Essen. Comedian Kaya Yanar hatte eine schwierige Kindheit. Nach zahlreichen Therapie-Stunden kann er auf der Bühne darüber scherzen.

Seit 20 Jahren ist Kaya Yanar im Geschäft. Den Durchbruch feierte der Comedian mit der Sat1-Sendung „Was guckst du?“, in der er in verschiedene Rollen schlüpfte. Figuren wie Türsteher Hakan, Reinigungskraft Ranjid mit seiner Kuh Benytha und Fahrlehrer Kelal Yildirim haben die weite Welt des Humors im Sturm erobert. Warum gerade Ranjid für Diskussionsstoff sorgte, mit wem Kaya Yanar am liebsten Computerspiele zockt und wieso Lachen eben doch die beste Medizin ist, darüber sprach der 48-jährige Frankfurter mit Kirsten Gnoth.

Ihr neues Programm trägt den Titel „Fluch der Familie“. Ist ihre eigene Familie eher Fluch oder Segen?

Kaya Yanar: Die Familie, in die ich hineingeboren wurden, war eher ein Fluch. Das hört sich hart an, aber es war einfach unnötig schwierig und das ärgert mich besonders. Wir hatten es gut. Wir sind in Deutschland aufgewachsen – einem sicheren Land mit Krankenversorgung und kostenloser Bildung. Trotzdem war mein Vater nie zufrieden und das hat er die Familie spüren lassen. Er wurde auch gewalttätig der ganzen Familie gegenüber und es gab ständig Streit. Meine Kindheit hat keinen Spaß gemacht. Wir hätten ein angenehmes und harmonisches Leben leben können und das wurde zerstört, weil ein gewisser Mensch Probleme hatte. In den letzten 48 Jahren hat sich das aber sehr zum Positiven gewandelt und deshalb kann ich heute auch Comedy darüber machen.

Was machen Sie als Vater anders?

Ich bin einfach präsent. Mein Vater hat sich nie richtig interessiert. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, warum er Kinder bekommen hat. Er war nie wirklich da und auch das war unnötig – denn die Zeit hätte er gehabt, nur den Willen nicht. Er hätte nicht mit mir Fußballspielen müssen, er hätte einfach nur zuschauen müssen. Und das mache ich bei meinem Sohn anders. Gut, er ist erst zwei Jahre, aber auch jetzt merke ich schon, dass Präsenz wichtig ist.

Sind Sie etwa ein Helikopter-Vater?

Sicherlich habe ich solche Anflüge. So wie ich das verstehe, sind es Eltern, die immer dabei sein wollen und nicht loslassen können. Bis zu einem gewissen Grad finde ich das gut. Es ist für mich eine Sorgfaltspflicht.

Was würden Sie sagen, wenn Ihr Sohn selbst Comedian werden möchte?

Wenn er das probieren möchte, würde ich ihn unterstützen. Denn auf dem Gebiet habe ich Expertise. Das ist nicht bei vielen Dingen so – ich bin eher ein Fachidiot. Vielleicht hat er Talent, aber vielleicht auch nicht und dann muss er sich das erarbeiten. Es kann aber auch sein, dass er in eine ganz andere Richtung gehen möchte. Das wäre dann auch ok. Aber ich sag mal: Komiker zu sein, ist nicht der schlechteste Beruf. Es ist schön, wenn Leute mich sehen und grinsen, anstatt mit Eiern zu werfen.

Was wäre, wenn Sie von heute auf morgen Ihren Humor verlieren würden?

Oh, das wäre schrecklich. Mein Humor hat mich durch meine schlimme Kindheit gebracht. Er hat mich mental überleben lassen. Humor finde ich besonders wichtig, wenn es einem schlecht geht. Als Komiker bedeutet es mir viel, wenn ich jemanden aus einem Loch holen kann. Das gibt mir eine innere Befriedigung – eben, weil es mir selbst auch so ging. Klar, die Comedy hat meine Probleme damals nicht gelöst, aber ich hatte dadurch eine Verschnaufpause.

Ihr Vater ist zu Beginn ihrer Karriere verstorben. War das schwierig für Sie?

Sehr. Ich habe meinen Vater geliebt, obwohl es schwierig mit ihm war. Das ist ja das Bescheuerte. Man liebt seine Eltern bedingungslos. Man gibt ihnen eine Chance nach der anderen, weil es die einzigen Eltern sind, die man hat. Biologisch gesehen. Als ich dann ordentliches Geld verdient habe, habe ich versucht, meinem Vater zu helfen. Ich wollte, dass er glücklich ist und dann ist er verstorben.

Wie haben Sie den Tod des Vaters und die schwierige Kindheit überwunden?

Das waren viele Stunden Therapie – ob es nun mit einem Therapeuten war oder mit meiner Frau. Sie musste sich die letzten zehn Jahre viel anhören. Aber sie hat das so geduldig und liebevoll gemacht. Sie hat Dinge klargesehen, weil sie in einer schönen Kindheit aufgewachsen ist. So konnte sie sehen, was bei uns in der Familie nicht gestimmt hat. Meine Frau hat vieles aufgedeckt.

Kommen wir wieder zu Ihrem Programm. Das lag coronabedingt nun einige Zeit in der Schublade. Haben Sie es angepasst?

Ich passe ständig an. Das mache ich mit allen Programmen so. Comedy ist keine exakte Wissenschaft und sie ist auch nicht statisch. Ein Programm ist organisch. Selbst nach dem 200. Auftritt ist es noch nicht fertig, weil mir dann wieder spontan Dinge einfallen. Selbst nach 20 Jahren auf der Bühne, kann ich alte Nummern immer noch weiter verbessern. Man kann ewig an Nummern feilen. Als Künstler finde ich es spannend, dass nie eine Nummer ausgespielt ist.

Sie haben sich aber auch ein zweites Standbein erarbeitet und sind spielen auf YouTube Videospiele. Wie kam es zu Ihrem YouTube-Kanal?

Ich werde auch außerhalb meiner Tour für Dinge gebucht. Und so habe ich beim Deutschen Computerspielepreis moderiert. Ich habe nur in einem Nebensatz erwähnt, dass ich gerne zocke. Einige Spiele-Herausgeber sind auf mich zugekommen und wir haben gemeinsam was gemacht. Die Szene fand die Mischung aus Comedy und Gaming interessant. So kam eins zum anderen. Ich habe vor Corona angefangen und hatte mehr Glück als Verstand, als der Lockdown dann kam. Nach zwei oder drei Streams war ich gefesselt von dieser Welt. Weil die Leute nicht mehr meine Shows gucken konnten, haben sie meinen Kanal geschaut. Es war ein toller Einstieg. Ich spiele nicht nur, sondern quatsche auch total viel.

Sie spielen mit jüngeren YouTubern wie Gnu zusammen, aber auch mit Kollegen wie Paul Panzer. Wer ist der bessere Mitspieler oder die bessere Mitspielerin?

Das ist schwer. Mit Paul macht es am meisten Spaß – auch, weil er seit Jahren ein guter Freund von mir ist. Aber was die Technik und das Spielen angeht, ist es sperrig mit ihm (lacht). Man hat mit ihm nicht viel vom Game, aber man hat die Lacher. Gnu ist viel versierter beim Spielen. Aber Paul ist eben Paul. Er ist einzigartig. Insgeheim hoffe ich immer, dass er mit dem Spiel nicht zurechtkommt und sich dann aufregt. Aber auch Gnu, Rezo und Julien Bam sind klasse Typen. Ich habe einen riesigen Respekt vor Menschen, die aus dem Nichts so einen YouTube-Kanal aufbauen und bei Null starten. Außerdem verbindet das Spielen Menschen über große Distanzen. Ich sitze in Zürich und Paul in Köln. Aber wir spielen gemeinsam.

Wenn das Touren mehr wird, hängen Sie das Streamen an den Nagel?

Nein, auf keinen Fall. Es macht mir so viel Spaß. Es hat auch den Vorteil, dass ich in der Nähe meiner Familie sein kann. Das Gaming-Studio ist nur wenige Autominuten entfernt. Außerdem ist es ein eigener Fernsehsender – mein eigener Fernsehsender. So gern ich das Fernsehen auch mag, aber ich bin bekannt dafür, mit Produzenten, Regisseuren und Sendern zu diskutieren. Künstler-Ego halt. Beim Streamen kann sich mein Künstler-Ego voll austoben. Ich bin Regisseur und Produzent in einem und muss meine künstlerische Freiheit nicht aufgeben.

Künstlerische Freiheit ist ein ganz guter Punkt. Jetzt mit der #MeToo-Bewegung oder der Querdenkerecke. Passt man da besser auf, was man sagt?

Ja, sicherlich. Man wird sensibilisiert. Aber wenn ich sehe, was auf Social Media passiert und auch Kollegen passiert ist, finde ich das sehr unangenehm. Ich habe kein Problem mit konstruktiver Kritik, aber teilweise wird nur Hass ins Netz geschüttet. Ich weiß nicht, was Menschen antreibt, solche fürchterlichen Dinge zu schreiben. Da leiden viele Kollegen drunter. Als Künstler möchte man sich ausdrücken – auch auf die Gefahr hin, dass es nicht überall gut ankommt. Bei manchen Dingen gibt es vermutlich zurecht negative Reaktionen, aber man kann doch vernünftig miteinander darüber sprechen. Als Beispiel: Letztes Jahr hat die Figur Ranjid eine Diskussion ums Black- bzw. Brown-facing erreicht. Dabei fand er kaum noch statt. Aber es macht keinen Sinn mit Weißen darüber zu sprechen, ob ich einen Inder spielen darf. Ich habe dann eine Diskussion auf Facebook gestellt, wollte aber überwiegend Inder hören. Denn nur die können letztlich auch nur darüber entscheiden. Und die meisten fanden sie lustig. Danach war das Thema für mich erledigt und die anderen konnten einpacken.

Cancel Culture ist ein aktueller Begriff.

Ja, man muss aber auch einen zeitlichen Kontext sehen. Wenn wir in zehn Jahren auf dieses Jahr zurückblicken, werden wir auch Dinge finden, die nicht mehr in Ordnung sind. Aber dann muss es eher einen Hinweis auf den zeitlichen Kontext geben und das Ganze nicht einfach wortlos streichen. Man kann einen Zeitgeist nicht canceln. Aber man kann Dinge erklären und sagen, dass es damals so in Ordnung war.

Kaya Yanar live:

Termine: 3.3. Essen (Grugahalle), 6.3. Dortmund (Westfalenhalle 2), 10.3. Hagen (Stadthalle), 11.3. Siegen (Siegerlandhalle), 20.+21.4. Mönchengladbach (Das Rote Krokodil im Kunstwerk), 12.5. Bochum (Ruhrcongress), 13.5. Düsseldorf (Mitsubishi Electric Halle), 24.5. Münster (Halle Münsterland), 28.9.+29.6. Wuppertal (Historische Stadthalle), 21.10. Oberhausen (Luise-Albertz-Halle).

Karten ab ca. 36 € gibt es u.a. über www.ruhrticket.de