Placido Domingo, einst ein Star-Tenor, hat im Alter von 72 Jahren längst auf Bariton umgesattelt. Und ist froh, seinem Publikum damit wieder etwas Neues bieten zu können. Kostproben davon gibt es bei einem Open-Air-Konzert an der Loreley. Und er hat überhaupt nichts dagegen, wenn seine Musik zur Entspannung gehört wird.

72 und kein Karriere-Ende in Sicht. Placido Domingo steht immer noch auf den Bühnen der Welt, auch wenn er von Tenor auf Bariton umgesattelt hat. Leichte Kost scheut er nicht. Jetzt gibt Domingo ein Open Air am Fuße des Loreley-Felsens – Christoph Forsthoff sprach mit ihm.

Werden wir beim Loreley-Konzert auch „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ hören?

Placido Domingo: … was ist das für ein Lied? Das kenne ich gar nicht – können Sie mir die Noten geben? Dann werden wir das Lied ganz sicher singen, und vielleicht stimmt ja das Publikum mit ein…

Gibt es Partien, die Sie partout nicht mehr singen?

Domingo: Praktisch mein gesamtes Tenor-Repertoire singe ich inzwischen nicht mehr. Ich kann diese Partien heute nicht mehr so interpretieren, wie ich das einmal getan habe. Jetzt widme ich mich dem Bariton-Repertoire. So habe ich meinem Publikum immer Neues zu bieten.

Viele unken, die Oper als Kunstform sei ernsthaft gefährdet.

Domingo: Ich weiß nicht, wer behauptet, die Oper würde sterben – die Oper lebt! Jeden Tag werden neue Talente entdeckt – das Publikum stört es nicht, wenn solch ein unbekannter Sänger plötzlich einspringt, denn es möchte einfach die Oper hören.

Klassik dient heute oft nur als pure Unterhaltung. Stört Sie das?

Domingo: Ich halte nichts von diesem Ansatz, früher sei alles besser gewesen. Es hat immer Menschen gegeben, die Musik allein zur Unterhaltung gehört, und andere, die ihr voll tiefer Hingabe gelauscht haben. Auch wenn die elektronischen Medien zweifellos dazu geführt haben, dass Musik heute auch einfach nur als Beschallung im Hintergrund läuft, ohne dass wirklich zugehört wird.

Hören Sie selbst gelegentlich Klassik nur zur Entspannung?

Domingo: Möchte ich mich entspannen, dann setze ich mich in die Sonne (lacht). Doch, ich lausche auch zur Erbauung ebenso wie zum Lernen.

Nicht zuletzt mit den „Drei Tenören“ sind die Gagen im Klassik-Bereich in astronomische Höhen geschnellt. Kann ein zweistündiger Auftritt 100.000 Euro wert sein?

Domingo: Ich glaube nicht, dass sich Talent in Zahlen messen lässt. Können Fußballspieler wirklich Millionen wert sein? Offenbar ja, denn entsprechende Gehälter und Ablösesummen werden gezahlt. Wäre es gerecht, wenn die Besitzer von Fußball-Mannschaften Millionen verdienten und diese nicht mit den Spielern teilten? Diese Fragen lassen sich auf die Kunst übertragen: Künstler sind ja nicht mit einem bestimmten Preisschild versehen. Es hängt von der Größe der Aufführung ab, wie viele Besucher erwartet werden, wie viel die Veranstalter verdienen und anderen Faktoren.

Sie haben früher vor Ihren Auftritten gebetet – bitten Sie die Heiligen heute noch um Unterstützung?

Domingo: Die meisten Künstler haben ihre speziellen Rituale und Aberglauben. Ich bete zur Heiligen Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, und zum Heiligen Blasius, dem Schutzpatron der Halskranken.

Sie sind 72 – denken Sie manchmal daran, sich zurückzuziehen?

Domingo: Das wird passieren, wenn ich spüre, dass ich nicht mehr singen kann und das Publikum nicht mehr glücklich ist mit meinem Gesang. Dann werde ich aufhören – und glücklich sein, dass ich habe solange singen können: mehr als ein halbes Jahrhundert.

  • Open Air-Konzert auf der Freilichtbühne Loreley
  • Sonntag, 30. Juni
  • Karten (59,90-231,90 Euro): Tel. 01805/9690000

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