In „Die Taten der Toten“ geht das bekannte Ermittlerduo Forss und Nyström auf die Suche nach dem Mörder Olof Palmes.
Am 10. Juni 2020 ist von Stockholm eine Nachricht um die Welt gegangen: 34 Jahre nach dem tödlichen Attentat auf den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme hat der ermittelnde Staatsanwalt der Öffentlichkeit einen Hauptverdächtigen mitgeteilt: den im Jahr 2000 gestorbenen Versicherungsangestellten und Waffennarr Stig Engström. Damit könnte Schweden sein Trauma doch noch überwinden: Palme wurde am Abend des 28. Februar 1986 in der Stockholmer Innenstadt erschossen. Der Mord erschütterte ganz Europa.
Ein packender Wechsel zwischen Fiktion und realer Aktenlage
Ausgerechnet diesen 10. Juni hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch gewählt, um „Die Taten der Toten“, den neuen Kriminalroman des deutsch-schwedischen Erfolgsduos Voosen und Danielsson zu veröffentlichen, der von nichts weniger handelt als dem Mord an Olof Palme. Unabhängig davon, ob die Wahl dieses Termins als geschmacklos wahrgenommen werden könnte, macht der achte Fall der jungen Ermittlerin Stina Forss und ihrer erfahrenen Vorgesetzten Ingrid Nyström mit dem Schweden am Ende des Kalten Kriegs bestens vertraut. Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson, für historische Recherchen und detaillierte Milieustudien bekannt, haben sich selbst übertroffen.
In packendem Wechsel zwischen den Fällen der Kommissarinnen und der Aktenlage zum Mord an Palme, mit dem die fiktiven Untaten hier zusammenzuhängen könnten, verlebendigen die Autoren das damalige Scheitern der Polizei und die seitdem kursierenden Theorien über den oder die Täter. Als verdächtig galten neben Engström unter anderem die PKK, Waffenhändler sowie ein Komplott zwischen schwedischen Rechtsextremen und südafrikanischem Geheimdienst.
Überraschende Lösung des Falls, wenn auch anders als in der Realität
Der Sozialdemokrat Palme galt als scharfer Kritiker der Apartheid. Mit ihrem Fokus auf diese Verschwörung ehren Voosen und Danielsson den 2004 verstorbenen Thriller-Autoren und ehemaligen Investigativ-Journalisten Stieg Larsson, dessen Nachlass-Material diese Annahme stützt. Die überraschende Lösung des Falls im Buch freilich ist eine andere als in der Realität.
Spannung erzeugen Voosen und Danielsson mit schnellen Wechseln zwischen Perspektiven und Zeitebenen, vielen Cliff-Hängern und einem Trick: Bei den aktuellen Fällen der Ermittlerinnen handelt es sich um Anschläge auf ihre Familie und sie selbst. Entsprechend leidenschaftlich gehen sie ans Werk. Auch die verlangsamenden Momente, in denen ihr Team bisherige Ergebnisse rekapituliert, sind stimmig platziert - und dringend nötig, denn das Personal ist üppig.
Nicht jede Figur hat das Duo sorgfältig ausgemalt, etliche sind ihm zu schwachen Karikaturen geraten. Darüber lässt sich jedoch leichter hinweglesen als über die brutalen Verletzungen von Gesetzen und Menschenrechten durch Nyström und Forss. Den Hang zur Selbstjustiz, die Willkür von Gesetzeshütern sind in der Kriminalliteratur Trend. Doch ein Roman, der ein reales, folgenschweres Versagen von Staat und Bürgern thematisiert, muss sich damit reiflich auseinandersetzen. Dieser elementare Punkt ist Voosen und Danielsson unter der Fülle ihres Materials entglitten.
Die Taten der Toten
von R. Voosen und K. Danielsson
Kiepenheuer & W., 416 S., 12 €
Wertung: 4 / 5 Punkten.