Essen. Mit einem Satirevideo über Rassismus und Polizeigewalt machte Aurel Mertz von sich reden. Nun startet der Comedian seinen ersten Solo-Podcast.
Spätestens seit dem vergangenen Jahr klingelt’s beim Namen Aurel Mertz. Der Comedian, der vor acht Jahren von Showlegende Frank Elstner entdeckt wurde, sorgte mit einem Satirevideo zum Thema Rassismus und Polizeigewalt für Aufruhr. Der gebürtige Stuttgarter will seinen Finger tief in die Wunde der Gesellschaft legen, wie es so schön heißt. Und schafft das regelmäßig in den Sozialen Netzwerken – ab sofort auch auf Spotify. Mit seinem eigenen Podcast „Das Aurel Update“ widmet er sich wöchentlich Themen aus Gesellschaft, Politik, Boulevard, Social Media und Zwischenmenschlichem. Maxi Strauch sprach mit dem 31-Jährigen über Politikverdrossenheit, Ungerechtigkeit und – klar – Frank Elstner.
Sie wurden in der Masterclass von Frank Elstner ausgebildet. Sie werden immer noch mit ihm in Verbindung gebracht. Fluch oder Segen?
Aurel Mertz: Gerade am Anfang meiner Karriere musste ich immer dieselbe Geschichte erzählen. Zum Glück hat das nachgelassen. Aber grundsätzlich ist es eine spannende Geschichte, dass jemand wie Frank Elstner es geschafft hat, einer neuen Generation seinen Stempel aufzudrücken. Und ich bin wahnsinnig dankbar für diese Gelegenheit. Es ist nicht so, dass es alles leichter gemacht hat, aber diese Masterclass war schon ein Kickstart in meine Karriere. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich im Schatten von Frank Elstner stehe. Mein Publikum, meine Zielgruppe hat ihn ja auch gar nicht mehr so auf dem Schirm.
Was haben Sie von ihm gelernt?
Frank Elstner hat ein wahnsinnig spannendes Talent: Wenn er etwas sieht, dann ist das eine TV-Show. Das ist teilweise so dermaßen hanebüchen. Er sieht einen Papagei und denkt sich: „Wir müssen eine Show über Papageien machen!“ Und du denkst dir, okay, das ist gar nicht mal so genial. Aber diese Eigenschaft, keine Angst zu haben, Themen einfach auszuspucken, das ist seine Genialität. Was ich von ihm gelernt habe: Sich die Dinge genau anzugucken und zu überlegen, ob es nicht vielleicht doch Potential hat. Der Kreativität freien Lauf lassen.
„Ich bin Comedian, ich sollte definitiv nicht deine allererste Newsquelle sein“
Deshalb machen Sie jetzt einen Podcast.
Genau. Es ist so: Ich beziehe meine Comedy sehr auf das Gesellschaftliche, sei es auf Twitter, Instagram oder sonst wo. Dann schreiben mir Leute, dass sie häufig News erst mitbekommen, wenn sie sie bei mir im Feed lesen. Da habe ich mir Gedanken gemacht. Ich bin Comedian, ich sollte definitiv nicht deine allererste Newsquelle sein (lacht). Aber es gibt in meiner Generation eine Art Politikverdrossenheit. Sie hat keinen Bock, die Tagesschau zu gucken oder Zeitung zu lesen. Aber die Leute wollen schon wissen, was los ist. Und deshalb dachte ich mir, ich verschaffe ihnen durch meinen Podcast einen Zugang dazu.
Es gibt mittlerweile einige Podcasts. Was macht Ihren so besonders?
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Ich habe das Gefühl, dass die Perspektive, die ich einnehme, den Leuten gut gefällt. Und „Das Aurel Update“ ist der erste deutschsprachige Podcast von Spotify, der zum Großteil aus einem Newssegment besteht. Das heißt, das ist ein Markt, der noch nicht groß bedient wurde. Meine Beobachtungsweise der Dinge ist gesellschaftskritisch und gesellschaftsrelevant. Wir leben in Zeiten, in denen man es sich nicht leisten kann, nichts mitzubekommen.
Ist Comedy also der neue Weg, junge Menschen wieder an politische Themen heranzuführen?
Für mich persönlich ist es schon eine Sache, die mich eher motiviert. Es ist eine Herausforderung aus gesellschaftlich relevanten Dingen das Lustige rauszufischen oder sie so zu drehen, dass sie Spaß machen. Wenn das dafür sorgt, dass jemand, der sich eigentlich nicht dafür interessiert, darüber den Zugang findet, dann ist das für mich ein schönes Beiwerk. Aber wenn ich auf meine unterhaltsame Weise das gesellschaftliche Geschehen kommentiere, dann sollte das nicht dein einziger Zugang zu den News sein. Sondern so eine Art Starter-Pack, so dass du dich danach mehr dafür interessierst.
Gibt es Themen, die Ihnen dabei besonders am Herz liegen?
Ich bin ein News-Junkie (lacht). Was mir auffällt: In meinem Bekanntenkreis kriegen viele schlechte Laune von bestimmten News, das ist etwas, das sie belastet. Das ist bei mir nicht der Fall. Es ist sehr selten, dass ich frustriert bin. Wenn zum hundertsten Mal darüber diskutiert wird, ob man das N-Wort sagen darf oder nicht, dann bin ich auch langsam frustriert. Aber grundsätzlich bin ich sehr optimistisch. Bei dem Thema sehe ich es dann positiv, dass wir uns darüber Gedanken machen und eine Diskussion führen. Aber gerade das Thema Gleichberechtigung, sei es jetzt sexistischer oder rassistischer Natur, das beschäftigt mich schon sehr.
„Ich habe nicht nach unten getreten“
Warum?
Wenn man dem Thema Rassismus aufgrund der Familiengeschichte oder persönlich schon selbst ausgesetzt war, dann kann man die Perspektive auch einnehmen. Man sieht, welchen Schaden das anrichten kann auf einer persönlichen Ebene, aber auch wie unfair diese Benachteiligung ist. Bei Sexismus denke ich mir das genauso. Wie kann man denn darin nicht die Ungerechtigkeit sehen, wenn Menschen aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe benachteiligt werden? Das kann ich einfach nicht verstehen.
Sie haben im Rahmen der Racial-Profiling-Debatte ein Satirevideo gedreht, das von NRW-Innenminister Herbert Reul im Gespräch mit der Bild-Zeitung als „menschenverachtend“ bezeichnet wurde, weil Polizisten „pauschal als ausländerfeindliche Dumpfbacken“ dargestellt werden würden. In dem Video erklären zwei Polizisten einen Mann wegen seiner dunklen Hautfarbe zum Fahrraddieb. Haben Sie es im Nachhinein bereut?
Wenn sowas passiert, dann geht das mit sehr unangenehmen Sachen einher, das geht bis hin zu Morddrohungen vom rechten Rand. Aber grundsätzlich muss man sagen, wenn dieses Video eine Diskussion auslöst, die wir offensichtlich führen müssen, dann bereue ich daran gar nichts. Das ist nach wie vor meine Meinung. Ein staatliches Organ wie die Polizei, das ein Gewaltmonopol innehat, muss sich Kritik anhören. Vor allem, wenn es faktisch sogar bewiesen ist, dass dieses Organ von negativen Entwicklungen unterwandert ist. Und das ist politische Satire, ich habe nicht nach unten getreten, sondern ich habe ein öffentliches Organ kritisiert, das definitiv mächtiger ist als ich kleiner Comedian.
Kritisiert wurde auch, dass es vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziert wurde, vom Jugendangebot Funk. Verständlich?
Das ist in so einer Empörungsspirale geendet, die künstlich kreiert wurde, in dem Fall von der Bildzeitung, die es als Angriff auf die öffentlich-rechtlichen Medien genommen hat. Das hat mich total irritiert. Politiker von CDU, CSU usw. haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür kritisiert, dass der ein staatliches Organ kritisiert und das soll der doch eigentlich nicht machen. Ne, da fühle ich mich auf jeden Fall bestätigt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist da, um unabhängig vom Staat zu agieren – unabhängige Berichterstattung, unabhängige Satire, unabhängiger Journalismus … Wenn der sich jetzt aber steuern lassen würde, dann wäre das ja eine Katastrophe.
Würden Sie es wieder tun?
Ja, würde ich. Wir schauen schon darauf, dass wir niemanden zu Unrecht kritisieren oder jemanden verletzen. Das ist auch wichtig bei Satire, dass man versucht, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Ich würde auch nie eine Fehlerfreiheit für mich beanspruchen. Ich setze auch mal einen Tweet ab, der daneben ist. In der Comedy kann man Grenzen austesten, und spannend ist es ja vor allem dann, wenn man auf der Grenze spaziert. Gerade weil so eine Gesellschaft, wie wir sie haben, auch solche Diskurse führen kann.
„Ich warte schon lange darauf, einen Solo-Podcast zu machen“
Sie führen solche Diskurse dann allein in ihrem Podcast. Ungewöhnlich, oder?
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Mir werden vom Producer die News-Themen eingespielt und dann kommentiere ich sie. Zu manchen Themen wird es Interviews geben, da rufe ich dann jemanden an und wir quatschen darüber. Aber den Großteil bestreite ich komplett allein. Es ist eher ein Monolog. Ich vergleiche das ein bisschen mit Stand-up-Comedy. Meine absolute Lieblingsbeschäftigung. Normalerweise mache ich jeden Abend in einem Club Stand-up, vor meinetwegen 20, 30 Leuten. Da rede ich dann über Themen, die mich privat oder die Gesellschaft beschäftigen. Das gibt es aber einfach nicht mehr.
Hand aufs Herz: Gäbe es Ihren Podcast, wenn Corona nicht wäre?
Ja. Ich weiß nicht, ob es dasselbe Timing wäre, aber ich warte schon lange darauf, einen Solo-Podcast zu machen. Ich habe auf den richtigen Moment gewartet. Es ist eine gute Ergänzung für einen Künstler. Das gehört mittlerweile zu diesem Gesamtprodukt, Bühnenkünstler, Comedian, dazu. Es ist auch eine schöne Verbindung zu deinen Fans und Followern. So können sie dich einmal die Woche hören.
„Das Aurel Update“, 24 Episoden, ab sofort jeden Freitag auf Spotify (Abonnement nötig). Infos auf www.spotify.de.