München. Das Museum Bern ist rechtmäßiger Erbe des Gurlitt-Nachlass'. Uta Werner kann jedoch Widerspruch einlegen - und wird dies wahrscheinlich auch tun.
Eigentlich hat das Kunstmuseum Bern alles vorbereitet, was es vorzubereiten gibt. Eine Forschungsstelle zur Sammlung von Cornelius Gurlitt steht seit Monaten in den Startlöchern, doch zum Forschen gibt es in Bern bislang nichts. Zwar ist der Tod des Kunstsammlers inzwischen schon beinahe ein Jahr her und fast ebenso lange ist bekannt, dass der alte Mann seine millionenschwere Sammlung in seinem Testament dem Kunstmuseum Bern vermacht hat.
Erst nahm sich das Museum rund ein halbes Jahr Zeit, um zu entscheiden, ob es das Erbe antreten will und just in dem Moment, als die Entscheidung publik wurde, machte eine Cousine von Gurlitt dem Museum und der Bundesrepublik Deutschland, die eine ausgeklügelte Vereinbarung mit Bern unterzeichnete, einen Strich durch die Rechnung. Sie selbst erhob Ansprüche auf die millionenschwere Sammlung. Ihre Begründung: Cousin Cornelius war nicht bei Sinnen, als er seinen letzten Willen verfasste.
Gutachten spricht Gurlitt freien Willen ab
Grundlage für diese Annahme ist ein Gutachten, das der Jurist und Psychiater Helmut Hausner verfasst hat - allerdings ohne Gurlitt selbst jemals persönlich begegnet zu sein. Trotzdem kommt er zu einem ziemlich klaren Ergebnis: "Cornelius Gurlitt litt bei der Errichtung des Testaments vom 09.01.2014 an einer leichtgradigen Demenz, einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer Wahnhaften Störung", schreibt er in seinem Gutachten. Sein Fazit also: Gurlitt sei nicht mehr zu einem freien Willen in der Lage gewesen.
Die Gründe für dieses Urteil hat Hausner aus Dokumenten und Gesprächen mit Leuten, die Gurlitt kannten, zusammengesammelt. Schon im Jahr 1962 beklagte Gurlitts Mutter demnach in einem Brief den "beängstigenden Verfolgungswahn" ihres Sohnes und fragte ihn direkt: "Wo liegt denn der Ursprung Deiner Wahnvorstellungen?"
Empört über Beschlagnahmung der Bilder
Gurlitts Cousin und Bruder von Uta Werner, Dietrich Gurlitt, der in der gesetzlichen Erbfolge ebenfalls erbberechtigt gewesen wäre, hat diese Spekulationen stets zurückgewiesen und selbst keinen Anspruch auf das Erbe erhoben. "Über die Beschlagnahme seiner Bilder war er so empört, dass er kein deutsches Museum auswählte. Das alles ist nicht paranoid, sondern konsequent und verständlich", sagte er, als das Gutachten öffentlich wurde.
25 Kunstwerke aus Gurlitt-Fundus
Ähnlich sieht das wohl auch das Amtsgericht München. "Das Gericht hält das Testament von Cornelius Gurlitt, in dem er das Kunstmuseum Bern zum Alleinerben eingesetzt hat, für wirksam", hieß es in einer Mitteilung. "Dem Einwand der Cousine, dass der Erblasser Cornelius Gurlitt zum Zeitpunkt der Testamentserstellung testierunfähig gewesen sei, folgte das Gericht nicht."
Rechtsstreit noch nicht endgültig beigelegt
Einen Erbschein bekommt das Museum erstmal aber trotzdem noch nicht. Einen Monat hat Uta Werner nun Zeit, Widerspruch gegen die Gerichtsentscheidung einzulegen. In einer Mitteilung ihres Sprechers ließ sie anklingen, dass das gar nicht so unwahrscheinlich ist: Das Gericht stütze seine Begründung ausschließlich auf die Interpretation zweier vorliegender psychiatrischer Gutachten über den Kunstsammler Gurlitt, hieß es in darin. "Es hat im Amtsermittlungsverfahren sowohl auf die Vernehmung von Zeugen, eine Beweiserhebung als auch auf ein eigenes Gutachten verzichtet." Wenn das Kunstmuseum Bern Pech hat, könnte der Rechtsstreit um das Testament des alten Mannes also noch weitergehen.
Egal aber, wie diese Auseinandersetzung vor Gericht ausgeht: Die Familie von Uta Werner, die stets betonte, der Rückgabe von Nazi-Raubkunst nicht im Wege zu stehen, will weitere Geschäftsunterlagen von Gurlitts Vater Hildebrand, einem der Kunsthändler Adolf Hitlers, ins Internet stellen, die in seinem Haus in Salzburg gefunden wurden. "Conny-Leaks" heißt das Projekt intern.
Immerhin ein Kapitel abgeschlossen
Die Taskforce Schwabinger Kunstfund, die sich um die Aufarbeitung der möglichen Nazi-Raubkunst-Fälle in der Sammlung kümmert, hat bislang nur die Unterlagen ins Netz gestellt, die in Gurlitts Münchner Wohnung sichergestellt wurden. Rund 1280 Kunstwerke wurden 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung gefunden, 238 weitere erst zwei Jahre später in seinem Haus in Salzburg. Kritik kommt unter anderem von den Grünen im bayerischen Landtag, die Expertenkommission unter Ingeborg Berggreen-Merkel habe die Salzburger Unterlagen nicht angefordert, wies ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Freitag zurück.
Von all diesen großen und kleinen Streitigkeiten unbehelligt dürfte aber ein ganz wichtiges Kapitel im unendlichen Fall Gurlitt nun zu einem guten Ende kommen: Grütters hat die Rückgabevereinbarung für zwei Raubkunst-Bilder, die "Sitzende Frau" von Henri Matisse und "Zwei Reiter am Strand" von Max Liebermann unterzeichnet - und Gurlitts Nachlassverwalter glaubt, dass die Übergabe möglicherweise schon im April stattfinden kann. Der Anwalt Stephan Brock sagte: "Wenn ich die Genehmigung des Amtsgerichts habe, geht es ganz schnell." (dpa)