Boom. Halbzeit beim zehnjährigen Tomorrowland-Jubiläum: 180.000 Elektro-Fans feierten beim Festival im belgischen Ort Boom zu den Beats von 300 der weltweit besten DJs. Bei 35 Grad wählten viele Besucher aus über 200 Ländern zwischen schrillen und knappen Outfits.

Erschöpft lässt sich Jennifer auf den stumpfen Kunstrasen fallen, der den Hang des Amphiteaters bedeckt. „Jetzt bin ich langsam echt platt“, stöhnt die 23-Jährige aus Stuttgart und reibt sich die Füße, die zehn Stunden bei bis zu 35 Grad in der Sonne fast durchgetanzt haben. Vor ihren Augen hüpfen immer noch Zehntausende zum Bass-Schlag der gigantischen Hauptbühne des Elektro-Festivals Tomorrowland.

Plötzlich beginnt ihr Festival-Armband grün und blau im Takt der Musik von Armin van Buuren zu blinken. Durch einen elektronischen Impuls werden alle Besucher Teil der ausgeklügelten Licht-Effekte. Das setzt bei Jennifer neue Kräfte frei. Magisch angezogen von der 140 Meter breiten Mainstage, tanzt sie in die jubelnde Menge.

Umrahmt von sich drehenden Zahnrädern beobachtet ein überdimensionales, goldenes Frauen-Gesicht wie die Gäste in dem magischen Tomorrowland die Musik, die DJs und letztlich sich selbst feiern. Zwischendurch sehen sich die Besucher auch selbst auf der gigantischen Leinwand, überwältigt von den paar Sekunden „Ruhm“ jubeln sie laut. Für andere ist das der beste Wege in den Tomorrowland-Aftermovie – der Film von dem Festival 2013 hat mittlerweile über 74 Millionen Aufrufe bei YouTube.

David Guetta heißt die Besucher in der Nation „Tomorrowland“ willkommen

In der Menge vor der Hauptbühne wehen Dutzende Fahnen aus aller Herren Länder. Die 180.000 Besucher des Festivals stammen aus über 200 Ländern – von Japan über Südafrika bis Australien, Israel, Brasilien und den USA. „Ich sehe so viele verschiedene Fahnen und trotzdem sind wir hier eine Nation“, schwärmt David Guetta.

Der Franzose gehört zu den Pionieren des Tomorrowland-Festivals, das vor zehn Jahren mit mehreren tausend Besuchern auf dem Gelände des weitläufigen Freizeitparks De Schorre startete. „Dieses Festival ist genauso wie ich als DJ gewachsen“. Heute gehört David Guetta zur ersten Riege an den Platten-Decks während Tomorrowland zu den beliebtesten Festivals weltweit gehört.

Da in den vergangen Jahren der Frust bei vielen Fans der Elektronischen Dance Musik (EDM) groß war, weil es zehnmal mehr Anfragen als Tickets für das Festival gab, entschlossen sich die Veranstalter ID&T aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums auf zwei Wochenenden zu expandieren. Die 360.000 Tickets waren Mitte Februar trotzdem nach einer Stunde vergriffen.

Festival gilt bei Elektro-Fans als das Woodstock der Neuzeit

Den „Schlüssel zum Glück“ haben die Tomorrowland-Macher den Besuchern für dieses Jahr versprochen. Die meisten haben ihn wohl an den drei Tagen gefunden. „Diese Atmospähre hier ist unglaublich“, schwärmt Kelly aus Oakland. „Alle sind freundlich, fröhlich und helfen einander“.

Zehntausende haben zu den Eintrittskarten eine Unterkunft in der Zelt-Stadt Dreamville gebucht. Hier werden schnell Kontakte zu Gästen aus anderen Ländern geknüpft. Aber auch auf dem Rest des Geländes werden viele Bekanntschaften geschlossen und Selfies geschossen. Für Elektro-Fans gilt das Tomorrowland-Festival als Woodstock der Neuzeit.

Stress bekommen Besucher nur, wenn sie anhand des Time-Tables einen Plan ausgetüffelt haben, um möglichst viele ihrer Lieblings-DJs auf den verschiedenen Bühnen zu sehen. Das liegt nicht an dem ausgeklügelten Wege-System des Veranstalters mit vielen Einbahnstraßen, so dass es kaum zu Gedränge kommen kann. Es liegt viel mehr daran, dass es auf dem Gelände so viel zu entdecken.

Die Bühnen sind nicht wahllos aufgebaut, sondern in die natürliche Umgebung eingebettet – etwa auf dem Wasser, in Waldstücken oder als kleine Katakombe in einem Hügel. Dazu flanieren Gaukler, Magier und andere Unterhaltungskünstler über das Gelände.

Deutsche DJs und Produzenten begeistern bei Tomorrowland

Letztlich ist häufig die Musik der rund 300 DJs, die die Besucher immer wieder unvorhersehbar stoppen lassen. Da spielt es keine große Rolle, ob gerade Techno, House, Trance oder EDM  läuft. Wer sein Publikum in Stimmung bringt hat schnell gewonnen. Auch einige deutsche Produzenten und DJs konnten hier besondere Akzente setzen – etwa Cosmic Gate (Duisburg/Mönchengladbach), DBN (Hamburg) und Loco Dice (Düsseldorf).

Auf der Hauptbühne gaben sich Superstars der elektronischen Musik-Szene wie Hardwell, Tiesto, W&W und Steve Aoki ein Stelldichein. Herausragend waren dabei die Auftritte von Alesso, Steve Angello und vor allem David Guetta. Nachdem bei dem Franzosen vor zwei Jahren bereits die Technik nach einem heftigen Regenschauer ausgesetzt hatte, traf es ihn erneut. Nach einem kräftigen Guss war es plötzlich still im Rund des Amphitheaters. Aber nur für Sekunden. Während die Techniker sich an die Reparatur machten, animierte Guetta das Publikum mit Armbewegungen.

Fortan musste er ohne Monitor auskommen, was den einen oder anderen Newcomer mit vorgefertigten DJ-Sets wohl in arge Bredouille gebracht hätte. Aber die Schwierigkeiten ließen Guetta zu Hochform auflaufen und bescherten Tomorrowland einen besonderen Höhepunkt, der in einem großen Feuerwerk gipfelte.

Avicii gehört zum Line up des zweiten Jubiläums-Wochenendes

Die Mitarbeiter des Veranstalters haben jetzt gerade einmal ein paare Tage Zeit, um Luft holen. Am Freitag, 25. Juli, startet das Festival in die zweite Jubiläums-Runde. Während ein Großteil der DJs erneut dabei sein wird, stößt unter anderem der Schwede Avicii zum Line up dazu. Ein Teil des Festivals wird dann auch wieder als Livestream auf dem Tomorrowland-Channel bei YouTube gezeigt. In Deutschland dürfte das Angebot wegen des Streits der Videoplattform mit der Gema um die Musikrechte erneut gesperrt sein.

Live dabei waren dagegen am Sonntag über zehntausend Menschen bei einem Tomorrowland-Public- Viewing in Sao Paulo, Brasilien. Dort wurde der Livestream auf einer großen Leinwand gezeigt. Nach den Gerüchten der vergangenen Wochen gab David Guetta während seines Auftritts die frohe Kunde: Tomorrowland wird 2015 nach Brasilien expandieren. Seit 2013 gibt es bereits einen Ableger names TomorrowWorld in den Chattahoochee Hills, in Georgia (USA).

Die Tomorrowland-Fotos von 2013 und 2012