Oberhausen..
Ausgerechnet eine Plakatausstellung nimmt Roy Lichtenstein das Plakative: Die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen gibt mit „posters and more“ einen Gesamtüberblick über das künstlerische Schaffen des Amerikaners.
Es wird nicht viele Künstler von Weltrang geben, die zu Beginn ihrer Karriere auf die Aussagekraft einer Socke vertrauten. Als Roy Lichtenstein das Plakat für seine erste Einzelausstellung in Los Angeles 1963 entwarf, war der schwarze, punktgerasterte Strumpf ein ebenso minimalistischer wie wegweisender Vorgeschmack auf die Arbeit des Amerikaners und auf seinen Umgang mit der Alltagskultur. Die Socke, so zeigt die Oberhausener Ludwiggalerie mit der animierenden Ausstellung „posters and more“, war aller Raster Anfang.
Roy Lichtenstein - Poster
Mit rund 90 Arbeiten, von den frühen Ausstellungsplakaten aus den 1960ern bis zur letzten Werkgruppe der „Chinese Landscapes“ von 1997, würdigt das Museum einen Künstler, der die Welt schon in Pixelpunkte zerlegte, als darin noch niemand die allgegenwärtige Matrix der Massenmedien erahnte. So unterstreicht die mit Leihgaben des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe reich bestückte Schau die Modernität eines Mannes, dessen Arbeiten bis heute überraschend frisch und gültig wirken. Zugleich wird auf ebenso vielfältige wie vergnügliche Weise das Schablonendenken zerlegt, mit dem mancher Lichtenstein auf seine Comic-Kunst reduziert.
Natürlich trifft man in der Ausstellung auf jene vertrauten Motive, die sich ins kollektiven Bildgedächtnis längst als Ikonen der Popkultur eingebrannt haben. Die Comic-Klassikerin „M-maybe“, deren Original im Museum Ludwig als „Kölsche Mona Lisa“ verehrt wird. Oder die „Crying Girls“, deren Popcorn-Tränen so künstlich wirken wie das Weizenblond der im Comic-Original eigentlich brünetten Damen. Aber so, wie Lichtenstein die Motive heran zoomte, anschnitt und farbsättigte, waren seine Bilder oft comichafter als der Comic selbst.
Das Schöne an der kulinarischen wie kurzweiligen Plakatschau ist allerdings, wie sie uns gerade den Maler Lichtenstein wieder neu ins Bewusstsein rückt. Einer, der eben nicht nur ein begnadeter Zitatenjongleur mit erfrischendem Humor und fundierten Kenntnissen der europäischen Kunstgeschichte war, der Matisse mit Tim und Struppi verband und die Comic-Ästhetik mit Cézanne.
Strenge und Gefühl
Präsent ist hier auch der Künstler mit ausdrucks- und kraftvollen Pinselschwung, den er nicht nur in seinem legendären „Brushstroke“ zum Erkennungszeichen erhob. Die Ausstellung zeigt, wie beides zusammengeht: Das Stilisierte und das Gestische, das Strenge und Gefühlvolle, das die Farben auf dem Plakat fürs „NYC-Ballet“ tanzen lässt und die Olympischen Spiele in L.A. 1984 in kubistischer Manier über alle Hürden springen lässt.
Dass die rund 40 eigenständigen Plakatentwürfe, die Lichtenstein in 35 Jahren schuf, vorzugsweise Künstlerplakate sind oder für politische oder karitative Einrichtungen wie Unicef werben, belegt, dass der Popart-Star zur Werbung und ihren Versprechen durchaus Distanz hielt. Lieber ließ er ein paar konstruktivistische Zacken über den Bildrand ragen, um sich über die Beschränktheit der Abstraktion zu mokieren (Imperfect Painting Poster) oder schrumpfte das „Oval Office“, das Dienstzimmer des US-Präsidenten, auf Puppenstubengröße.
Dass aus den „Stars and Stripes“ an der Wand natürlich „Dots und Stripes“ geworden waren, versteht sich. Eine Welt ohne Punkt und Raster war für Roy Lichtenstein einfach undenkbar.