Paris. Als postume Ehrung für den Verhüllungskünstler Christo kleidet sich das ikonische Denkmal von Paris drei Wochen lang in wallendes Tuch.
Der Tod und die Corona-Epidemie haben den Verhüllungskünstler Christo (1955–2020) auf der letzten Geraden daran gehindert, noch persönlich Hand anzulegen. Aber sein langgehegter Wunsch, den Pariser Triumphbogen zu verhüllen, wird jetzt wahr. Bereits im Juli haben die Arbeiten begonnen, die diesen Samstag in der vollständigen Verpackung des ikonischen Arc de Triomphe gipfeln. Hunderte Passanten verfolgen fasziniert, wie das Denkmal langsam unter großen, silbern glänzenden Stoffbahnen verschwindet, die 95 Facharbeiter ausrollen – nach einer Schulung durch Alpinisten.
Bis ins kleinste Detail wird das Kunstwerk auf Zeit Christos Plänen sowie seinen letzten mündlich erteilten Anweisungen entsprechen. Seine ersten Zeichnungen für das Projekt stammen bereits aus dem Jahr 1962. Beinahe sechs Jahrzehnte lang nämlich haben Christo und seine 2009 gestorbene Frau Jeanne-Claude davon geträumt, den Pariser Triumphbogen zu verhüllen. Als ihn im April 2019 dann tatsächlich die Nachricht erreichte, dass das französische Zentrum Nationaler Denkmäler diesem Vorhaben zugestimmt hatte, freute sich der in New York lebende Künstler nach eigenen Worten „wie ein kleines Kind“.
1995 der Berliner Reichstag, 1985 der Pont Neuf
Die Arbeiten des in Bulgarien geborenen Christo Wladimirow Jawaschew und seiner französischen Frau Jeanne-Claude haben immer wieder für weltweites Aufsehen gesorgt. 1995 verpackten sie den Berliner Reichstag, zehn Jahre zuvor die älteste Brücke von Paris, den Pont Neuf, in sandfarbenes Tuch. Verzückte Schaulustige flanierten damals zu Hunderttausenden über die verfremdete, noch majestätischer und zugleich eleganter wirkende Seine-Brücke.
„Ich bin Optimist und sehr hartnäckig“, erklärte Christo noch vor 16 Monaten und erinnerte daran, dass sich die Verhandlungen für die Verhüllung des Reichstages über 23 Jahre hinzogen. Und das der Pariser Bürgermeister und spätere Staatspräsident Jacques Chirac dem Verpacken der Pont Neuf erst nach neun Jahren seinen Segen gab.
Nicht vor dem Centre Pompidou, sondern am Triumphbogen, sagte Christo
Doch mit dem Triumphbogen lief es ganz anders. Im Herbst 2018 hielt sich Christo in Paris auf, um eine ihm gewidmete Ausstellung im Centre Pompidou vorzubereiten, deren Eröffnung dann wenige Wochen nach seinem Tod im Juli 2020 stattfand und wegen der Corona-Epidemie gleich wieder schließen musste. Bei der Vorbereitung fragte ihn Philippe Bélaval, der Direktor des Zentrums Nationaler Denkmäler, ob er nicht auch ein eigenes Projekt auf dem großen Platz vor dem Museum für Moderne Kunst verwirklichen wolle. „Nicht dort“, soll Christo geantwortet haben, „aber mich interessiert es seit jeher, etwas mit dem Triumphbogen zu machen“. Bélaval griff die Idee umgehend auf und erwirkte sehr rasch auch die Zustimmung von Präsident Emmanuel Macron.
Frankreich hatte ursprünglich vor, Christo den Triumphbogen vom 6. bis zum 19. April 2020 gänzlich zu überlassen. Doch die Corona-Epidemie warf diesen Zeitplan über den Haufen. Dafür erhielt Projektleiter Jonathan Henery, Christos Neffe, nun wesentlich mehr Zeit. Sechs Wochen wurden ihm zugestanden, um das 50 Meter hohe, 45 Meter breite und 22 Meter tiefe Denkmal in 25.000 Quadratmeter silberblaues Tuch zu verpacken.
Christo wollte den Anschein, als ob sich der Bogen bewegt
Drei Wochen lang wird der verhüllte Triumphbogen ab diesem Wochenende zu besichtigen sein. Ein „außergewöhnliches Schauspiel“ verspricht Henery den Pariser Einwohnern und Touristen aus aller Welt. Da das von dem Grevener Unternehmen Setex angefertigte Polyamid-Tuch nicht auf den Triumphbogen geklebt, sondern von roten Seilen gehalten wird, dürfte die Verhüllung die Konturen des Bauwerks gleichzeitig betonen und verfremden. „Mein Onkel“, so Henery, „wollte, dass jeder Windstoß die Form des Denkmals verändert, ja dass der Eindruck entsteht, dass es sich bewegt“.