Essen. Stefanie Heinzmann hat viel zu tun. Im Interview spricht die Schweizerin über Selbstliebe, ihr neues Album „Labyrinth“ und „Sing meinen Song“.
Mit Stefanie Heinzmann ein Interview zu führen, ist wie telefonieren mit einer guten alten Freundin. Unglaublich freundlich und gut gelaunt startet die Schweizerin ins Gespräch, entschuldigt sich fürs Terminchaos und fragt erst einmal, wie es mir, Maxi Strauch, geht. Und obwohl ich ihr am liebsten von meinem Tag erzählen würde, besinne ich mich eines Besseren und drehe den Spieß schnell um. So erzählt die 32-Jährige von Stefan Raab, redet über Selbstliebe und erklärt, warum sie von Schönheitsidealen überhaupt nichts hält.
Wie geht es dir?
Stefanie Heinzmann: Mir geht’s sehr gut tatsächlich. Es ist gerade alles ein bisschen viel, aber das ist auch ganz spannend. Ich lebe nach dem Motto: Eins nach dem anderen.
Dann brauchst du aber viel Zeit. Aktuell bist du ja sehr präsent!
Ja, es ist der Wahnsinn. Irgendwie kommt gerade alles gleichzeitig. „Sing meinen Song“, das neue Album ist fertig, die Tour ist draußen und Interviews und Fernsehshows in der Schweiz … Das ist alles sehr spannend.
Und das alles trotz Pandemie.
Es ist echt krass, ich darf mich wirklich zu den Privilegierten zählen. Gerade in meinem Umfeld gibt es viele Leute, die nichts zu tun haben, denen die Arbeit weggenommen wird. Das belastet mich natürlich. Nichtsdestotrotz bin ich sehr dankbar, dass ich das machen darf.
Hast du mit diesem Erfolg gerechnet, als du vor 13 Jahren bei Stefan Raabs Castingshow aufgetreten bist?
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Nicht eine einzige Millisekunde. Ich hätte mich nicht mal gewagt, das zu träumen. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen und ich wusste, dass ich singen will. Aber mir war nicht klar, dass ich das beruflich machen kann. Als ich dann bei dieser Castingshow war, war das alles so surreal. Meinen Eltern und meinen Freunden habe ich immer gesagt: Ich genieße das jetzt voll, dann kann ich mal mit den Heavy Tones spielen. Der Glaube an mich selbst war so gar nicht vorhanden. Es vergeht seitdem kein Tag, an dem ich nicht abends im Bett liege und mich bedanke. Ich bin ganz schön demütig, dass ich das immer noch machen darf.
Gab‘s damals einen Plan B?
Das war auf jeden Fall nicht Plan A (lacht). Ich war zu der Zeit 18 und schon ein bisschen überfordert. Ich wusste gar nicht so richtig, was ich machen will. Ich hatte gerade das Fachabi. Ich habe mich dann irgendwo in einem Büro gesehen und das Singen passiert so nebenbei. Ich glaube, ich war da ein bisschen pragmatisch.
Nicht nur jetzt gerade, auch sonst wirkst du extrem positiv, du lachst viel und verbreitest gute Laune. Wie behältst du dir das gerade?
Ich versuche, im Moment zu sein. Das klingt wahnsinnig buddhistisch, aber das ist es gar nicht. Momentan ist das Leben gar nicht so leicht. In meinem Umfeld gibt es viele Leute, die Probleme haben. Und ich kann mich davon nicht befreien, weil ich sehr sensibel bin. Ich hatte gestern zum Beispiel einen super merkwürdigen Tag. Mir ging’s nicht gut. Ich glaube, es lag auch an der Aufregung über „Sing meinen Song“. Aber dadurch bin ich heute aufgestanden, nach Hamburg geflogen und habe mich dazu gezwungen, alles so langsam wie möglich zu machen. Und es bewusst zu machen.
"Das Leben ist lebenswerter mit ganz viel Liebe darin"
Das Thema Liebe ist auf deinem neuen Album „Labyrinth“ (VÖ 14.5.21) sehr präsent, wie schon auf dem Vorgänger. Warum?
Das ist mir so unfassbar wichtig. Weil ich merke, ich bin nicht allein damit. Diese ganzen Gedanken, die ich mir machen – Selbstoptimierung, Druck fühlen, unsicher sein, reinpassen wollen, geliebt werden –, damit bin ich einfach nicht alleine. Ich habe eine Stimme geschenkt bekommen. Und ich hoffe, dass ich damit auch nur zwei, drei Leuten mitgeben kann, dass alles gut ist mit ihnen. Und sie sich nicht so viele Sorgen machen müssen. Ich finde das Leben ist viel lebenswerter mit ganz viel Liebe darin.
Es ist pandemiebedingt gerade nicht so einfach, Liebe zu verbreiten. Was schlägst du vor?
Sprechen. Kommunikation ist etwas, das gerade in dieser Zeit, in der wir keine Nähe haben dürfen, wahnsinnig wichtig ist. Ich sage täglich zu Leuten: „Fühl dich umarmt!“ Ich bin auch ein Verfechter von Komplimenten. Wenn du nichts Gutes zu sagen hast, mache jemandem ein Kompliment. Es gibt immer etwas Schönes zu sagen. Und die Leute freut‘s. Wir sagen viel zu oft schlechte Dinge, wir richten unseren Fokus viel zu oft auf Dinge, die nicht funktionieren. Ich sage einfach immer die Dinge, die gerade gut laufen. Das Feedback ist dann oft sehr schön.
Es geht nicht nur um Liebe, sondern auch um Selbstliebe. Kannst du von dir behaupten, dass du dich selbst so akzeptieren, wie du bist?
Ich bin da angekommen. Das hat relativ viel Arbeit und Zeit gekostet und viele Therapien, aber ich bin da angekommen. Und das ist toll. Die Arbeit daran macht mir nicht so viel Spaß, weil man sich viel mit sich und seinen Schwächen auseinandersetzen muss. Und man muss am Ball bleiben. Das Hirn so umzuprogrammieren, ist gar nicht so leicht, aber es lohnt sich. An Tagen, an denen ich sehr unsicher bin, nehme ich das nicht mehr so unglaublich ernst. Und ich kann mich selbst so akzeptieren, wie ich bin. Ich mag mich sogar, so wie ich bin.
"Ich suche mir gute Laune"
War das nicht immer so?
Überhaupt nicht. Ich fand mich immer scheiße. Ich fand mich hässlich, doof und untalentiert, einfach nicht gut genug. Ich hatte immer das Gefühl, ich passe einfach nicht rein. Und das war so anstrengend, immer in diesem Drama zu leben. Ich bin froh, dass ich das verabschieden konnte.
Wie hast du das geschafft?
Ich suche mir einfach gute Laune. Ich habe eine Akupunkturlady, die viel mit Energetik macht. Ich war letztes Jahr bei einer Familienaufstellung, ich war bei der Hypnose. Ich probiere viele Dinge aus, tatsächlich auch aus Neugier. Weil ich es spannend finde, wie viel es gibt. Menschen lernen, anderen Menschen zu helfen. In unserer Gesellschaft ist das immer noch nicht angekommen. Wenn wir uns ein Bein brechen, laufen wir zum Arzt, aber wenn es uns nicht gut geht, versuchen wir das still mit uns selbst auszumachen. Und das finde ich sehr gefährlich. Man gerät immer weiter in diesen Strudel. Ich versuche einfach, so oft es geht, darüber zu sprechen. Und dadurch merke ich, dass ich nicht allein damit bin.
Du änderst aber immer noch häufig dein Aussehen – und das ist ständig Thema. Wie gehst du damit um?
Ich bin super neugierig und probiere gerne Sachen aus. Aber ich finde es jetzt auch nicht wichtig. Deshalb finde ich es immer spannend, dass es gerade in den sozialen Medien so eine riesige Thematik ist für manche Leute. „Mein Gott, jetzt lass doch die Haare wieder wachsen!“ Da denke ich mir: Hast du keine anderen Probleme? Das finde ich fragwürdig. Schau, was Haare mit uns machen. Für manche ist es unvorstellbar, sich die Haare abzuschneiden. Dabei wachsen die ja nach! Und da sieht man, wie viel Angst wir vor Hässlichkeit haben. Wir haben Angst, nicht mehr hübsch zu sein.
Sind dir „klassische“ Schönheitsideale egal?
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Ich wehre mich sogar dagegen. Ich finde es eine Frechheit, wie im Internet Schönheit definiert wird. Schönheit muss anscheinend in ein Muster passen. Das macht mich wahnsinnig. Schönheit ist doch gar nicht zu definieren. Für jeden ist Schönheit etwas anderes. Es ist eine Katastrophe, wie schwer wir uns das Leben machen. Wer sucht sich denn aus, wie man aussieht? Und trotzdem werden Leute gemobbt und beleidigt und ausgestoßen. Und das im 21. Jahrhundert. Der Mensch müsste da weiter sein.
Und trotzdem werden deine raspelkurzen Haare in der Öffentlichkeit breit diskutiert.
Und weißt du, was krass daran ist? Während meiner Jugend bis Mitte 20 hatte ich wirklich Probleme mit meiner Weiblichkeit. Ich fand mich nicht attraktiv und habe mich in meiner Haut nicht wohl gefühlt. Ich habe dann vor eineinhalb Jahren meine Haare abrasiert. Seit diesem Tag fühle ich mich wahnsinnig weiblich! Ich hätte niemals gedacht, dass das passiert. Es ist so toll zu merken: Ich definiere meine Weiblichkeit und sonst keiner.
Und es steht dir großartig! Deine heiß diskutierte Frisur sieht man auch bei „Sing meinen Song“. Du warst schon im Schweizer Format zu Gast. Verschafft dir das Vorteile?
Ja, ich glaube, schon ein bisschen. Es ist schon so, dass man beim ersten Mal nicht so richtig einschätzen kann, wie aufgeregt man dann doch ist. Man bereitet sich vor, es gibt kein Publikum, es ist eine Aufzeichnung, es kann eigentlich nichts schiefgehen … Aber wenn du vor Ort bist und vor sechs namhaften Künstlern stehst, die dich mit großen Augen angucken … Meine Knie haben so gezittert. Ich habe nur gedacht: „Cool, 13 Jahre Bühnenerfahrung haben mir bis hierhin nichts gebracht, weil ich einfach mega aufgeregt bin.“ Jetzt konnte ich mich mental zumindest ein bisschen darauf vorbereiten.
"DJ Bobo ist ein Nationalheld"
Das Lied eines anderen Künstlers zu singen und den dann auch noch vor sich sitzen zu haben: Ist man da noch nervöser?
Das ist eigentlich eine absolute Katastrophe und ein riesiges Geschenk gleichzeitig, deswegen ist es auch so aufregend. Ich muss ehrlich gestehen, ich saß da und dachte mir: „Mein Gott, was zum Teufel ist in meinem Leben passiert, dass ich jetzt hier sitze?“ Guck dir die Runde an: Da sitzt einfach die Legende DJ Bobo, und mit dem chillst du auf dem Sofa.
Stefanie Heinzmann ist DJ-Bobo-Fan?
Also, er weiß, dass ich seine Musik nicht wahnsinnig fleißig höre, aber er ist einfach ein Nationalheld. Was dieser Kerl in seinem Leben geleistet hat, was das für eine Geschichte ist … Man ist in der Schweiz auch nicht um DJ Bobo herumgekommen. Ich glaube, es ist die Person, die mich wahnsinnig fasziniert. Man muss das erst mal machen – 30 Jahre lang das durchziehen.
Du bist auch auf einem guten Weg dahin. Man hört dich, man sieht dich im Fernsehen – unter anderem als Dalmatiner. Was kommt als nächstes?
Jetzt kommt erst einmal mein Album. Ich weiß aber nicht, was im Sommer passieren wird. Wir haben Shows geplant, aber da werden bestimmt wieder ein paar wegfallen. Den Herbst kann ich noch überhaupt nicht einschätzen, man kann nicht so richtig planen. Aber ich habe einen Lichtblick: 2022 haben wir eine Tour geplant. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie stattfinden wird.
Du bleibst optimistisch?
Ich bin ein realistischer Optimist. So lange es nicht abgesagt ist, glaube ich einfach dran.
>>> Info: Stefanie Heinzmann live
Jazz Rally 2021: 3.7., Düsseldorf (Konzertzelt Burgplatz). Ticket 10 €.
Labyrinth-Tour 2022: 9.4. Dortmund (Warsteiner Music Hall), 10.4. Köln (Carlswerk Victoria). Tickets ab 40 €.
Sing meinen Song – Das Tauschkonzert Live 2022 – Staffel 8: 29.4. Köln (Lanxess Arena). Tickets ab 58 €.