Essen. Patricia Kelly klingt auf ihrem neuen Album „Unbreakable“ sehr international. Dabei singt sie von der Liebe – und verarbeitet ein schweres Jahr.
Schicksalsschläge und Ängste um die Gesundheit sind für Patricia Kelly nichts Neues, doch 2021 war selbst für ihre Verhältnisse hart. Sie verlor ihre Schwester Barby Kelly, musste sich am Fuß operieren lassen und erkrankte erst unlängst – zum zweiten Mal und ziemlich heftig – an Corona. Steffen Rüth sprach mit der 52-Jährigen, die jetzt ihr neues, sehr international nach Celine Dion, Pink oder Kelly Clarkson klingendes Album „Unbreakable“ veröffentlicht hat, darüber, wie sie trotz allem immer wieder die Kraft zum Aufstehen findet, wer ihr Halt gibt und wie es so läuft im Home Office.
Patricia, Du warst im Oktober zum zweiten Mal an Corona erkrankt und musstest sogar ins Krankenhaus. Wie geht es Dir jetzt?
Patricia Kelly: Es wird jeden Tag besser. Ich musste eine Woche lang im Krankenhaus liegen, es ging mir wirklich nicht gut. Ich war genesen und geimpft, und trotzdem hat es mich schlimmer erwischt als beim ersten Mal. Ich brauchte zwar keinen Sauerstoff und musste nicht auf die Intensivstation, aber ich konnte teilweise kaum atmen, hatte Fieber, Schüttelfrost, fürchterlichen Husten. Und als eher ungeduldiger Mensch, der immer in Bewegung ist, fiel es mir schwer, wochenlang wirklich langsam zu machen und mir Ruhe zu gönnen. Aber ich lebe noch, das ist das Wichtigste.
Und jetzt heißt Dein neues Album ausgerechnet „Unbreakable“, also „Unzerbrechlich“.
Ja, ist es nicht ironisch (lacht). Das war natürlich alles lange im Voraus geplant, aber wenn du mit so einer Single rauskommst, während du gerade im Krankenhaus liegst, ist das schon etwas sonderbar. Dabei geht es in dem Lied gar nicht um meine Krankheiten oder meine körperliche Zähigkeit, sondern es geht um die Liebe zwischen meinem Mann Denis und mir. Ich sage „Our love is unbreakable“ – unsere Liebe ist unzerstörbar. Es geht darum, dass die Liebe nicht nur uns beiden, sondern allen Menschen Kraft gibt. Auch in schweren Zeiten. Als ich im Krankenhaus war, durfte ich niemanden sehen, lag total abgeschirmt alleine in meinem Zimmer, aber die Anrufe und Nachrichten von Denis und unseren Söhnen, die haben mir sehr viel Kraft gegeben und mir Mut gemacht.
Das Lied selbst ist sehr episch und erinnert ein bisschen an Celine Dion.
Hey, vielen Dank (lacht). Tatsächlich habe ich „Unbreakable“ zusammen mit Jonas Myrin geschrieben, einem Songwriter und inzwischen guten Freund von mir, der auch häufig für Celine oder Mariah Carey schreibt. Wir haben uns vor ein paar Jahren in Los Angeles kennengelernt, wo er lebt und arbeitet, und seitdem sind wir wie Bruder und Schwester.
Konntest Du zum Songschreiben dieses Mal auch reisen?
Nein, das lief alles übers Internet. „Brave“ zum Beispiel habe ich per Zoom mit den Kanadier Daniel Powter geschrieben, den kennt man noch von seinem Hit „Bad Day“, und er singt das Stück auch mit mir im Duett.
Du singst auf Englisch, Deine Co-Autoren kommen aus Nordamerika und England – wäre eine internationale Karriere für dich spannend?
Mein Ziel ist, Supersongs mit den besten Autorinnen und Autoren zu schreiben. Sollte meine Musik auch in Amerika ankommen, würde mich das sehr freuen, schließlich bin ich ja auch US-Staatsbürgerin und mag das Land sehr. Vor Jahren gab es auch Megaangebote, aber die meisten von uns, ich spreche jetzt auch von der Kelly Family, haben Familie und keine Lust, lange und weit weg von den Kindern zu sein. Und so bin ich eher in Europa unterwegs, damit ich meine Karriere mit dem Privatleben vereinbaren kann.
Du hast deine Kindheit auf Reisen mit Deiner Familie verbracht. Ist es wichtig für Dich, eine Heimat zu haben?
Ja. Meine Heimat ist Europa. Ich spreche vier europäische Sprachen fließend und zwei weitere ganz gut. Ich bin in Spanien geboren, habe amerikanische Eltern, einen irischen Pass, bin mit einem gebürtigen Russen verheiratet und lebe in Deutschland. Ich bin immer ein bisschen das Hippie-Kind von früher geblieben.
Du versprichst in „Unbreakable“, dass du immer an der Seite Deines Mannes stehen wirst – komme, was wolle. Was sagt er eigentlich zu dem Song?
Natürlich freut sich Denis, dass ich ein Liebeslied über ihn geschrieben habe (lacht). Er ist ein bisschen scheu, hält sich lieber im Hintergrund, hat einen wunderbaren Humor und ist alles andere als so ein „Guckt mal, wie toll ich bin“-Typ. Aber er mag den Song, und so viele Liebeslieder habe ich ja auch noch nicht für ihn geschrieben (lacht). Denn wenn man glücklich ist, hat man nicht so das Bedürfnis, darüber zu singen. Dann lebt man das Glück einfach. Und es fällt mir auch schwer, einen Love Song zu schreiben, der nicht schnulzig ist.
Du benutzt für Eure Liebe das Bild eines Diamanten, der nicht kaputtzukriegen und zu brechen ist.
Unsere Liebe ist sehr, sehr stark. Wir haben nicht nur schöne Zeiten erlebt, sondern auch schwere Momente gemeinsam durchgestanden. Es müsste schon viel passieren, um sie zu zerstören.
Ihr habt 2001 geheiratet. Wusstest du von Anfang an, dass Denis der Richtige ist?
Ich war bis zwei Jahre zuvor in einer längeren Beziehung, die auseinandergegangen ist. Mein Herz war noch gebrochen, und ich war auch nicht auf der Suche, als ich Denis traf. Eigentlich dachte ich sogar, ich werde nie wieder jemanden finden. Obwohl ich ein sehr romantischer Mensch bin, bin ich auch sehr realistisch, und anfangs war ich mit ihm sehr vorsichtig. Bis wir geheiratet haben, habe ich mir zwei Jahre Zeit genommen. Doch rückblickend muss ich sagen, war eigentlich spätestens nach einem halben Jahr klar, dass er mein Mann fürs Leben ist. Das Herz wusste längst Bescheid, während der Kopf noch zögerte.
Ging es Deinem Mann ähnlich?
Denis hat mir schon nach ein paar Monaten den Heiratsantrag gemacht (lacht).
Was ist Dir wichtig in eurer Beziehung?
Ehrlichkeit. Dass ich ihm vertrauen kann. Dass ich mich auf ihn verlassen kann. Dass wir offen auch über Probleme sprechen können. Dass wir ein Team sind. Dass er nicht abhaut, wenn es schwierig wird. Überhaupt ist mir Engagement sehr wichtig, und dass man die Beziehung, die Liebe wirklich ernst nimmt. Natürlich auch Treue. Ich denke, ich habe unheimlich viel Glück gehabt – Denis ist ein absolut herzlicher, ein grundguter Mensch.
In „Dreams“ singst Du über deine Mutter, die starb, als du zwölf Jahre alt warst. Hat Deine Mutter Dir wirklich immer gesagt, dass Du keine Angst haben sollst, wie es in dem Songtext heißt?
Ja, das hat sie. Ich habe meinen Eltern sehr viel zu verdanken, und mit meiner Mama hatte ich ein ganz besonderes Verhältnis. Sie ist für mich die wichtigste Person der Welt gewesen, bevor ich meine eigene kleine Familie hatte. Sie hat immer gesagt „Habe keine Angst zu fallen. Und wenn du fällst, dann steh auf und geh weiter“. Ich habe früh gelernt, dass das Leben nicht nur aus schönen Seiten und Triumphen besteht. Man wird enttäuscht, hat Dinge anders erwartet, hat ein Schicksal, leidet an einer Krankheit – das ist das Leben. Wir haben immer wieder Hürden vor uns, doch meine Mutter, so ruhig und liebevoll sie auch gewesen ist, war eine Kämpferin.
Hast Du das Kämpferische von ihr übernommen?
Ja, das habe ich definitiv. Ich bin nicht perfekt, aber eine Kämpferin bin ich allemal. Das habe ich auch jetzt wieder auf der Covid-Station gemerkt. Drei Ärzte standen um mein Bett herum, guckten mich an und sagten, sie seien wirklich baff, dass ich bei so einer hohen Viruslast keinen zusätzlichen Sauerstoff brauchte. „Sie sind wirklich stark und ein Phänomen“, hat einer von ihnen gesagt. Vielleicht lag es zum Teil an meiner Lunge, die durch das Singen eine hohe Leistung bringen kann. So oder so – ich bin ein Stehaufmensch.
Wendest Du Dich Deiner Mutter, in Gedanken oder im Gebet, oft zu?
Ja. Ich spüre sie in meinem Herzen. Auch jetzt im Krankenhaus habe ich ihre Gegenwart sehr deutlich wahrgenommen, als ich sie bat „Mama, bitte hilf mir“. Meine Mutter ist für mich sehr präsent, selbst sie schon vor fast vierzig Jahren gestorben ist. Sie ist mein Schutzengel.
Hattest Du Angst im Krankenhaus? Oder war Dir klar, dass Du heil rauskommst aus der Sache?
Nein, ich hatte große Angst. Man sieht die Bilder, und ich kenne selbst zwei Menschen, die an Corona gestorben sind. Die Ärzte waren auch wirklich sehr ernst und besorgt. Am ersten Tag meinten sie zu mir, ich könnte einen milden Verlauf haben, weil ich geimpft bin. Es könnte aber auch zum Tod führen. Heute bin ich unendlich erleichtert und dankbar, dass es relativ glimpflich ausgegangen ist. Und tatsächlich hat die Corona-Zeit ja auch ihre angenehmen Seiten gehabt.
Mehr Zeit für die Familie? Weniger Stress?
Genau. Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 war eine der schönsten Zeiten mit meiner Familie überhaupt. Unsere Söhne Alex und Iggi waren bei uns, auch Iggis Freundin war da, wir haben uns alle super verstanden. Und was auch sehr schön ist: Denis arbeitet jetzt schon seit eindreiviertel Jahren durchgängig im Home Office. Wir genießen das wirklich massiv, und auch mein Mann ist happy darüber.
Ihr geht euch also nicht auf den Wecker?
Nein. Im Gegenteil. Wir waren beruflich immer beide sehr eingespannt und haben uns immer gewünscht, mehr Zeit zusammen verbringen zu können. Durch Corona ist genau das passiert.
Habt Ihr neue Rituale entwickelt?
Wenn ich da bin, kochen wir gemeinsam und essen zusammen Mittag. So ein Mittagessen unter der Woche, das kannten wir gar nicht. Mein Mann hat immer in der Firma gegessen. Und abends ist er jetzt viel weniger erschöpft, weil er sich die eine Stunde Autofahrt spart. Früher war Denis oft ganz schön platt, wenn er von der Arbeit kam. Und wir gehen nun abends oft noch mit den Hunden spazieren.
Eure Jungs sind beide zuhause ausgezogen, oder?
Richtig. Iggi, der Kleine, ist 18, aber schon sehr selbstständig, sehr unabhängig. Alex ist 20 und hat sich toll entwickelt, er ist sehr viel ruhiger geworden. Vor ein paar Jahren war er ein Wilder, mit Partys, Clubs und so weiter, aber jetzt ist er 20, erwachsener, und studiert BWL wie einst der Papa. Das wilde Leben ist vorbei (lacht). Ich bin sehr dankbar, dass es den beiden gut geht in einer Zeit, in der viele Jugendliche wirklich sehr leiden und unglücklich sind. Und am Wochenende kommen sie immer noch sehr oft nach Hause (lacht).
Iggi hat 2017 schon bei „The Voice Kids“ mitgemacht und hat mit Dir mehrere Songs für Dein Album geschrieben, unter anderem die wirklich fetzige Nummer „Doll“. Wie ist es, mit dem eigenen Sohn zu komponieren?
Absolut großartig. Das war eine spontane Idee, weil eine geplante Songwriting-Kollaboration wegen Corona nicht zustande kommen konnte. Also dachte ich, ich frage einfach Iggi, vielleicht hat er Lust. Ich zeigte ihm meine Idee zu „Doll“, und dann ging es ganz schnell. Mit ihm zu schreiben, hat super viel Spaß gemacht. Nach einer Woche hatten wir fünf Lieder fertig, von denen vier jetzt auf „Unbreakable“ drauf sind. Aber nicht, weil Iggi mein Sohn ist. Sondern weil er ein wahnsinnig kompetenter Songschreiber ist.
Weiß er schon ob er weiter hinter den Kulissen wirken oder lieber selbst auf der Bühne stehen will?
Er will beides. Iggi zieht es auf die Bühne, er hat aber auch schon mehrere Songs für andere geschrieben, vor allem im Dance-Bereich. Im Frühling war sogar ein Titel von ihm in „The Bachelorette“ zu hören.
Na, solange er nicht als Kandidat in der Sendung mitmacht….
Ha! Bestimmt nicht. Er hat seit zweieinhalb Jahren eine feste Freundin (lacht).
Wovon handelt „Doll“. Ist das Lied eine Frauenpowerhymne?
Ja, es geht um Empowerment. Um so ein „Ich lasse mich nicht von jemand anderem kontrollieren“. Man begegnet in der Showbranche so einigen Narzissten, auch ich bin von solchen Bekanntschaften nicht verschont geblieben. Mich faszinieren solche Persönlichkeiten, allerdings nicht auf positive Weise. Ich bin eine erwachsene, selbstständige Frau. Ich brauche keinen Mann, der mir sagt, wo es langgeht.
Siehst Du Dich als Feministin?
Mit dem Begriff tue ich mich etwas schwer. Ich bin sehr feminin und gerne eine Frau. Ich trage häufig Kleider und liebe es, mich zu schminken. Und zugleich bin ich weder naiv noch blöd. Und Gleichberechtigung ist für mich selbstverständlich, da gibt es nichts zu diskutieren. So ist das auch in meiner Ehe. Denis und ich führen seit Anfang an eine Beziehung auf Augenhöhe.
Der ungewöhnlichste Song auf Deinem Album ist „Venga Chica“. Du singst auf der Latin-Pop-Nummer in spanischer Sprache und erinnerst fast ein bisschen an Shakira. Wie kam es zu dem Lied?
Für mich ist „Venga Chica“ eine ganz neue Erfahrung. Ich habe, außer als Kind mit den Kellys, noch nie auf Spanisch gesungen, obwohl ich die ersten sieben, acht Jahre meines Lebens nur Spanisch gesprochen habe. Und jetzt hatte ich einfach Bock darauf. Der Song ist jetzt im Frühling entstanden, in einer der schwierigsten Phasen meines Lebens. Mir ging es innerlich sehr, sehr schlecht. Wir hatten einen großen Verlust erlitten, und ich war zum Songschreiben verabredet mit der großartigen Musikerin und Komponistin Amber van Day. Ich sagte ihr, wir müssen unbedingt ein fröhliches Lied machen, weil ich so schrecklich traurig bin, und dann kam uns die Idee zu „Venga Chica“, auf Deutsch „Komm jetzt, Mädchen“. Das ist so ein klassisches Aufstehlied. Mir hat die Arbeit daran extrem gutgetan.
Klappt das bei Dir immer, dass Musik Deine Stimmung aufhellt?
Ja. Songs zu schreiben, das ist meine tausendprozentig zuverlässige Therapie. Musik ist für mich eines der besten Werkzeuge überhaupt, um das Leben zu überleben (lacht).