Iserlohn. Die „Höhlenlichter“ sind zurück: Nach pandemiebedingter Pause illuminiert Lichtkünstler Wolfgang Flammersfeld wieder die Iserlohner Dechenhöhle.
Zuerst war Stefan Niggemann sehr skeptisch. Natur und Lichttechnik – wie passt das zusammen? Vor gut elf Jahren kam die Anfrage von Lichtkünstler Wolfgang Flammersfeld, ob seine Installationen Platz in der Iserlohner Dechenhöhle finden könnten.
Erst misstrauisch, sagte Betriebsleiter Niggemann zögerlich zu. „Und dann bin ich geflasht gewesen. Das war eine Atmosphäre wie bei Alice im Wunderland“ – seitdem finden die „Höhlenlicher“ regelmäßig statt. Seit gestern lädt die Veranstaltungsreihe wieder zum Staunen ein.
Flammersfeld ist zurück in Iserlohn
Im vergangenen Jahr musste die Reihe pandemiebedingt pausieren. Was für die Dechenhöhle, deren Tropfsteine Tausende Jahre zum Wachsen benötigen, lediglich ein Wimpernschlag gewesen sein dürfte, traf die Betreiber hart.
„Die Stimmung war am Boden“, resümiert Niggemann, nachdem sie die letzten „Höhlenlichter 2020“ frühzeitig abbauen mussten. Seit vergangenem Sommer darf die Tropfsteinhöhle wieder Besuch empfangen, aktuell unter der 3G-Regel und Maskenpflicht.
Tropfsteine erstrahlen in neuem Licht
„Endlich wieder“, freut sich auch Wolfgang Flammersfeld, der einmal im Jahr seine Lichtinstallationen zwischen den unzähligen Stalaktiten und Stalakmiten errichtet.
Bis die Tropfsteine in einem ganz anderen Licht erstrahlen, ist allerdings „noch einiges zu tun“, mahnt Flammersfeld beim Vorabbesuch am Mittwochmittag. Seit 10 Uhr ist er mit seiner Truppe am Werk, ein Drittel steht.
Schaurig-schön: die „Guardians of Time“
„Das haut alles locker hin“, gibt sich der Künstler optimistisch, während zwei Mitarbeiter die lebensgroßen „Guardians of Time“ aus dem LKW wuchten. Die Kunstwerke des Österreichers Manfred Kielnhofer sind ein Herzstück der diesjährigen Installation und stehen zum ersten Mal in der Dechenhöhle.
„Alles neu“, bestätigt Flammersfeld. Ein Kernthema gibt es nicht. „Es sind Stimmungen, die wir vermitteln“, erklärt er. Der Lichtdesigner hofft auf viele „Ahs“ und „Ohs“.
Kapelle in knallbunten Farben
Und die bekommt er direkt von Stefan Niggemann. Der Betriebsleiter wirft einen ersten Blick auf die fertigen Illuminationen direkt am Eingang. Die Kapelle, wie die Kirchenschiff-artige Formation genannt wird, erstrahlt in knallbunten Lichtern.
Ein Regenbogen mitten in der Höhle! „Das sieht echt klasse aus. Diese ganzen Formationen sind ja natürlich, aber solche Farben kommen in der Natur so natürlich nicht vor.“ Niggemann bewundert die fließenden Übergänge, die perfekt aufeinander abgestimmt zu sein scheinen.
Flammersfeld setzt auf spontane Kunst
Jeder Strahler und Projektor hat, gut geschützt vor den überall lauernden Wassertropfen und der stetigen Luftfeuchte, seinen Platz. Welcher das ist, das entscheidet Flammersfeld häufig spontan. „Ich arbeite am besten unter Druck. Grundsätzlich muss man natürlich einen Plan haben. Aber wir haben zum Beispiel auch viel mehr Material mit, als wir brauchen“, erklärt der Künstler.
Was letztendlich wo hinkommt, dass entscheide er vor Ort. „Dann gehe ich durch die Höhle und sage ‘ja’, ‘nein’, ‘da brauchen wir eine Alternative’.“ Nur das grobe Gerüst steht – wackelt allerdings stetig. „Ich glaube, wir brauchen noch mehr Scheinwerfer“, ruft Flammersfeld einem Techniker zu.
Mosaike und ein 3D-Gesicht
Dabei sind schon so einige in der Dechenhöhle verbaut. Überrascht zeigt sich Stefan Niggemann direkt von der nächsten Illumination. In dem schmalen Gang, der weiter ins Innere der Tropfsteinhöhle führt, werden große runde, sich drehende Mosaike auf die Wand projiziert.
„Das hatten wir auch noch nicht. In der Vergangenheit waren hier eigentlich immer unbewegte Motive. Das ist völlig neu.“ Am Ende des Gangs wartet ein überdimensionales 3D-Gesicht, das sich farblich noch nicht wirklich von den weißen Kalkwände abhebt. „Vielleicht wird es mit UV-Licht beleuchtet?“ Niggemann lässt sich überraschen.
Ein Highlight: Die glitzernden Orgelpfeifen
Ein weiteres Highlight wartet ein paar Schritte weiter, wenn die Sicht auf die Orgel frei wird – Stalaktiten und -miten, die zusammen gewachsen sind und an Orgelpfeifen erinnern, mit ein bisschen Fantasie lässt sich auch eine Hand erkennen, die das Instrument spielt.
„Die Orgel in cremefarben, das ist auch neu.“ Durch das abfließende Wasser glitzern die Pfeifen in verschiedenen Farbtönen. Aber der Schein trügt, noch mischt die hauseigene LED-Beleuchtung mit. Die wird allerdings noch abgestellt – vermutet der Leiter zumindest.
„Alles noch Kraut und Rüben“
Stefan Niggemann kommt eine Idee: „Diese extrem bunten Farben, das wirkt so positiv, fast schon kindlich. Wir hatten es schon mal schwermütiger“ – die Höhlenlichter als Kontrastpunkt in diesen schweren Zeiten? „Ne, ist ja alles noch gar nicht fertig! Jetzt ist erst mal Kraut und Rüben“, erklärt Flammersfeld eilig und werkelt an einer Stahlkonstruktion.
Noch fehlen nahezu alle Video- und Overheadprojektionen, in der Wolfsschlucht sollen bunte Partikel fliegen und auch die angekündigten „Guardians of Time“ stehen noch ein wenig verloren zwischen den Salzsäuren. „Kommt ja noch“, beschwichtigt der Macher. Musik und Geräusche fehlen ebenfalls. „In den ersten Jahren war ich immer nervös, ob alles rechtzeitig steht. Mittlerweile bin ich zuversichtlich“, erklärt Stefan Niggemann.
Die Schönheit liegt im Detail
Es steht: Das Tor zu den Höhlenlichtern öffnete sich pünktlich, und die Tropfsteinhöhle leuchtet und funkelt in allerlei Farben. Nicht nur die großen, eindrucksvollen Projektionen fallen ins Auge. Es sind auch die Details: Wie sich das Licht an den einzelnen Steinen bricht oder wie es durch die noch feinen Gardinen scheint; an den Formationen, die entstehen, wenn das Wasser an einer überhängenden Wand abfließt.
Mit der Dechenhöhle klingt für Wolfgang Flammersfeld die Saison langsam aus. Ein paar Projekte stehen noch an. Am morgigen Sonntag endet das Parkleuchten in der Essener Gruga. Für den Künstler stehen nach Saisonende ein paar „Relaxtage“ an – „und neue Installationen bauen natürlich.“ Stefan Niggemeier überzeugt er davon dann wieder kommendes Jahr.
>>> Info:
Höhlenlichter 2022, noch bis 27.3., Fr-So 16-18.30 Uhr, letzter Einlass 18 Uhr, Dechenhöhle, Dechenhöhle 5, Iserlohn. Eintritt: 9 € (Erw.), 6 € (Kinder).
Der Zugang ist nur im Rahmen einer Führung mit einem Höhlenführer möglich, keine Anmeldung erforderlich, kein Kartenvorverkauf.
Extra-Führung für Fotografen, freitags 18.30-20 Uhr (Anmeldung erforderlich, Preis: 18 €). Info: 02374/71421
Weitere Infos:
www.dechenhoehle.de.