Essen. Das Ruhrgebiet wird nicht zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Experten-Jury empfahl der federführenden Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur in Dortmund, die Pläne „aktiv weiter zu entwickeln“. Doch warum genau scheiterte das Ruhrgebiet bei der Bewerbung? Eine Analyse.

Der Traum des Ruhrgebiets, rings um die Essener Zeche Zollverein fast flächendeckend zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt zu werden, ist vorerst ausgeträumt. Die Fachleute der Kultusministerkonferenz haben den Antrag des Landes NRW in der vergangenen Woche zurückgewiesen, weil das Revier zwischen der Dortmunder Zeche Zollern und dem Duisburger Landschaftspark Nord zu viel vom Gleichen zum Weltkulturerbe erheben lassen wollte.

Die Experten-Jury formulierte es allerdings etwas freundlicher, indem sie der federführenden Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur in Dortmund empfahl, die Pläne „mit Blick auf eine Konzentration der besonderen prägenden Stätten und Objekte aktiv weiter zu entwickeln“.

Es war zu viel vom Gleichen, zu viel vom Ähnlichen. Und das wahrscheinlich noch größere Manko: In und zwischen den erhalten gebliebenen Industrieruinen sind kaum noch irgendwo Arbeitsprozesse und Zusammenhänge zu erkennen, wie sie typisch waren für die Produktionsweise der Montanindustrie.

Es gab keinen Masterplan

Hier rächt sich, dass es nie einen echten Masterplan für die Erhaltung von Industriekultur im gesamten Ruhrgebiet gab. Erhalten blieb fast nur, was zufällig noch nicht abgerissen war, als 1989 die Internationale Bauausstellung Emscherpark begann, deren Chef Karl Ganser die Parole „Lieber verfallen lassen als Abreißen“ ausgab.

Eine heutige Ikone wie der Oberhausener Gasometer wäre um ein Haar dem Erdboden gleichgemacht worden. Viele andere Monumente aber hat dieses Schicksal ereilt, zuletzt noch im März 2012, als der  imposante Verladekran „Krummer Hund“ am Rhein-Herne-Kanalhafen in Wanne-Eickel demontiert wurde, obwohl er schon zum Denkmal erklärt worden war.

Gewichten und Entscheiden

Dafür gibt es auf der Welterbe-Vorschlagsliste mit der Henrichshütte in Hattingen und dem Hochofen im Duisburger Landschaftspark Nord gleich zwei Stahlwerke, mit Eisenheim in Oberhausen und der Margarethenhöhe in Essen zwei Vorzeige-Siedlungen, mit Zollern II/IV in Dortmund, der Zeche Nachtigall in Witten, der Zeche Hannover in Bochum, Zeche Carl in Essen und der Zeche Prosper in Bottrop etliche Dreingaben zur Welterbe-Zeche Zollverein.

Die Überfrachtung der Welterbe-Kandidatur mit zu vielem geht  zum einen zurück auf das Argument der Masse, das im Revier der Tonnen-Ideologie immer noch zieht. Zum anderen liegt sie an der unüberschaubar großen Zahl der Beteiligten, die alle ihre Interessen durchsetzen möchten: Neben den 53 kirchturmstolzen Revierkommunen, die über den Regionalverband Ruhr beteiligt sind, kommen auch noch die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe hinzu, die Emschergenossenschaft und die RAG. Zwischen all diesen Mitspielern muss die federführende Stiftung Industriedenkmalpflege vermitteln, statt Entscheidungen zu treffen, auszuwählen, abzulehnen.

Vermarktunsinteressen im Vordergrund?

Und schließlich macht der NRW-Anlauf, das Ruhrgebiet über weite Flächen hinweg zum Unesco-Welterbe erklären zu lassen, den fatalen Eindruck, dass er in erster Linie getragen ist vom Interesse der touristischen Vermarktung – und eben nicht von der denkmalgeschichtlichen Expertise. Bei den  Begründungen, warum dieses und jenes Industrie-Monument dazugehören soll, dürfte es sich im Einzelfall um wortreiche Bemäntelungen des nackten Vermarktungsinteresses handeln.

Dem zufällig erhalten gebliebenen Eisenbahn-Trajektturm Duisburg-Homberg etwa fehlt das nötige Gegenstück, der  Hebeturm am Eisenbahnbassin auf der anderen Rheinseite in Ruhrort. Der wurde 1971 schon abgerissen, und die angebliche Baufälligkeit, die seinerzeit als Vorwand diente, zweifelten viele Zeitzeugen an. 

Jetzt aber muss es im Ruhrgebiet doch noch ans verhasste Gewichten, Entscheiden und Ausschließen gehen. Sonst ist der Traum endgültig ausgeträumt.