet dagegen der improvisatorische Austausch der Pianistin Myra Melford mit der Stimmartistin Lauren Newton und Joëlle Léandre am Bass, was später vom hochdynamischen Sylvie Courvoisier Trio vor jubelndem Publikum spektakulär kontrastiert wurde.

Brad Mehldau und John Scofield als Highlight des Festivals

Dass jedoch zwei Solo-Artisten für die Highlights des Festivals sorgten, kam nicht unerwartet. Wohl aber, dass beide – der Pianist Brad Mehldau ebenso wie der Gitarrist John Scofield – von den Beatles bis John Coltrane intensive Spannungsbögen zeichneten, die sie obendrein mit filigranen Neudeutungen alter Standards fabelhaft garnierten. Souveräne Altersreife statt jugendlicher Frische – irgendwie passend zu einem 50. Geburtstag, dem man freilich noch mehr Impulse von der Enkelgeneration gewünscht hätte.