Essen.. Julian Assange konnte sich nicht aussuchen, wer ihn auf der Leinwand darstellt. Prompt meldet er sich kritisch zu Wort – und fühlt sich missverstanden. Diese Woche startet „Inside Wikileaks“ im Kino. In den Hauptrollen: Benedict Cumberbatch und Daniel Brühl.

Eine „talentierte, aber verkommene Schauspielleistung“ hat Julian Assange dem Schauspieler Benedict Cumberbatch attestiert, der den weißhaarigen Wikileaks-Begründer in Bill Condons Film „Inside Wikileaks“ verkörpert.

Er sehe in ihm nicht mehr als einen Auftragskiller („hiredgun“), angeheuert, um den Ruf einer Person zu zerstören. In der Tat erlebt der Zuschauer in diesem Werk Assange nicht gerade als strahlenden Ritter einer „Fünften Gewalt“, der im Internet für die Wahrheit um jeden Preis kämpft. Condons Film zeichnet einen gebrochenen Charakter, dessen Streben nach Offenlegung aller dunklen Geheimnisse dieser Welt auch eine immer größer werdende Egomanie befördert.

Assange wird zur „Anti-Figur“

Nun ist das mit der Wahrheit im Spielfilm so eine Sache. Dass „Inside Wikileaks“ Assange nach und nach immer stärker zu einer Anti-Figur werden lässt liegt allein daran, dass Condon und sein Drehbuchautor Josh Singer sich hauptsächlich auf das Buch von Wiki­leaks-Mitbegründer Daniel Domscheit-Berg stützen, dem Daniel Brühl die Aura eines Zauberschülers verleiht. Assange und er, das erinnert an ein Gespann wie Mephisto und Faust.

Anfangs ist Daniel fasziniert von diesem weißhaarigen Einzelkämpfer, der in sich offensichtlich die Mission verspürt, die Welt durchschaubarer zu machen, indem er ihm zugespielte Geheimdokumente ungefiltert ins Netz stellt. So begeistert ist der Deutsche, dass zeitweise nahezu jeder Satz bei ihm mit „Julian hat gesagt…“ beginnt.

Daniel aber sieht nur, dass alles bestens läuft. Wikileaks stellt eine Schweizer Bank als Hehler des Geldadels an den Pranger, veröffentlicht Zeugenberichte von den Unterdrückungsmaßnahmen bei Scientology und verschafft Zutritt zur Mitgliederliste der britischen Rechtspartei National Front.

Der Film erzählt auch vom Bruch

Als Erfolg feiert man auch noch die ersten illegal aufgenommenen Videos aus dem Irak, in denen zu sehen ist, wie amerikanische Soldaten unbewaffnete Zivilisten abschlachten. Erst als Bradley Manning damit beginnt, sie mit Unmengen von Material über US-Operationen im Kriegsgebiet zu versorgen und mit Depeschen zwischen Washington und seinen Botschaften, wird die Lage angespannter.

Domscheit-Berg schlägt sich auf die Seite der Printmedien, mit denen Wikileaks erstmals zusammenarbeiten will, und fordert genaue Durchsicht der Papiere, weil durch sie auch Menschen in Todesgefahr geraten könnten. Als Assange hart bleibt, folgt der Bruch zwischen beiden. Daniel ist jetzt nur noch darum bemüht, Wikileaks im Netz absaufen zu lassen.

Mitreißender Erzählrhythmus

Der Film bewegt sich in einem schnellen Tempo. Man rauscht nur so durch Hacker-Parties an europäischen Schauplätzen, jagt durch Stationen in der Dritten Welt und nimmt noch gerade wahr, wenn neue Kontakte zu Informanten hergestellt werden. Nie überkommen Assange dabei Zweifel an seiner Mission, er wird im Gegenteil immer mehr eins mit ihr. Stattdessen zeigt er wachsende Verachtung für Menschen, die neben Wikileaks noch Zeit für ein Privatleben einfordern. Daniel beispielsweise.

Condons Rhythmus reißt den Betrachter mit und entwickelt sich mehr und mehr zu dem Porträt eines Mannes mit deutlichen Borderline-Symptomen. Auch wenn er manchmal auf die falschen Mittel setzt. So führt er viel zu viele Nebenfiguren ein, die nur für den Moment Bestand haben.

KinoGraue Traumwelt endloser Newsrooms

Und weil der Regisseur eben genau weiß, dass das ständige Hacken auf Computer auf Dauer langweilig wird, entführt er den Zuschauer und seine beiden Protagonisten zwischendurch immer mal wieder in die graue Traumversion eines endlosen Newsrooms, in dem Schreibtische und PCs bis hinter den Horizont reichen. Das riecht so muffig wie eine veraltete Kafka-Inszenierung.