Hater aufgepasst! Jetzt schlägt Komikerin Nicole Jäger zurück - und hört dabei auf ihr „inneres Arschloch“. So geht sie mit Internet-Spacken um.

Haben Sie inzwischen eine neue Klobrille?

Nicole Jäger (lacht): Ja, habe ich. Danke der Nachfrage. Als mein Ex-Mann damals ausgezogen ist, hatte er die alte mitgenommen. Geile Einstiegsfrage!

Gar nicht geil: die Urteile im Netz, die Sie als öffentliche Person über sich lesen müssen. Passiert das auf offener Straße eigentlich auch?

Nee, Gottseidank nicht. Es ist ein absolutes Internet-Phänomen. Ja, es gibt auch Body-Shaming in freier Wildbahn. Das ganz Radikale ist aber tatsächlich dieses typische ganz feige hinter einer Tastatur, vorzugsweise anonymem Profil Verstecken.

Ein echtes Leben ohne Instagram-Filter

Hässlichkeit ungeahnten Ausmaßes?

Am Anfang habe ich es unterschätzt. Ich meine, wie tragisch kann Comedy sein? Es gibt aber 5000 Gründe, mich zu haten. Weil ich eine Frau bin, weil ich dick bin… Aber was soll’s, Hater hauen einem die Klick-Rate hoch, alles gut.

Gibt es gute böse Gags oder nur verschiedene Stufen des Schmerzes?

Manchmal muss ich lachen, wenn ich sehe: Hey, Deine Beleidigung ist nicht nur frauenfeindlich, sie ist auch noch rassistisch. Manches ist aber wirklich witzig.

Und wird dann gleich im Programm verwurstet?

Es geht um emotionale, psychische Gesundheit – aber auch ganz einfach um ein Herzinfarktrisiko. Nicole Jäger (37), hier im Westdeutschen Tumorzentrum des Universitätsklinikum Essen, hat von 340 Kilo auf unter 170 abgenommen.
Es geht um emotionale, psychische Gesundheit – aber auch ganz einfach um ein Herzinfarktrisiko. Nicole Jäger (37), hier im Westdeutschen Tumorzentrum des Universitätsklinikum Essen, hat von 340 Kilo auf unter 170 abgenommen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Nee, soweit lasse ich die Spinner jetzt auch nicht. Dass es so kreativ ist, kommt leider nur alle drei Jahre einmal.

Was entgegnen Sie den Hatern?

Man kann sich Ewigkeiten darüber aufregen oder man ignoriert die Spacken einfach weg. Nehmt doch die Zeit und die Energie, die ihr damit verballert, und packt sie in den Weltfrieden oder rettet Robben.

Haben Sie keine verletzliche Seite?

Die ist immer da. Ich bin nicht kugelsicher – auch wenn ich in der Öffentlichkeit stehe. Weil ich eine große Angriffsfläche biete, kann man mich sogar gut treffen. Gewicht steht ja nicht für ein dickes Fell, sondern für das genaue Gegenteil.

Sie haben sich von vormals 340 Kilo mehr als halbiert. Durch das Abnehmen pulverisieren Sie doch Ihr Alleinstellungsmerkmal als ikonografische Bühnenfigur, oder?

Sie sind ja bezaubernd. Ich bin doch nicht normal, ich bin immer noch eine große dicke Frau und habe auch nicht vor, nochmal 80 Kilo zu verlieren. Glauben Sie mir, in diesem Leben wird aus mir wohl kein Reh mehr.

Sie hören in Ihrem neuen Programm auf Ihr „inneres Arschloch“. Was heißt das?

Sich selbst zu akzeptieren, ein echter Mensch zu sein und nicht immer nur Fassade, ohne Instagram-Filter, die hässlichen Aspekte zu akzeptieren. Es geht auch um die humorvolle Sicht von Liebeskummer bis zum Tod.

Mario-Barth-mäßig gefragt: Unterscheiden sich die inneren Arschlöcher von Männern und Frauen?

Man sagt, Männer gehen eher mit ihren Themen raus, Frauen bleiben eher in sich gekehrt – aber beide hören die gleiche Stimme im Hinterkopf.

Gewicht ist ja auch nicht nur ein Thema der Ästhetik, sondern auch der Gesundheit.

Es geht um die Thematik des Sich-Annehmens. Das ist natürlich so gesehen emotionale, psychische Gesundheit.

Wie passt das mit Ihrem Lieblingsdrink Gin-Tonic zusammen?

„Ich habe keine Lust auf Diskriminierung“: Nicole Jäger hilft Frauen, Vertrauen in sich selbst zu verschaffen.
„Ich habe keine Lust auf Diskriminierung“: Nicole Jäger hilft Frauen, Vertrauen in sich selbst zu verschaffen. © Unbekannt | Veranstalter

Hervorragend. Gin-Tonic ist extrem gut gegen Malaria.

Haha. Wie passend auch übrigens, dass die Glitzer-Kauputzenjacke in Ihrem Online-Shop bis 5XL angeboten wird...

Muss. Ich habe keine Lust auf Diskriminierung. Frauen, die nur die Hälfte von mir sind, sagen mir, seit sie mich gesehen haben, trauen sie sich, auch mal ein Kleid zu tragen. Oder Strumpfhosen. Das schafft Vertrauen in sich selber.

Diskriminierung fängt da an, hat Harald Schmidt mal gesagt, wo keine Witze über Randgruppen gemacht werden.

Stimmt. Das Leben ist manchmal echt scheiße – lass uns drüber lachen! Wenn sonst nichts mehr geht, lachen geht immer. Von wegen, die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Humor stirbt zuletzt.

Nicole Jäger geht mit ihrer Stand-Up-Comedy „Prinzessin Arschloch“ 2020 auf Tour. Premiere ist am 16. Januar 2020 in der Kaue Gelsenkirchen auf (Tickets ab 27,50 Euro).

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