Essen. Bald ist Jeff Goldblum in „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ zu sehen. Im Gespräch blickt der Schauspieler auf sein Künstler-Leben zurück.
Schon als Kind hat Jeff Goldblum das Kino geliebt. Mit 17 Jahren ging er nach New York, um Schauspieler zu werden. Mit Uwe Mies sprach der 69-Jährige, der ab dem 9. Juni in „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ im Kino zu sehen ist, über seine Karriere.
Sie sind der Mann, der die Fliege war. Wäre das ein Kompliment für Sie?
Goldblum: Klar, ich bin sehr stolz auf „Die Fliege“. Aber wichtiger für meine Karriere war einige Jahre davor „Der große Frust“.
Da muss ich Sie enttäuschen. Den Film haben in Deutschland nicht viele Menschen gesehen.
Ehrlich jetzt? „Der große Frust“ ist in den USA ein Klassiker und in Deutschland spielte er keine Rolle?
Später konnten Sie Ihre eigene Marke prägen. Mal waren Sie der komische Typ, mal waren Sie furchterregend böse, aber festlegen ließen Sie sich nie. Es gab also keinen Rollenplan für Ihre Karriere?
Ich gehe mal ganz an den Anfang zurück. Ich wollte Schauspieler werden und hatte keinen Plan B. Das war ganz schön blauäugig, denn machen wir uns nichts vor: Die meisten Leute, die Schauspieler werden wollen, werden es nicht. Ich aber wollte meinen Lebensunterhalt damit bestreiten – und ein festes Gehalt muss man sich auch als Schauspieler erarbeiten. So viel war mir damals schon klar.
Eitelkeit war kein bisschen im Spiel?
Aber klar doch. Wenn ich mal in die Verlegenheit komme, ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen, dann juckt es mich jedes Mal vor Freude, wenn es an das Feld geht, wo der Beruf erfragt wird. Und ich darf dann guten Gewissens schreiben: Schauspieler. Doch, das macht mich stolz! Ich finde das immer noch großartig.
Sind Sie dem mal psychologisch nachgegangen?
Das brauchte ich nicht. Da reicht ein Blick auf meine Herkunft. Mein Vater war Arzt, wir lebten in Pennsylvania, und wir kannten niemanden aus der Filmindustrie oder dem Showgeschäft. Vermutlich einfach, weil es so weit weg war und unerreichbar schien, können sich da schnell romantische Gefühle entwickeln, und bei mir war es eben schiere Begeisterung und irgendwann auch eine Obsession.
Mit der Karriere hat es ja dann auch geklappt.
Ja, aber ich hatte Glück, denn ich traf mit Sanford Meisner einen Schauspiellehrer, der mich immer wieder neu dafür begeisterte, mich auf unterschiedlichste Rollentypen einzulassen. Er sagte, ich solle mich selbst als Schauspieler kennenlernen und ausprobieren. Ist man für ein romantisches Abenteuer geeignet, eine Rolle als Liebhaber, und wie fühlt man sich, wenn man einen Schurken oder einen Verlierer spielen soll? Auf die Weise entwickeln sich Fähigkeiten. Dann, so nach etwa 20 Jahren, ist man so weit, dass man sich Schauspieler nennen darf. So hat Meisner mir das eingebläut und ich habe es geschluckt, denn ich wollte ja ein guter, ein professioneller Schauspieler werden.
Wo liegt da der Unterschied?
Professionalität ist eine Abstufung in der Qualität, die erst dann relevant wird, wenn man bereits durch und durch Schauspieler ist. Wenn man sein Handwerk so beherrscht, dass man jede Stimmung und jedes Charakterbild nach professionellen Gesichtspunkten abrufen kann.
Letztlich ist es ein Prozess, gespeist aus harter Arbeit an sich selbst?
Ja, man wird mit der Zeit sicherer und besser, und wenn man dann noch bereit ist, Rollen als Herausforderung zu begreifen, die einen wieder ein Stück weiter nach vorn bringen, dann entwickelt man sich immer weiter. Das ist die Art Schauspieler, die ich werden wollte. Ich kann mich auf neue Sachen einlassen, aber auch Rollen spielen, in denen weniger Handwerk als persönliche Ausstrahlung gefragt ist.
Letzteres gilt wohl für die Markenfilme wie die „Independence Day“-Fortsetzung oder jetzt „Jurassic World“?
Das lässt sich nicht leugnen. Ich spielte den Chaostheoretiker Ian Malcolm in den 90er-Jahren. Ihn nach so vielen Jahren wieder aufzugreifen, war tatsächlich neu für mich. Wie hat sich diese Figur in all den Jahren entwickelt? Sich das vorzustellen, war eine reizvolle Übung, bei der man nicht schludern darf. Die Leute hegen ja Erwartungen an die Figur. Ein Ian Malcolm, der plötzlich frei von Eitelkeit ist und demütig gegenüber anderen Akademikern auftritt – das hätte keiner geglaubt.
Im ersten „Jurassic Park“ 1993 war Digitaltricktechnik auch für Schauspieler noch neu. Heute kommt kein Film mehr ohne Computertricks aus.
Ja, das stimmt. 1993 waren Saurier im Kino entweder ein Job für Leute in Gummianzügen; wir erinnern uns an die Godzilla-Filme. Oder es gab die Stop-Motion-Tricks mit Modellen, etwa im alten „King Kong“. So oder so, man sah die Tricktechnik. Bei „Jurassic Park“ hatte ich das erste Mal das Gefühl, ich sehe echte Saurier. Das war ja ein Durchbruch wie zuvor vielleicht der Ton im Verhältnis zum Stummfilm.
Ja, für das, was man auf der Leinwand sieht, ist das so. Aber für Sie als Schauspieler war es doch eher wie eine leere Shakespeare-Bühne, die Rückkehr zum Ur-Spiel.
Wo man gar nichts sieht, sich aber alles vorstellen muss? Ja, absolut. Ich muss mir als Schauspieler einen Saurier vorstellen, der vor mir steht und hoffentlich gerade keinen Appetit auf mich hat. Wie reagiere ich auf etwas, das gar nicht da ist. Damit sind wir wieder am Anfang: Wie wichtig das Erlernen des schauspielerischen Handwerks ist.
Werden Sie denn noch mal auf Theatertour gehen? 2008 gastierten Sie zusammen mit Kevin Spacey bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen.
Wir waren da mit David Mamets „Speed-the-Plow“, aber das ging von unserem Engagement in London aus, wo wir das Stück zuvor gespielt hatten. In Recklinghausen, das war ein schönes Theater. Jede Vorführung war ausverkauft. Wenn man sagt, die Atmosphäre knistert, war das der Fall. Etwas vergleichbares steht vorläufig nicht auf dem Plan.