Duisburg. „Lost and Found“, der neue Tanz-Abend, mit dem sich das Ballett am Rhein nach acht Monaten Lockdown-Pause zurückmeldet, hat Licht und Schatten.

Fast statische Bewegungen und Tänzer, die sich kaum von der Stelle bewegen – sie dominieren Beginn und Ende des neuen Abends „Lost and Found“, mit dem sich das Ballett am Rhein nach acht Monaten Kultur-Lockdown zurückmeldet. Gleich mit sechs Stücken. Die Kompanie kann aber nur in den vier kurzen Kreationen im Mittelteil durch sprühende Leichtigkeit, Witz und brillante Technik überzeugen.

„A simple piece“, das Chefchoreograph Demis Volpi bereits Anfang Oktober bei der Düsseldorf- Premiere vorstellte, eröffnete jetzt die Premiere im Duisburger Opernhaus. Schwere, erdige Bewegungen und statische, bedrückende Bilder entfachen acht Tänzer in weiten Schlabberhosen. Sie stehen oder liegen auf dem Boden: Ein Beinkreis, eine Biegung mit dem Oberkörper, Yogaübungen und Zitate aus Volkstänzen reiht Volpi anein­ander, geleitet von sakral aufgeladenen A-cappella-Gesängen von Caroline Shaw. Quälende Langsamkeit und Langeweile machen sich breit, zumal das gesamte Tableau in düsterer, klösterlicher Abgeschiedenheit verharrt. Originelles Tänzerisches ist Demis Volpi zu diesen Chorgesängen nicht eingefallen.

Choreographen-Duo Sharon Eyal und Gai Behar

Donnernder Technosound indes beim Finale „Salt womb“ von dem in Israel derzeit angesagten Choreographen-Duo Sharon Eyal und Gai Behar. Spektakulärer ist der Auftakt mit dröhnenden Peitschenhieben, die sich beinah in einen Rausch steigern: Fünf Männer und vier Frauen, in schwarzen Trikots, von Weitem nur schwer voneinander zu unterscheiden, gehen rhythmisch in die Knie, zucken oder bewegen Arme, Beine und Oberkörper wie Roboter. Mechanisches Stampfen erinnert an ein Ritual, das erst am Ende menschliche Bewegungen zulässt. Doch eine spannungsreiche Entwicklung ist in dem 30-Minuten-Opus kaum zu entdecken.

Aufatmen lässt sich bei Hans van Manens „Solo“ für drei Tänzer. Der Altmeister (er feiert 2022 seinen 90. Geburtstag) stellt mit diesem kleinen Meisterwerk von 1997 all die anderen, netten Petitessen dieses Abends in den Schatten. Daniele Bonelli, Orazio di Bella und Kauan Soares jedenfalls setzen ‚Corrente‘ und ‚Double‘ aus Bachs erster h-Moll-Partita präzise in puren Tanz um. Wie getupft wirken die Violinen-Akkorde, werden sichtbar durch ihre blitzschnellen Sprünge und Drehungen. Außerdem begeistern die drei Ballerinos durch zwinkernden Humor. Dazu reicht manchmal ein kurzes Kopfschütteln. Kurz: Bei van Manen bekommt der Ballettfan beides, Ausdruck und neoklassische Tanzbravour.

Ausdrucksstark: Miquel Martinez Pedro

Ausdrucksstark und bewegend gelingt ebenfalls Miquel Martinez Pedro sein Solo in „Erbarme Dich, mein Gott“ aus Bachs Matthäus-Passion. Weniger durch Ballett-Raffinement als durch Inniglichkeit und Seelenkämpfe überzeugt die Choreographie von Neshama Nashman, mit der eine neuartige Kooperation zwischen Rheinballett und Freier Szene im Tanzhaus NRW eingeläutet wird. Kurzweilig auch das Duett von Feline van Dijken und Eric White zu „Ne me quitte pas“ (rauchig gesungen von Nina Simone) und Simone Messmer in der jazzigen Miniatur, der von Demis Volpi kreierten „Allure“.

25., 26., 27. Juni im Opernhaus Düsseldorf. TEL: 0211/ 8925 211, www.operamrhein.de