Oberhausen..
Auch „Simply Red“ nutzen die Verwertungsdynamik des angekündigten Abgangs, um Konten und Hallen zu füllen – zum Beispiel in Oberhausen. Mick Hucknall war da wohl am wenigsten sentimental, 10.000 Fans waren zum Feiern fest entschlossen.
Sag zum Abschied lange Servus: Seit vor einer ganzen Weile bekannt wurde, dass die britische Pop-Institution Simply Red vor der Auflösung steht, reiht sich Abschiedskonzert an Abschiedskonzert, türmt sich Best of-Mitschnitt auf Greatest Hit-Album. Sänger Mick Hucknall macht eben, was derzeit alle in die Jahre gekommenen Kollegen tun: Er nutzt die Verwertungsdynamik eines angekündigten Abgangs noch einmal, um Hallen und Konten noch einmal zu füllen.
Und so waren denn all jene, die nichts gegen ein paar knackige Bläsersätze und funkige Basssoli haben, solange die Melodien schön tanzbar sind, zu Rotschopfs offiziellem Ausstand gekommen; in die rappelvolle Arena Oberhausen am Dienstag und Mittwochabend in die Kölner Arena, um mit Hucknall geradezu frenetisch Abschied zu feiern. Ein Abend voller persönlicher Erinnerungen und letzter Lieder. „Eure Musik ist ein Teil meines Lebens“, hat jemand auf ein Plakat gepinnt.
Related contentSo lange wie Simply Red hat manche in den 80ern geschlossene Ehe nicht gehalten
Wobei längst feststeht, dass Hucknall auf Solopfaden weiter wandeln wird und nicht beabsichtigt, seine Zeit künftig mit Tontaubenschießen oder Politik zu verbringen, wie er auch schon mal androhte. Und was, bitteschön, war Simply Red eigentlich außer Frontmann Hucknall? Eine Truppe erlesener, aber wechselnder Musiker, deren Namen kaum jemand kannte.
Aber so lange wie Simply Red, nämlich 25 Jahre, hat manche in den Achtzigern geschlossene Ehe nicht gehalten. Und deshalb darf man am Ende doch mal ein bisschen nostalgisch werden und per Videozeitreise gemeinsam zurückdenken - an Bumbumboris und Kinderpflegerin Diana, an Gorbatschow und Mauerfall und einen jungen, frechen Rotschopf, der forsch in die Kamera guckt und verrät, ,bester Sänger“ werden zu wollen. So ganz hat’s mit dem Titel nicht geklappt, aber etliche Pop-Perlen wurden binnen 25 Jahren dann doch gehoben, auf mehr als 50 Millionen verkauften Alben, von samtigen Balladen bis zum verlässlichen Tanzflächen-Füller „Something Got Me Started“, den man sich als schmissigen Konzertauftakt immer vorstellen könnte.
Hucknall ist mit fast 50 Jahren auch ein wenig salonlöwig geworden
Aber Hucknall, der alte Rotfuchs, dessen Stimme die Exzesse vergangener Jahre erstaunlich wenig zugesetzt haben, ist mit fast 50 Jahren auch ein wenig salonlöwig geworden und beginnt das Programm recht gesetzt. Mit dem zirpenden Ohrenschmeichler „Your Mirror“ und „Thrill Me“, zwei Hits aus den frühen 90ern, die allerdings weder den Einsatz von Wunderkerzen noch von Hüftschwüngen wirklich rechtfertigen. Und so dämmert der Abend zunächst ein wenig dahin in seliger Rückschau, obschon die zum Feiern fest entschlossenen Zehntausend nur darauf warten, aufstehen und mitsingen zu können: Rot-Weiß Rotkehlchen.
Und dann geht es schließlich doch Hit auf Hit, wie immer so perfekt, gefällig und originalgetreu interpretiert, wie man es zum Abschied auch nicht mehr anders erwarten konnte: „Come To My Aid“, „Holding Back The Years“ „The Right Thing“, „Fairground“ und natürlich „Money’s Too Tight To Mention“, was bei einem Musikmillionär, der Diamanten zeitweise lieber im Gebiss statt an den Händen trug, freilich immer etwas fragwürdig klingt. Überhaupt gehörte Hucknall, der sich weder in großen melancholischen Dankesworten noch in tränenfeuchten Abschiedsreden verlor, vielleicht zu den Unsentimentalsten des Abends. Simply Red ist tot. Jetzt lebt eben Bühnenkönig Hucknall.