Hamburg. Im Hamburger Mehr!-Theater feierte am Wochenende das Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ Premiere, und war: Bezaubernd!
Soll noch einer sagen, die Deutsche Bahn sei unpünktlich. Mit eineinhalb Jahren Verspätung ist am Wochenende der Hogwarts-Express in Hamburg abgefahren. Nicht am Hauptbahnhof, sondern im Mehr!-Theater am Großmarkt – dem einzigen deutschen Theater, in dem es eine Sitz-Reihe 9 ¾ gibt. Dort feierte „Harry Potter und das verwunschene Kind“ seine wegen Corona mehrfach verschobene Deutschland-Premiere.
Es ist, das einmal vorab, das erfolgreichste Theaterstück der Welt. In England und den USA mit Preisen überschüttet und in Zeiten vor der Pandemie in jeder Vorstellung ausverkauft. Es ist mit geschätzt 42 Millionen Euro Produktionskosten auch das bisher teuerste Bühnenstück, das je in Deutschland zu sehen war. Und wer es sehen will, der hat eine tagesfüllende Aufgabe vor sich. Denn die beiden Teile, die meist hintereinander gezeigt werden, dauern rund fünfeinhalb Stunden. Rechnet man die zweieinhalbstündige Umbau-Pause und frühzeitige Ankunft wegen der Corona-Einlasskontrollen mit ein, kommt man gut und gerne auf insgesamt neun Stunden. Hinein gelassen wird derzeit nur, wer geimpft oder genesen und zusätzlich frisch getestet ist sowie während des gesamten Aufenthalts – außer beim Essen und Trinken – eine Maske trägt.
Die Geschichte schließt an das Ende des siebten „Harry Potter“-Bandes an
Nun aber zur Geschichte. Sie schließt unmittelbar an das Ende des siebten Bandes an, in dem ein erwachsener Harry (Markus Schöttl) seinen jüngsten Sohn zum Bahnhof Kings Cross bringt, um ihn in den Zug nach Hogwarts zu setzen. Albus Severus Potter (Vincent Lang) heißt das Kind, benannt nach zwei Legenden der Zauberschule. Da ahnt man schon schon, dass dieser Junge es schwer haben wird, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Und als ihn der sprechende Hut statt nach Gryffindor nach Slytherin schickt und er sich ausgerechnet mit Scorpius Malfoy (Mathias Reiser), dem Sohn des Erzfeindes anfreundet, wird die Sache auch nicht einfacher.
Das weitere Geschehen, ist viel zu komplex, um es an dieser Stelle zu erzählen. Zudem hat Frau Rowling auch gebeten, nicht zu viel von der Handlung zu verraten. Deshalb nur so viel: Es geht um Söhne, die ihren Vätern nicht gehorchen, um Vätern, die ihre Söhne enttäuschen, um politische Gefahren und existenzielle Ängste. Es geht um Freundschaft und um Liebe. Alte Feinde tauchen wieder auf, neue kommen hinzu. Man sieht Duelle, hört Flüche und Zaubersprüche – erlebt überhaupt ganz viel Magie. Und im Mittelpunkt steht ein Artefakt, mit dem man in die Vergangenheit reisen kann. Was, wie man spätestens seit „Zurück in die Zukunft“ weiß, die Gegenwart schwer durcheinanderbringen kann.
Beeindruckend ist, wie diese Geschichte auf der gigantischen Bühne umgesetzt wird. Da bewegen sich fortwährend Treppen, sprechen Bilder und Darsteller verwandeln sich vor den Augen des Publikums in andere Figuren. Dementoren fliegen über die Köpfe des Publikums, Zauberstäbe speien Feuer und wohl noch nie zuvor hat ein Theaterstück so geschickt mit Licht und Schatten gespielt. Präzise arbeitende Technik trifft auf Taschenspielergeschick und nichts davon wirkt auch nur ansatzweise billig. Manchen Trick erahnt man, andere lassen einen mit offenem Mund staunen.
Man bekommt etwas zu sehen, was so noch auf keiner anderen Bühne zu sehen war
Dennoch gehen die Schauspieler nicht unter in diesem Effekt-Gewitter. Ganz im Gegenteil. Ob Harry, sein alter Kumpel Ron Weasley (Sebastian Witt) oder Draco Malfoy (Alan Hodzovic), sie alle könnten tatsächlich die erwachsenen Versionen ihrer Jugend-Figuren sein. Nur Hermine Granger (Jillian Anthony) ist – wie bei den Produktionen in England und der USA – dunkelhäutig. Auch der Zauber-Nachwuchs hält mühelos mit. Albus und sein neuer Freund Scorpius brauchen nur wenige Minuten, um sich in die Herzen des Publikums zu spielen.
Bevor Sie jetzt vielleicht fragen: Ja, echte Muggels, die noch nie zu Gast waren in Hogwarts, werden vielleicht nicht jede Anspielung in diesem Stück verstehen. Nein, ein wirkliches Problem, der Story zu folgen, ist das nicht. Wer beide Teile erleben will, ist mindestens mit 150 Euro dabei. Keine Frage, das ist viel Geld. Aber dafür bekommt man etwas zu sehen, was so noch auf keiner anderen Bühne zu sehen war. Und so schnell auch auf keiner anderen zu sehen sein wird.
Karten: www.harry-potter-theater.de