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Als er anfing, war Elvis Presley seiner Zeit voraus. Als er starb, rockte er den Trends der Popmusik hinterher. Heute sind seine Songs zeitlos. Am 8. Januar wäre der King of Rock’n’Roll 75 Jahre alt geworden.
Im Gespräch klang er, mit überraschend heller Stimme, schüchtern, fast scheu. Elvis Aron Presley, wie sein kompletter Name lautet, nuschelte den lässigen Akzent der US-Südstaaten, bekannt, zuweilen auch berüchtigt für ihren Konservativismus. Ausgerechnet dort startete Mitte der Fünfziger die Rock-Revolution, und es war kein Zufall. Genauso wenig zufällig lag das Epizentrum der musikalischen Bebens im Memphis, US-Staat Tennessee.
Dort saß das Zentrum der Unterhaltungsindustrie vor allem für den schwarzen Süden. Sicher, auch weiße Country-Musiker griffen in die Saiten von Gitarre, Banjo, Mandoline, aber viel stärker bedienten die Plattenfirmen rund um die Beale Street den Markt der sogenannten Race Music mit hart rockendem Rhythm & Blues. Doch Schranken, gleich ob stilistisch oder rassisch, waren Elvis schnurz.
„Zukünftiges musikalisches Naturereignis“
Denn er wurde in East Tupelo geboren, einem 35 000-Einwohner-Kaff in Tennessees Nachbarstaat Mississippi, nach heutigen Maßstäben anderthalb Autostunden entfernt von Memphis. In East Tupelo lebten Schwarz und Weiß viel enger zusammen, als es dem gängigen Klischee über die Südstaaten entspricht. „Das zukünftige musikalische Naturereignis”, notierte Elvis-Biograf Robert Gordon, „war schon von klein auf von Musik umgeben.” Frommes Liedgut zumeist, das Elvis im Kirchenchor seines Onkels hörte, Kirchenlieder, die seine Familie auch zuhause sang. Elvis’ Onkel zog derweil durch düstere Spelunken, um ein amüsierwütiges Publikum mit Country zu bespaßen. „Elvis’ Nachbarschaft hingegen war erfüllt vom Klang der populären schwarzen Musik“, weiß Gordon. Aus Bars und Bordellen um die Ecke drangen der Jive eines Louis Jordan, der Ragtime eines James P. Johnson und nicht zuletzt der Big-Band-Swing eines Fletcher Henderson. All diese Stile sollten den späteren King of Rock’n’Roll beeinflussen, wie das Doppelalbum „Elvis – The King“ ohrenfällig belegt. Als Elvis 13 war, zog seine Familie nach Memphis – eine pulsierende Großstadt mit 674 000 Einwohnern am Mississippi. Der richtige Mann befand sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ein Musiker mit unglaublichem Talent und dem unaufhaltsamen Drang, Karriere zu machen.
Doch dazu bedurfte es eines gewieften Managers. Dieser Mann sollte Sam Phillips sein, der Blues-Legenden wie Howlin’ Wolf und B. B. King entdeckt hatte. Doch zunächst musste Elvis in seine Karriere investieren. Für seine ersten beiden Aufnahmen, die er seiner Mutter Gladys widmete, zahlte der spätere Multimillionär buchstäblich Lehrgeld – 8,25 Dollar. Fast ein Jahr verging, bis Phillips Gefallen an dem schlaksigen Lasterfahrer mit der provozierend lässigen Körpersprache fand, der gerade die Schule beendet hatte.
Teen-Tornado und Naturgewalt
Der Funke zündete eines Abend im Sommer 1954, als Elvis die Bluesnummer „That’s Alright Mama” veralberte. Doch schon damals besaß seine Stimme alle Qualitäten, die nur wenig später ein jugendliches Publikum zur Ekstase treiben würde: ein sinnlich-lauerndes Vibrato mit wildem Schluckauf. „Er hüpfte herum wie ein Verrückter”, erinnerte sich sein Bandkollege Scotty Moore. Damit erregte die Band Phillips’ Aufmerksamkeit: „Was macht Ihr da?”, fragte der Boss der Plattenfirma Sun. „Das wissen wir nicht”, entgegnete Moore. Darauf Phillips: „Dann macht es noch einmal und versucht, einen guten Anfang zu finden.” Spätestens da wusste Phillips um ein Ausnahme-Talent: Amerika fand den Superstar. Der Mann mit der Schmalzlocke machte aus harmlosen Liebesliedchen sinnliche Lockrufe, und er war ein Bühnentier, ein Teen-Tornado, eine Naturgewalt. Kein Wunder, dass er den Soundtrack der aufkommenden Jugendkultur schrieb, Musik für die Generation Pettycoat. Und noch eines: Lange bevor Elvis, kurzatmig und verfettet, im Glitzeranzug zur singenden Disco-Kugel verkam, bewies der Arbeiterjunge einen feinen Sinn für ausgefallene Mode.
Country-Musiker Bob Luman über Elvis im Frühjahr 1955: „Er stand bestimmt fünf Minuten hinter dem Mikro, bevor er sich bewegte. Dann spielte er ein paar Noten an und zerriss zwei Saiten.” Was passierte dann? „Und diese Highschool-Mädchen schrien, fielen in Ohnmacht oder stürmten die Bühne.”
Kurz darauf wechselte Elvis von der Minifirma Sun zum Plattenkonzern RCA, und auf Phillips folgte Colonel Parker.
Der Rest ist Geschichte. Elvis wurde nur 42. Doch für seine Fans ist er unsterblich.