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Zwischen Engelschor und Schmusepop: Passend zu Weihnachten sind wieder eine ganze Reihe von Stars und Sternchen mit neuen Festtagsplatten am Start. Ob Annie Lennox oder Horst Schlämmer – diese CDs passen unter jeden Tannenbaum.
Über das heilige Fest bei Mariah Carey zuhause wissen wir, dass sie einen extrem knappen roten Seidenbademantel trägt und am liebsten mit ihrem Pinscherhündchen unterm Baum schmust. Diese tiefen Einblicke gewährt sie im Büchlein der CD Merry Christmas II You (Universal), dem zweiten Weihnachtsalbum der drallen Popdiva, das durchkonfektionierten R’n’B mit souligen Klassikern paart. Ein bisschen „Misteltoe“ hier, „Milk and cookies“ dort, ein bisschen Sound-Bombast dazu, fertig ist amerikanische Plastikweihnacht. Höhepunkt: das Intro „Charlie Brown Christmas“. Das ist allerdings instrumental.
Ahnt das Christkind, dass er sich mehr für Schätzelein als Jesulein interessiert? Horst Schlämmers
Wiege stand in Grevenbroich, woran sein dornkaatseliges „Eine Muh, eine Mäh . . .“ nicht den geringsten Zweifel lässt. Auf deutsch: Isch krisch Schnappatmung! Auf Hapes zauberhafte Weihnachten (Sony) singen Kerkelings Geschöpfe Schlämmer, Uschi Blum und Siggi Schwäbli zu deftigen Synthesizer-Arrangements. Lustig und wie gemacht für die Ü30-Betriebsfeier. Sehr verzichtbar: Kerkeling singt als Hape „Stille Nacht“. Sorry, aber echt begnadet ist er nur mit Maske.
Annie Lennox kann sehr gut singen. Das Schöne ist: Sie tut’s nur, wenn sie ein echtes Anliegen hat. So ist A Christmas Cornucopia (Decca) tatsächlich zu einem überraschenden Füllhorn geworden, zumal Lennox die teils schlicht arrangierten Lieder zusammen mit dem African Children’s Choir singt – und ihnen neue Aspekte abgewinnt. So klingt „Lullay Lullay (The Coventry Carol)“ tatsächlich afrikanisch. Lennox macht einen Ausflug ins Französische („Il Est Né Le Divine Enfant“). Allein bei „Angels From The Realms Of Glory“ vergreift sie sich im Ton. Hier wird aus „Gloria in excelsis Deo“ ein „Gloria in excelsis Day O.“ Very british.
Anders als die Gebrüder Blattschuss waren die Andrews Sisters wirklich verwandt. Die swingenden
Nachtigallen aus Minneapolis bildeten die erste Girl-Group. Sie glucksten so schön, dass halb Amerika Ohren machte, wenn sie „Bei mir bist du schoen“ sangen oder „Rum and Coca-Cola“ feilhielten. Ihr Weihnachtsalbum Songs for Christmas (Cargo Records) ist zu Unrecht kaum bekannt: Gutelaune-Musik fürs Baumschmücken – mit Bing Crosby und ein bisschen Schubiduu. Eine Sister lebt noch, dieses Weihnachten ist Pattys zweiundneunzigstes.
Natürlich ahnt man ja, was herauskommt, wenn Tom Gaebel eine Weihnachtsplatte einspielt. „White Christmas” statt „Stille Nacht”, „Jingle Bells” statt „Oh Tannenbaum”. Easy Christmas (Telemedia) statt Besinnlichkeit. Wie es schon Frank Sinatra oder Dean Martin gemacht haben, mit denen Gaebel so gerne verglichen wird. Aber auch dem Chris-Rea-Klassiker „Driving Home For Christmas” streift der gebürtige Gelsenkirchener ein eleganteres Gewand über und versüßt die Festtage zusätzlich mit zwei selbst geschriebenen Weihnachts-Songs. Süßer die Glocken nie swingen.
Die arbeitslose Schottin Susan Boyle sang sich in die Herzen
einer Entertainment-Welt, bei der Verlierer mit Stimme ankommen. Ihr Weihnachtsalbum The Gift (Sony) ist ein Geschenk für alle, die’s kuschlig mögen. Reichlich Engelschöre und Boyles durchaus respektable Musicalstimme führen zu einem sauber gemachten U-Musik-Album, dessen weichgespülte Art man mögen muss: Leonard Cohens „Hallelujah“ und Lou Reeds „Perfect Day“ sind jedenfalls kaum wiederzuerkennen.
Was Silje Nergaard auszeichnet? Sie kann sich exzellent sehnen – und driftet dabei in träumerische Melancholie. Doch wonach soll man sich Weihnachten nur sehnen? Nach Geschenken? Auf If I Could Wrap Up A Kiss (Sony) wird viel zu wenig gesehnt, dafür zu viel Süßholz geraspelt. Das fängt beim Titelsong an, den die Norwegerin im Duett mit Roger Cicero singt. Leider zieht es sich durch alle Aufnahmen, Weihnachten ist eben zumindest musikalisch selten der richtige Anlass, unglücklich verliebt zu sein. Immerhin lernen wir skandinavisches Liedgut kennen („Det Hev Ei Rose Sprunge“). Ansonsten: schöner Jazz-Standard.
Im rituellen Blick auf Weihnachtsplatten, an denen man nicht ohrlos vorbeigehen sollte, erwähnten wir
vor Jahren Elvis’ wundersame Festtagssongs. Da ist es nur gerecht, an Pat Boone zu erinnern. Denn als blutjunges musikliebendes Mädchen hatte man im Amerika des mittleren 20. Jahrhunderts im Grunde nur die Wahl zwischen ihm und Elvis. Elvis war Sünde, Pat war Treue. Elvis war so toll, Pat war so lieb. Damit haben Sie einen Eindruck, wie seine Songs For Christmas (Cargo) klingen: keusch auch nach dem Auspacken der Geschenke.
Weihnachten ist ja eigentlich die sechste Jahreszeit und als solche fast so wichtig wie der Fastelovend. Das wissen auch die Höhner. Dass die kölschen Stimmungsbarden festliche Wiederholungstäter sind, verrät der fantasievolle Albumtitel Weihnacht 2 (EMI). Manchmal legen die Höhner mit gebremstem Schaum los, aber spätestens beim Kinderlied „Ich wünsche mir vom Christkind neue Vorderzäng“ (kann man auch im Altersheim gut singen) ist das Eis gebrochen. Auch der kölsche Pragmatismus bricht sich Bahn: „Dat ahle Johr is fott“, das den Refrain beendet mit „Da drinke mer eine drop, wat fott is dat is fott!“ Wir wünschen: Christkind alaaf!