Essen. Ingo Oschmann vertreibt sich die Zeit mit Livestreams. Hier erklärt er, was ihn dabei fordert – und erinnert sich an eine Las-Vegas-Reise.

Mit Livestreams das so schmerzlich vermisste Publikum wenigstens mal für 60 Minuten über eine Internet-Leitung unterhalten - das tun in der aktuellen Notsituation viele Comedians. Auch Ingo Oschmann, seit 1992 mit einer Mischung aus Comedy und Zauberkunst im Land unterwegs, traute sich Anfang des Jahres erstmals auf die „Homeoffice-Bühne”. Das mit so großem Erfolg, dass er an den kommenden Wochenenden noch vier weitere Online-Shows nachlegt. Über die für ihn noch völlig neue Streaming-Welt und eine besondere Begegnung mit den Magie-Superstars Siegfried & Roy (beide inzwischen verstorben) sprach der 51-Jährige mit Patrick Friedland.

Sie haben jüngst Ihre ersten Livestream-Shows absolviert. Wie war es?

Ingo Oschmann: Es war ein guter Testballon für weitere Shows. Das Publikum selber gab mir super Rückmeldungen. Da waren Emotionen, die ich während der Show gar nicht wahrgenommen habe. Über Zoom sehe ich sechs oder sieben Zugänge von 100, da kriegt man nicht viel mit.

In normalen Zeiten setzen Sie stark auf Bühnenaktivitäten des Publikums. Was ändert sich für Sie bei den Streams?

Ich muss anders spielen, persönlicher. Es muss das Gefühl aufkommen, dass die Show quasi eine Vorführung für nur eine Person am anderen Ende der Leitung ist. Ich sitze zuhause und zeige den Leuten eine Stunde lang, was ich total toll finde. Dinge, die ich bei normalen Shows nicht zeigen könnte. Zum Beispiel Gegenstände, die auf Papier gemalt sind, aber über die Kamera so aussehen, als würden sie auf dem Tisch stehen.

„Nach dem ersten Autokino habe ich backstage geheult“

Waren Sie vor den Streamshows nervöser als vor normalen Bühnenauftritten?

Vor einem Jahr war noch alles in Ordnung: Ingo Oschmann im Februar 2020 bei einem Auftritt im Bollwerk 107 in Moers.
Vor einem Jahr war noch alles in Ordnung: Ingo Oschmann im Februar 2020 bei einem Auftritt im Bollwerk 107 in Moers. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Klares ja. In der halben Stunde vor der Premiere habe ich zehn Mal mein Setup kontrolliert. Dann ging es los und ich hatte das Gefühl, dass meine Beine verschmelzen. Ich fragte mich im Gedanken, was ich da eigentlich gerade mache. Vor Premieren ist man ja immer nervös, aber hier war es dann noch ein ganz anderes Medium. Danach bekam ich aber so viele tolle Reaktionen von Fans und Freunden, die mitmachten, dass bei mir echt ein paar Tränen gekullert sind. Ich war auch echt froh, dass ich es geschafft habe, mir dieses völlig neue Medium zu erschließen. Dinge wie Social Media mache ich sonst vor allem, weil es heutzutage einfach sein muss. Aber die Leidenschaft steckt da nicht so drin. Die Streamshows sorgten hingegen dafür, dass ich mich gefordert und lebendig fühle, eine Lethargie überwinde.

Zudem sind Sie im Sommer erstmals in Autokinos aufgetreten. Macht das wirklich Spaß?

Der erste Autokino-Auftritt in Stuttgart bleibt unvergessen. Danach saß ich im Backstage und habe geheult wie ein kleiner Junge, weil ich endlich wieder auftreten konnte. Aber man muss sich als Künstler umstellen. Nach so einer Show hast du aber das Gefühl, anderthalb Stunden ins Leere gebrabbelt zu haben.

Sie scheinen ja durch TV-Auftritte (u.a. „Wer weiß denn sowas?”) und Livestreams im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen noch recht gut ausgelastet zu sein …

Ich habe echt viel Glück. Und neben dem Fernsehen noch ein gut funktionierendes Familienleben mit einer tollen Frau und zwei tollen Kindern, die noch in einem Alter sind, wo sie mich gerne um sich haben. Ohne die wäre ich wahrscheinlich versackt und hätte keinen geregelten Tagesablauf. Ich glaube, Menschen die alleine sind, fallen eher in ein richtiges Loch. Aber es ist auch die Frage, was man aus der Situation macht. Ich, der aus der Generation der ersten Computer kommt, musste mich jetzt in diese ganze Streaming-Sache reinfuchsen. Ich habe zwei Kameras und bediene die während der Shows auch selbst. Das ist eine wirklich schöne Alternative, die Spaß macht und neue Möglichkeiten bietet. Ich glaube, die Online-Shows werden nach Corona bleiben.

Wie läuft es mit dem Homeschooling?

Meine Frau sorgt dafür, dass das funktioniert. Sie fängt unglaublich viel ab. Ich habe irgendwie auch das Gefühl, dass mein schulpflichtiger Sohn jetzt mehr lernt, als wenn er in der Schule ist. Als er nach dem ersten Lockdown erstmals wieder in die Schule ging, fühlte sich das für uns Eltern völlig falsch an. Der war nur drei Stunden weg, aber wir haben ihn total vermisst. Ich kann die Kelly Family jetzt schon irgendwo verstehen, dass die ihre Kinder selbst unterrichtet hat ...(lacht) Es ist auch superschön, dass ich jetzt mal so viel Zeit mit meinen Kindern verbringen kann. Wenn Corona vorbei ist, werde ich wahrscheinlich erstmal anderthalb Jahre nonstop auf der Bühne stehen, um alles Ausgefallene nachzuholen.

Apropos Bühne: Hatten Sie eigentlich nie davon geträumt, mit Ihrer Zauberkunst mal große Hallen oder gar Stadien füllen zu können wie die Ehrlich Brothers?

Nee. Ich bin auch der Meinung, dass das mit meiner Zauberkunst nicht funktioniert. Was die Ehrlich Brothers machen, diese Großillusionen, ist etwas ganz anderes. Für mich war immer wichtig, dass die Leute auch lachen. Das klappt im Theater definitiv besser als im Stadion. Und für mich ist eine Größe von 500 Zuschauern auch die beste. Da hat man noch das Gefühl, dass der Künstler für einen persönlich spielt.

Blicken wir mal zurück in die Vergangenheit: 2003 gewannen Sie die Sat.1-Castingshow „Star Search“. Fluch oder Segen für die Karriere?

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Ganz klar Segen. Ohne „Star Search“ würden wir wahrscheinlich gerade gar nicht miteinander sprechen. Das war der Mega-Boost und eine spannende Zeit, in der ich wahnsinnig viel gelernt habe. Irgendwann wurde die Bekanntheit aber anstrengend, eine gewisse Anonymität finde ich doch irgendwie schöner. Auch sollte man diesen Job nicht so sehr überbewerten. Vorher arbeitete ich jahrelang in der Gerontopsychiatrie und verdiente damit deutlich weniger als mit Comedy. Obwohl der alte Job viel wichtiger ist und die dort Arbeitenden nicht so hofiert werden wie ein Promi. Das finde ich falsch.

Wie war es dort backstage zwischen den ganzen Prominenten?

Die Jury hat mit uns vor und nach den Shows nicht geredet, die haben wir Backstage auch nicht gesehen. Die wirkten auch nicht wirklich interessiert, ich glaube, denen war egal, wer gewinnt. Wer immer interessiert, nett, empathisch und authentisch ist, ist Kai Pflaume. Leute wie ihn gibt es in der Branche selten.

„Ich schrieb Autogramme für Amerikaner, die mich nicht kannten“

Der „Star Search“-Sieg ermöglichte Ihnen ein Treffen mit Siegfried und Roy in Las Vegas, einen Tag vor der verhängnisvollen Tiger-Tragödie, die die Karriere der beiden beendete. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Das war Wahnsinn. Die beiden sind so groß in der Zauberer-Szene und waren ja auch die einzigen Zauberer, die dort eine Solo-Show hatten. Es war ein sehr respektvolles Treffen. Die wussten, wer ich bin und was ich mache, hatten sich sogar über meine Nummern informiert. Auch während der Show war ich Thema. Roy sagte an einer Stelle, dass der Gewinner von „Star Search Germany“ heute im Publikum sitzt – dann musste ich da sogar Autogramme schreiben für Amerikaner, die mich nicht kannten. Die Sendung ist ja in den USA riesig, da kommen Leute wie Justin Timberlake oder Beyonce her. Nachher sagte mir Roy noch, dass er einfach froh war, mal wieder mit jemandem zu sprechen, der wirklich Leidenschaft für die Zauberei hat.

Durften Sie denn auf die Bühne?

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Nein, das war ja eine Show mit festen Abläufen. Aber wenn Sie einen Gänsehautmoment wissen wollen: Es gab eine Szene mit einem Tiger und der konnte dann ein wenig „sprechen“, ungefähr so wie bei Loriot und dem Hund. Dann sollte der Tiger „Hallo Ingo“ sagen – und genau bei der Passage, wo beide miteinander „redeten“, passierte am nächsten Tag dieses fürchterliche Unglück. Horror.

Sie waren aber nicht noch in der Nacht bei Roys Geburtstagsfeier?

Er hatte mich eingeladen. Ging aber nicht, weil ich für Sat.1 einen Dreh hatte und die Regisseurin meinte, dass wir keine Zeit hätten.

Ihr Wunsch für 2021?

Dass Corona nach und nach verschwindet. Aber auch, dass wir aus der Situation gelernt haben. Ich glaube ja, dass Corona sowas wie ein IQ-Test und Empathie-Test für uns alle ist. Ich finde es erschreckend, dass es Leute gibt, die sich in ihren Persönlichkeitsrechten eingeschränkt fühlen, weil sie im Supermarkt eine Maske tragen müssen. Ich schränke die Persönlichkeitsrechte meines Gegenübers ein, wenn ich ihn mit Corona anstecke und er stirbt. Ich hoffe, dass wir die Lehre aus dieser Situation ziehen, öfter über den Tellerrand zu blicken und nicht immer nur an uns selbst zu denken.

>>> INFOBOX: Ingo Oschmann im Stream und auf Tour

Termine Ingos große magische Online-Show: 23.+24.+30.+31.1., 18 Uhr. Zugänge für 21 € auf www.reservix.de.

Termine „Mit Abstand: Mein bestes Programm“: 25.3. Gevelsberg (Aula des Schulzentrums West), 2.5. Essen (Zeche Carl), 26.6. Moers (Bollwerk 107), 14.11. Dortmund (Fritz-Henßler-Haus), 16.12. Attendorn (Stadthalle). Karten ab ca. 25 €.

Termine „Scherztherapie“: 22.4. Duisburg (Steinhof), 24.11. Oberhausen (Ebertbad). Karten ab ca. 25 €.