Gelsenkirchen. „Fisch & Apfelmus“ aus Gelsenkirchen verkauft Klamotten auf Partys. Statt Tupper gibt es T-Shirts und Tücher aus Stoffen, die schön fallen.
Fisch & Apfelmus? Auf den Namen für ein Modelabel muss man erstmal kommen! Sie grübelten, wie sie sich nennen sollten. „Lustige Nähfreundinnen?“ Auf keinen Fall! Sie überlegten weiter und weiter. Und wie das bei Kreativen ohne gedankliche Grenzen so ist: „Irgendwann war Fisch auf dem Tisch.“ Aber was dann? „Fish & Chips?“ Nein! Nadine Drljevic las in einem Atelier in Dresden den Spruch: „Lass dich feiern, iss Apfelmus und grüß die Fische.“ Sie erinnerte sich an ihre Oma, bei der es Fischstäbchen gab mit Apfelmus. „Im ersten Moment denkt man: Das geht nicht zusammen. Doch! Das geht total gut zusammen!“
Eigentlich kommt die 37-Jährige aus der Altenpflege, sie betreute lange Zeit Wachkoma-Patienten. Dann brachte sie vor neun Jahren ihren Sohn zur Welt und suchte ein Hobby: Nähen. Nadine Drljevic belegte einen Kurs, schaute sich Videos und Bücher an und verkaufte bunte Kinderkleidung auf Märkten. Mal abgesehen von so Ausgefallenem wie einen Meerjungfrauenschwanz für ihre vierjährige Pflegetochter war das alles ohne nennenswerten Erfolg. Aber dann nähte sie sich selbst ein Tuch – und die Blicke der anderen gaben ihr zu verstehen: Das muss ich auch haben!
Die Größe ist egal: Ein Tuch geht immer
„Es ist ein Accessoire, das du immer brauchen kannst, egal, welche Konfektionsgröße du trägst: Ein Tuch geht immer.“ Durch den Verschluss – hier ein auffälliger Knopf, dort ein Karabinerhaken – kann man die teils mehrfarbigen Tücher in verschiedenen Varianten tragen – geschlossen oder locker um den Hals gebunden (zwischen 43 und 52 €).
Mal ist der Stoff etwas steifer: Das Tuch legt sich so besonders schön in Falten. Mal ist er ganz weich. „Musselinstoff“, erklärt Nadine Drljevic. Das kommt einem bekannt vor. „Der Windelstoff von damals.“ Schnuffeltücher! „Deshalb mag ich die“, sagt das Model Sina Gremm. Die 24-Jährige, die eigentlich als Trainerin Leute fit hält, streicht mit der Wange über den schmusigen Stoff.
Neben Nadine Drljevic fertigte anfangs noch Tatjana Clemens (34) Tücher. Als frischgebackene Mutter häkelt sie nur noch ab und an. Dafür kam 2018 Nadine Drljevics Mann Hendrik Willems dazu, der eigentlich auch im Sportbereich arbeitet. Sechs Motive für seine Shirts hat eine Illustratorin beigesteuert, darunter die Zeichnung von einer jungen Frau, die zwar die Hände vors Gesicht hält, aber trotzdem Fröhlichkeit ausstrahlt (25 €).
Die anderen Motive basieren auf Fotos, die Hendrik Willems etwas verfremdet. Darunter sind Bilder von Graffitis, die der 48-Jährige in Campingurlauben, meist auf Ibiza, geschossen hat: etwa von einem Kraken. Und die verzierte Rückenansicht einer Frau ist auch dabei. Sie gehört der Tätowiererin, die erst kürzlich das Antlitz von Frida Kahlo auf Nadine Drljevics Oberschenkel verewigt hat.
Der Stoff ist weich wie ein Schnuffeltuch
Alle Motive werden dem Label zufolge per Siebdruck auf die meist GOTS-zertifizierten Rohlinge aus Bio-Baumwolle mit umweltfreundlichen, ungiftigen Farben hergestellt. Viele Shirts und Pullis sind weiß, grau, schwarz. „Die Tücher bringen die Farbe“, so Nadine Drljevic. Den Stoff dafür kauft sie mal hier, mal dort, auch Vorhänge hat sie schon recycelt. Der Musselinstoff sei mit Oeko-Tex Standard 100 zertifiziert.
Es gibt keinen Laden, in dem man die Sachen kaufen kann. Sie hatten zwar mal einen Pop-up-Store in Herten, aber bisher bekommt man die Klamotten in der Regel über die sozialen Medien oder auf Märkten oder Partys. Auch auf Anfrage veranstalten „Fisch & Apfelmus“ bei den Kunden zu Hause eine Art Tupperparty, aber eben nicht mit Plastik-Boxen, sondern mit Tüchern und T-Shirts. „Wir haben bewusst keinen Onlineshop“, sagt Nadine Drljevic, die viele Einzelstücke fertigt und auf Wünsche der Kunden eingeht, die sich die Tücher oft bei ihr zu Hause abholen. „Was uns ausmacht, ist der persönliche Kontakt.“
Aber Näherei und Druckerei in einer privaten Altbauwohnung? Da wissen sie manchmal nicht, wo sie noch die Shirts zum Trocknen aufhängen sollen. Daher geht es bald nach Oberhausen. Das „In Hostel Veritas“ hat nicht nur Platz für Rucksacktouristen, sondern auch für „Fisch & Apfelmus“. Und wer weiß, wie sich das entwickelt? Vielleicht können sie noch jemanden einstellen und im Atelier Öffnungszeiten einrichten? Zu hoffen ist, dass das neue Zuhause von „Fisch und Apfelmus“ genauso bunt und einladend ist wie bisher, mit Urlaubsfotos und Sprüchen an den Wänden: „Was nicht glücklich macht, kann weg.“
>> Mein Lieblingsteil
Strickjacke und Schnürstiefel: Für Nadine Drljevic sind diese Klamotten unverzichtbar. Die Dr. Martens seien auf vielen Märkten, Konzerten und Festivals dabeigewesen. Und die Strickjacke habe sie sich im Herbst auf Ibiza gekauft. Die 38-Jährige trägt das Wollteil auch gerne, wenn sie draußen unterwegs ist. Lieber als einen Mantel. „Ich fühle mich freier, beweglicher. Es ist warm, aber nicht einengend.“ Früher hat sie zu kräftigeren Farben gegriffen, aber dann ließ sie sich tätowieren. „Je bunter meine Haut wurde, desto dezenter wurde meine Kleidung.“
>> Mein Stylingtipp
„Lebe deine Eigenart“, sagt Nadine Drljevic. „Man muss nicht irgendeinen Stil verkörpern. Man hat ja auch jeden Tag eine andere Stimmung.“ Inspiration gebe es an jeder Ecke, ob man Leute trifft oder sich die Fotos in den Sozialen Medien anschaut. Aber: „Nichts ist schlimmer als zu kopieren.“
Man merke es, wenn jemand nicht wirklich hinter einem Stil steht. Statt anderen nachzueifern, rät die 38-Jährige, das eigene Ding zu machen, zu schauen, was wirklich zu einem passt. „Es ist eine Frage des Trauens.“