Bochum. Bochums neuer GMD Tung-Chieh Chuang lässt „Visionary Architects“ in der Jahrhunderthalle hören – ein nur bedingt überzeugendes Triennale-Projekt.

Aufregende Tage für Tung-Chieh Chuang, den neuen Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker. Wenige Tage vor seinem offiziellen Antrittskonzert präsentierte er sich im Rahmen der Ruhrtriennale mit einem besonderen Format. „Visionary Architects“: Der Titel dieses Konzerts in der Bochumer Jahrhunderthalle versprach allerdings mehr als es einlösen konnte. Drei Werke von Edgar Varèse, Iannis Xenakis und Anton Bruckner wurden mit der legendären Architektur des von Le Corbusier 1958 für die Brüsseler Weltausstellung entworfenen und danach wieder abgebauten Philipps-Pavillon in Verbindung gebracht.

Werke von Edgar Varèse, Iannis Xenakis und Anton Bruckner

Eine Verbindung, die sich allerdings nur im Fall des „Poème électronique“ von Edgar Varèse überzeugend herstellen ließ. Die rein elektronischen Originaltonbänder, die Varèse für den damaligen Anlass realisierte, richtete der Sound-Designer Kees Tazelaar geschickt für die schachtelförmige Architektur der Jahrhunderthalle ein. Die Effekte, die die bizarre Bauweise des Philipps-Pavillons ermöglichten, sind zwar unwiederbringlich verloren. Aber Tazelaar gelang doch eine spannende und effektvolle Raumklang-Komposition. Damit wurde immerhin der architektonische Aspekt des Programms getroffen.

Das lässt sich von Iannis Xenakis‘ vier Jahre vor der Weltausstellung entstandenem Orchesterwerk „Metastaseis“, mit dem die Bochumer Symphoniker in das Konzert eingriffen, nicht sagen. Xenakis, selbst auch als Architekt ausgebildet, fächert den Orchesterklang nach komplizierten Berechnungen in drei Schichten auf, die zwar raffiniert ausgeführt werden, für den Hörer aber nur schwer nachvollziehbar sind. Gerade für die unbegrenzten klanglichen Möglichkeiten der riesigen Jahrhunderthalle gäbe es dankbarere Stücke, um die Verknüpfung von Raum und Klang effektvoll hörbar machen zu können.

Tung-Chieh Chuang stellt formale Strukturen sehr klar heraus

Den größten Raum des Konzerts nahm ohnehin Anton Bruckners Zweite Symphonie ein. Bruckners Symphonien werden zwar oft als „klingende Kathedralen“ bezeichnet, was sich sowohl auf die Ausdehnung der Sätze als auch auf die in den Himmel ragende Entfaltung und Steigerung der Klangschichten beziehen lässt. Allerdings nimmt sich gerade die Zweite Symphonie unter diesen Aspekten eher bescheiden aus. Tung-Chieh Chuang legt großen Wert darauf, die formale Struktur der Sätze klar herauszustellen. Allerdings überdehnt er die Generalpausen zwischen den Satzteilen so sehr, dass sowohl der formale Zusammenhalt der Sätze als auch die Energie für druckvolle Steigerungen der in diesem Werk ohnehin wenigen dynamischen Höhepunkte verloren gehen. Von einem inspirierten Spannungsbogen kann so nicht die Rede sein.

Hier präsentierte sich Bruckners Werk weniger als Kathedrale denn als „symphonische Riesenschlange“, wie Eduard Hanslick Bruckners Symphonien despektierlich bezeichnete. Dass die Jahrhunderthalle keine Oase für klangliche Feinheiten bietet, steht auf einem anderen Blatt. Man darf also gespannt sein auf das Antrittskonzert des neuen Bochumer Musikchefs mit einem anderen Programm in anderer Umgebung.

Viel Beifall für ein interessant gedachtes, aber nur bedingt überzeugendes Konzert.