Essen. 1000 Jahre alt sind viele Stücke, die das Bistum Essen in der Schatzkammer präsentiert. Eine wahrlich große Pracht, die zur Ehre Gottes entstand.
Sie ist so etwas wie der Superstar von Essen und hat sich über mehr als 1000 Jahre verblüffend faltenfrei gehalten. Hunderttausende Gläubige kommen Jahr für Jahr, um sie zu bewundern. Sie stand in Blitzlichtgewittern und das amerikanische Life-Magazine war einst da, um eine Homestory über sie zu bringen. Das Wort Kult darf man bei ihr ganz ohne Hemmungen benutzen, denn sie ist im wahren Wortsinn ein Kultbild: Die Goldene Madonna ist eines der bedeutendsten Kunstwerke des frühen Abendlands, wenn nicht gar – das Bonmot sei vergeben – des ganzen Ruhrgebiets.
Man kann zwar schwerlich behaupten, dass alles andere im Essener Domschatz verblasst gegen die prachtvolle Figur der Maria mit dem Jesuskind, dazu strahlt all das zu sehr, was vom Essener Stift seit dem Jahr 845 (!) angeschafft und hergestellt wurde. Aber dieses Meisterwerk der damaligen Goldschmiedekunst verdient den exponierten Platz in einer eigenen Kapelle im Essener Münster. Sie ist die älteste vollplastische Marienfigur der Welt, die noch erhalten ist. Auf einem soliden Holzkern sind 150 Goldbleche angebracht, die mit insgesamt 800 Nägeln befestigt sind.
Prächtige Kreuze haben 1000 Jahre überdauert
„Ich kann mich nicht sattsehen, weil man immer etwas Neues entdeckt“, schwärmt Andrea Wegener, Kunsthistorikerin und seit zwei Jahren Leiterin des Domschatzes. Die 40-Jährige erläutert: „Maria thront hier, hält eine Kugel in der Hand – vielleicht ein Verweis auf die Weltkugel, auch wenn man damals noch nicht wusste, dass die Welt eine Kugel ist. Das Jesuskind mit dem Buch ist schon klein dargestellt, aber eher wie ein Erwachsener, was wiederum auf das Martyrium hinweist.“
Dass die Madonna getrennt vom Domschatz ist, hat einen Grund: Kardinal Hengsbach wollte sie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Was natürlich auch für den Domschatz gilt, aber er ist in einem Nebengebäude des Münsters untergebracht. Viele der wertvollsten Stücke der Ausstellung sind im 10. und 11. Jahrhundert zur Blütezeit des Essener Frauenstifts entstanden. Im Untergeschoss findet man etwa die vier großen Vortragekreuze, die früher an christlichen Feiertagen die Prozessionen anführten. Allen voran das Otto-Mathilden-Kreuz, das zwischen 983 und vor dem Jahr 1000 entstanden ist. Der Gekreuzigte ist hier eingerahmt von Edelsteinen und im Fuß ist ein Email zu sehen, das die Essener Äbtissin Mathilde II. zusammen mit ihrem Bruder Otto, Herzog von Schwaben und Bayern zeigt. Die anderen Vortragekreuze sind später entstanden, beziehen sich aber auf dieses erste Kreuz.
Es ging nicht um Gold und Edelsteine
Wichtig zu wissen: „Hier wurde nichts angekauft, sondern wir zeigen ein gewachsenes Ensemble“, so Andrea Wegener, die Ausstellungsstücke waren oder sind teils noch immer in liturgischem Gebrauch.
Auch wenn Gold und Edelsteine an vielen Stellen nur so strahlen und funkeln, ging es nicht darum zu prunken, sondern Gott zu ehren. Da waren Edelsteine und -metalle eben zweitrangig: „Das Wertvollste damals waren die Reliquien“, sagt Andrea Wegener, also die Überreste von Heiligen. So etwa von Cosmas und Damian, zwei Heilern aus dem Syrien des 3. Jahrhunderts. Sie sind Schutzpatrone der Stadt Essen.
Was nichts von der Strahlkraft einzelner Stücke mindert: Krone und Schwert wären eigene Ausstellungen wert. Die Krone wurde einst am Feiertag Mariä Lichtmess der Goldenen Madonna bei der Prozession aufgesetzt. Was wieder zurückführt zur Superstar-Madonna in Gold, über die Andrea Wegener aus vollem Herzen sagt: „Es ist ein großes Geschenk, dass wir sie hier haben.“
>>>Das liebste Ausstellungsstück
Die kleine Elfenbeinmadonna ist noch nicht ganz so lange im Domschatz zu sehen – und doch hat Domschatz-Leiterin Andrea Wegener sie ganz besonders lieb gewonnen. Sie ist eine Dauerleihgabe der Barmherzigen Schwestern von der heiligen Elisabeth zu Essen. Dennoch gehörte sie wohl früher zu den anderen Ausstellungsstücken. „Wir gehen davon aus, dass die Figur ursprünglich aus dem Essener Frauenstift stammt. Sie hat sehr große Anlehnung an die Goldene Madonna.
In einer Zeit, Anfang des 13. Jahrhunderts, in der man Maria mit dem Kind schon sehr viel lebendiger dargestellt hat, zeigt sie diese sehr neutrale Haltung, dieses Herrische, nach vorne Blickende, während das Kind schon etwas in Bewegung kommt“, beschreibt Andrea Wegener die Darstellung der Gottesmutter. Das Jesuskind gerät hingegen schon etwas mehr in Bewegung. „Es sitzt seitlich auf ihrem Schoß und greift zum Kinn der Mutter, die wiederum das Füßchen greift. Es kommt so ein bisschen Dynamik hinein. Sicherlich kannte der Schnitzer, der dieses heilige Bild gefertigt hat, die Goldene Madonna“, so Wegener.Interessantes Detail: Auf der Rückseite der Figur findet man eine kleine Aushöhlung. „Da waren ursprünglich Reliquien drin“, sagt Wegener und verrät, dass mehrere der Ausstellungsstücke eine solche geheime Ausstattung besaßen.Über die kleine Madonna vermutet man, dass sie vom Stift über mehrere Beginenkonvente den Weg zu den Barmherzigen Schwestern fand – und schließlich zurück in den Bestand des Stifts.
Domschatzkammer, Burgplatz 2, Essen, 0201/22 04-206, domschatz-essen.de, di-so. 11-17 Uhr, geschl.: Heiligabend bis einschl. 2. Weihnachtstag, Silvester und Neujahr. Sonderschau: „Essen sein Schatz – Die Goldene Madonna“ bis 2. Feb. Eintr.: Erw. 4€, öff. Führ. so., 15.30-16.30 Uhr, 6 €