Bochum. Im Bochumer Telefonmuseum kann man die ältesten und neuesten Apparate ausprobieren. Und ihre Technik entdecken.
Was für eine Sensation muss es gewesen sein, als zum ersten Mal ein Mensch die Stimme eines anderen mittels einer Leitung übertragen hörte! Man schrieb den 26. Oktober 1861, an dem der Physiker Philipp Reis den Prototypen seines „Telephons“ in Frankfurt dem erlesenen Kreis des Physikalischen Vereins vorführte. Und was hatte ein Freund dem Erfinder, der am anderen Ende der Leitung wartete, Weltbewegendes mitzuteilen? „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat!“
Was uns zwei profunde Einsichten übers Telefonieren vermittelt: Zum einen, dass am Telefon schon früher viel Unsinn geredet wurde; zum anderen, dass man nicht alles verstehen muss. Denn mit der Tonqualität haperte es damals ein bisschen, so dass Reis nicht genau verstand, was das Pferd verschmähte.
Nun hat sich die Technik seit der ersten Direktübertragung von Apparat zu Apparat bis zu den heutigen Smartphones ja ein wenig weiterentwickelt, aber das Prinzip beim Telefonieren ist geblieben: Mit der Stimme wird eine Membran in Schwingung versetzt, dann in elektrische Signale umgewandelt, übertragen und am Ende wieder in Schall verwandelt. Und es ist eine wahre Freude, sich von Hans Dahr von den ältesten Telefonmodellen bis zu den aktuellen Glasfaserkabeln führen zu lassen, angefangen bei „unserer Hedwig“, dem Fräulein vom Amt.
Das Fräulein vom Amt
Beim pensionierten Fernmeldetechniker lernt man, dass die Kurbeln an den alten Fernsprechern dazu dienten, an den Klappenschränken der Telefonvermittlung eine Klappe herunterfallen zu lassen, so dass die Amtsfrau sehen konnte, welcher Apparat anrief – um ihn mit der richtigen Nummer zu verstöpseln.
Das „Fräulein vom Amt“ musste besondere Eigenschaften mitbringen: guten Leumund, mittlere Schulbildung, unverheiratet. „Dieser Zölibat dauerte bis 1953“, sagt Dahr. Ähnliche Enthaltsamkeit wurde sonst nur Priestern auferlegt.
Wahre Telefonliebhaber verfallen bei Typenbezeichnungen wie dem ZB06a, dem grauen 611 oder dem W48 in Elfenbein gewiss in nostalgisches Schwärmen. Und jedes Telefon hat seine eigene Ästhetik: von den Holz- und Blechkisten über Bakelit-Brocken bis zu Tastenwählern aus thermoplastischem Kunststoff.
Die ersten Wählscheiben, sagt Dahr, heißen in der Sammlerszene „Schlagringe“ – sie sehen auch so aus. Und eine gelbe Telefonzelle mit der Mahnung „Fasse Dich kurz!“ zeigt das Bochumer Museum – vollkommen authentisch, mit einer Ausnahme: Der typische, schlimme Geruch fehlt, den sicherlich nun jeder wieder in der Nase hat und den vermutlich niemand je vermisst hat.
Man erfährt, dass die Telefontechnik in der DDR zumindest in einem Punkt überlegen war: „Der alte Telefonstecker der Deutschen Bundespost hatte vier Messer. Der Stecker der DDR hatte fünf. Die Stasi musste nicht verwanzen, sie hatte ja das Mikrofon des Telefons. Sie brauchte das nur einzuschalten und konnte dann die Raumgespräche abhören, auch wenn niemand telefonierte.“
Das Herzstück des Telefonmuseums bildet die Schaltzentrale, die Telefontechnik aus den verschiedenen Jahrzehnten und Ost wie West verschaltet und verdrahtet hat. Hier klackert es, wenn in der internen Anlage mit 800 Rufnummern die Anrufe hin- und hergehen.
Man begegnet einem fast vergessenen Stück Telefongeschichte: Auf Magnetbändern läuft die Zeitansage. 1955 gesprochen von Elvira Bader vom NDR, so prägnant, dass man sie sofort wieder im Ohr hat. „Beim nächsten Ton ist es neunzehn Urrr, zehn Minuten und drrreißig Sekunden. Möp.“ Eine Telefon-Zeitreise, bei der man in Bochum nie auf der langen Leitung steht.
>> DAS LIEBSTE AUSSTELLUNGSSTÜCK
Wenn man die neun aktiven Ehrenamtler des Bochumer Telefonmuseums nach ihrem liebsten Stück fragt, finden sich gleich ein paar Favoriten. Doch durchgesetzt hat sich die legendäre „Siemens-Hantel“, die unter der Bezeichnung „Gewöhnlicher Fernsprecher 1878“ zu den ältesten Exponaten zählt – gleich neben einem Nachbau von Alexander Graham Bells Fernsprecher. 1877 kamen Bell-Apparate nach Deutschland. Generalpostmeister Heinrich von Stephan war begeistert von diesem „neuen Verkehrsmittel“.
Es gibt aber nichts, was die deutsche Ingenieurskunst nicht noch besser machen konnte. Deshalb lud von Stephan eine befreundete Familie zum Kaffee ein, die hieß von Siemens. Er bat sie, Bells Apparate hierzulande nachzubauen. Siemens verbesserte sie, baute einen starken U-Magneten mit zwei statt einer Spule ein und machte die Membran zehn Zentimeter groß. Damit konnte man von Berlin nach Potsdam telefonieren. Nicht nur für die Bochumer Telefontechniker ist dieses das wohl wertvollste Stück ihrer Sammlung.