Essen. Sänger Tim Bendzko landete mit „Nur noch kurz die Welt retten“ einen Erfolg. Geglaubt hat er daran nicht, wie er im Interview verrät.

Tim Bendzko ist einer dieser Menschen, denen man durchs Telefon anhören kann, wenn sie lächeln. Das sonnige Gemüt steckt an und die warme Stimme das 36-Jährigen vermittelt ganz nebenbei ein wohliges Gefühl. Kein Wunder, dass Tausende Tim Bendzko sofort geglaubt haben, als er „Nur noch kurz die Welt retten wollte“. Der Song war ein Erfolg und machte den blonden Lockenkopf aus Berlin-Köpenick berühmt. Warum es ihm dabei nicht ums Rampenlicht ging, darüber sprach Kirsten Gnoth mit Tim Bendzko. Außerdem verrät er, wie das Leben als Papa läuft und wie ihn die „Altersmilde“ verändert hat.

Viele Menschen haben sich in den letzten Monaten über die sozialen Medien an Sie gewandt. Immerhin wollten Sie „Nur noch kurz die Welt retten”. Steht das Angebot noch?

Tim Bendzko: Das Witzige ist, dass ich das nicht erst seit den letzten anderthalb Jahren gefragt werde, sondern schon, seitdem es diesen Song gibt. Es gab gefühlt in jedem Jahr eine riesige Krise. Ich glaube, man muss sich darauf einstellen, dass immer wieder Krisen kommen werden. Aber wir werden sie auch immer wieder meistern. Die aktuelle Situation ist natürlich fürchterlich. In den Nachrichten sieht es immer so aus, als wären es nur Zahlen, aber es sind echte Menschen, die da leiden. Es sind echt Familien, die Angehörige verlieren. Aber es ist eine unglaubliche Leistung, wie schnell ein Impfstoff gefunden wurde und das nun auch ein Ende in Sicht ist. Aber wenn die Pandemie vorbei ist, kommt die nächste Krise.

Und dann sind sie auch wieder gefragt.

Für den Song ist es ganz gut, dass wir nie krisenfrei sein werden (lacht). Aber der Wunsch, dass immer jemand kommt und alle Probleme löst, ist auch ein Grundproblem in der Menschheit. An der aktuellen Situation sieht man, dass jeder auch selbstverantwortlich ist, seinen Beitrag zu leisten.

Zehn Jahre ist der Hit her. Welche Gefühle verbinden Sie mit der Zeit?

Panik (lacht). Das ist das einzige Wort, das mir einfällt. Gerade so die zwei oder drei Wochen, bevor der Song rauskam. Ich war ganz sicher, dass es jetzt vorbei ist. Seitdem ich elf Jahre alt war, habe ich auf diesen Tag gewartet. Ich war immer überzeugt davon, dass ich Sänger werde und mit Musik meinen Lebensunterhalt bestreite und habe alles auf eine Karte gesetzt. Die Fallhöhe war recht hoch. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie das ein Erfolg werden soll. Es hatte sich gar nicht abgezeichnet. Der Song kam raus, das Gefühl war okay und dann passierte erstmal nichts weiter. In der dritten Woche wurde es dann plötzlich zum Hit und alles war anders.

Da ist Ihnen sicher ein Stein vom Herzen gefallen.

Ein bisschen mehr als einer. Als der Anruf von der Plattenfirma kam – das werde ich nie vergessen – war ich total erkältet. Sie sagte: „Tim, tut uns leid, aber du hast jetzt einen Hit an der Backe.” Das war ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.

Trotz des Erfolgs haben Sie das Rampenlicht gemieden. Warum?

Ich habe schon früh für mich beschlossen, dass ich Sänger werden möchte. Aber ich habe mir auch immer die Frage gestellt, was meine Motivation dahinter ist. Ist die Motivation berühmt zu sein? Dass mir Leute applaudieren und mir sagen, was für ein toller Typ ich bin? Ist es Reichtum? Oder ist es mir ein Grundbedürfnis, Musik zu machen? Musik hat immer etwas Besonderes mit mir gemacht. Ich habe dann gemerkt, dass ich es mache, weil Musik mir wichtig ist und mich erfüllt. Es ging mir nicht darum berühmt zu sein. Mir war es immer wichtig, dass die Musik im Vordergrund steht, wenn man mich im Fernsehen sieht. Ich halte mein Privatleben tatsächlich für so unspektakulär, dass ich auch gar nicht wüsste, was ich davon preisgeben sollte. Die typischen Sehen-und-gesehen-werden-Veranstaltungen sind nicht meins, da fühle ich mich fast ein bisschen unwohl.

Ihre neue Single „Kein Problem” klingt so, als würde Sie an „Nur noch kurz die Welt retten” anknüpfen. Immerhin singen Sie „Kein Problem, wenn die Welt untergeht/Weil ich in meiner eignen leb’”. Wie müssen wir uns Ihre eigene Welt vorstellen?

Man kann den Song auf jeden Fall als eine Art Antwort verstehen – wenn auch eine zugespitzte. Am Ende geht es darum, dass man in Situationen kommt, in denen man sich anpassen muss, weil man ja schon irgendwie dazu gehören möchte. Es ist immer ein schmaler Grat bis man sich verbiegt. Der Protagonist in dem Song stellt sich genau die Frage und beschließt dann, dass es eh nicht seine Welt ist und er sein eigenes Ding machen möchte. Meine eigene Welt zu beschreiben, wäre doch ein bisschen zu komplex (lacht). Aber grundsätzlich ist es so, dass ich nicht alles für gegeben hinnehme. Ich versuche zu gucken, was der beste Weg sein könnte.

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Haben Sie ihren besten Weg schon gefunden?

Nein, das ist auch nicht möglich. Ich habe immer geglaubt, dass ich irgendwann den richtigen Schlüssel für alle Situationen habe – aber das geht nicht. Es ist immer ein Abwägen. Passe ich mich an? Stecke ich zurück? Oder werden hier gerade Grenzen überschritten, die nicht überschritten werden sollten? Allerdings ist mein Selbstvertrauen ein bisschen größer geworden, wenn es darum geht, solche Entscheidungen zu treffen. Ich bin aber auch gleichzeitig nicht mehr so verkrampft, was das angeht, wie ich vielleicht noch vor zehn Jahren war. Bevor wir 100 Jahre über etwas diskutieren, machen wir es lieber einfach. Das ist vielleicht die Altersmilde – mit 36 darf ich das nun sagen.

Das klang im Song noch anders. Da singen Sie „Kann jemand mal mein Glas halten/Während ich aus dem Fenster spring”.

Dass ich diese Formulierung in einem Song benutze, spricht schon für einen großen Entspanntheitsgrad (lacht). Da muss man viel Humor beim Hörer voraussetzen. Aber klar, ich bin oft in Situationen gewesen, in denen ich dachte: „Wie komm ich jetzt hier raus”. Das muss nicht unbedingt eine Party-Situation wie im Song sein. Aber es gab schon sehr oft Situationen, die unendlich fürchterlich für mich waren. Mit zunehmendem Alter kommt man aber besser mit solchen Situationen klar – Smalltalk kann ich mittlerweile.

Eigentlich wollten Sie sich eine längere Auszeit gönnen. Wie kam es trotzdem zu dem Song?

Grundsätzlich habe ich mir die Auszeit auch genommen. Als Selbstständiger ist das ein absoluter Luxus. Doch gerade in den Zeiten der Pandemie hat es sich angeboten, für ein paar Monate nichts zu machen. Das hat jemand, der als Angestellter arbeitet, nicht. Ich bekam eine Anfrage, für ein ziemlich spezielles Projekt einen Song zu schreiben. Ich hatte viele Wochen dafür Zeit und dachte, es sei einfach zu schaffen. War es dann doch nicht. Ich hatte mir eigentlich abgewöhnt, nach 18 Uhr noch arbeiten, das musste ich dann allerdings nun nochmal überdenken. Tagsüber hatte der Nachwuchs ganz klar Vorrang.

Wie ist das Leben als Vater?

Das Leben, an das ich mich gewöhnt hatte, konnte ich erstmal vergessen. Als Selbstständiger bin ich es gewohnt, total flexibel zu sein. Das geht nun nicht mehr. Aber es ist eine Sache, auf die man sich einstellen kann – auch wenn es sich in echt nochmal ein bisschen anders anfühlt. Es ist am Ende das größte Geschenk. Ich bin nun zehn Jahre im Musikgeschäft und ich kann es noch gar nicht glauben, wie viele Erfolge ich feiern durfte. Aber all das ist ein Scherz gegenüber dem Vatersein. Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich hatte mir schon gedacht, dass es sich toll anfühlt. Aber so richtig kann man es erst begreifen, wenn man es erlebt.

Haben Sie denn jetzt mit der neuen Single auch Lust auf ein neues Album bekommen?

Gefühlt arbeitet man als Musiker ja immer an einem neuen Album. Wenn ein Album draußen ist, fängt man einen Tag später mit dem nächsten an. Ich schreibe schon die ganze Zeit Songs dafür und mittlerweile sind auch einige entstanden. Das ist alles eine Frage der Zeit.

Als Sie das Album „Filter” geschrieben haben, sind Sie durch die Welt gereist – vielleicht auch um Inspiration zu bekommen. Woher nehmen Sie die nun?

Ich bin tatsächlich nicht gereist, um mich inspirieren zu lassen. Ich hatte Lust darauf, andere Länder zu sehen. Ich bin ein bisschen durch die Distanz vom Alltag inspiriert worden. Jetzt ist es ähnlich. Mal so lange zuhause und am selben Ort zu sein, das hatte ich ewig nicht. Ich hatte viel Zeit um zu reflektieren.

Sie haben sicher auch Zeit, ein paar EM-Spiele zu schauen und sind selbst begeisterter Fußballfan. Was glauben Sie, wie weit schafft es die deutsche Mannschaft?

Ich denke, man darf sich von den letzten Jahren nicht blenden lassen, weil es kein richtiger Wettkampf war. Am Ende des Tages ist alles eh von der Tagesform abhängig. Ich glaube total, dass mit Mats Hummels und Thomas Müller einiges richtig gemacht wurde. Ich sehe uns total als Überraschungsmannschaft und könnte mir vorstellen, dass wir sogar gewinnen.

Klingt überzeugt.

Ich bin ja nicht nur – wie alle anderen auch – Virologe, sondern auch Bundestrainer. Ich habe das messerscharf analysiert und glaube, dass wir das gewinnen (lacht). Spaß beiseite. Ich sehe das überhaupt nicht verbissen. Ich liebe Fußball und halte mich auch wirklich für einen großen Fußball-Experten, aber wenn wir verlieren, verlieren wir eben. Aber klar, ich gebe während des Spiels auch taktische Anweisungen.

Die wären?

Frei nach Franz Beckenbauer: „Geht’s raus und spielt’s Fußball.” Und macht natürlich Tore. Die Rolle des Underdogs steht uns gut. Rein von der individuellen Stärke müssen wir uns nicht verstecken. Es bleibt nur noch die Frage, ob Jogi es geschafft hat, eine Mannschaft zu formen.

Tim Bendzko live:

„Jetzt bin ich ja hier“-Tour: 15.8.21 Geldern (Waldfreibad Walbeck, ausverkauft), 9.2.22 Köln (Palladium), 17.2.22 Münster (Halle Münsterland), 11.6.22 Geseke (Steinbruch).

Karten gibt es ab ca. 50 € über www.timbendzko.de.