Wuppertal. Das Museum Von der Heydt in Wuppertal erinnert an Maler Jean Gigoux (1806-1894) und präsentiert seine umfängliche Kunstsammlung. Denn sein Vermögen legte der Kenner vorzugsweise in Kunst an. Sein Ziel: eine enzyklopädische Sammlung der bedeutendsten Künstler seit der Renaissance.

Es müssen nicht immer die Väter der Moderne sein: In Wuppertal ist jetzt ein vorzüglicher Maler zu entdecken, der einmal ein Star einer Epoche war, die man irgendwann schrecklich altmodisch fand und die heute fast vergessen ist.

Da gibt es nämlich eine bedeutende französische Kunstsammlung jenseits von Paris zu bestaunen, die einst sogar der Kunsträuberhauptmann Hermann Göring und seine braunen Beutemacher übersahen; und darum sind nun gut 100 Werke von weltbedeutenden Künstlern zwischen Renaissance und Romantik zu bewundern – gesammelt von einem Künstler: Gemälde und Grafiken von Dürer, Tizian, Bellini, Rubens, Rembrandt, Goya... Die Rede ist von der Sammlung Gigoux und der Kunstausstellung „Von Cranach bis Géricault“, die bis zum 23. Februar im Museum Von der Heydt zu sehen ist.

Gigoux? Jean Gigoux (1806-1894), Sohn eines Hufschmieds in Besançon, eitel, selbstbewusst, streitbar, ausgebildet an der École des Beaux-Arts in Paris, belesen, clever und zunächst als Grafiker ein Pfund. Schon bei seiner ersten Teilnahme am berühmten Pariser Salon, dem staatlich gelenkten Kunstjahresgroßereignis im Paris des 19. Jahrhunderts, gelang dem wildbärtigen 26-jährigen Nobody, wovon die später so gefeierten Rebellen von Barbizon und Co. nur träumen konnten: Auf Anhieb wurde 1832 eines seiner Ölbilder mit der Teilnahme am Salon geadelt. Von da an zeigte der Mann aus der Provinz fast jährlich seine Bilder im strahlenden Salon; 1835 erhielt er gar für ein Bild die Goldmedaille und wurde damit auf einen Schlag zur nationalen Berühmtheit und zum gemachten Mann. Der Salon war eine Art Cologne zum Quadrat und Neo Rauch nicht der erste Shootingstar der Kunstgeschichte...

Eine enzyklopädische Sammlung

Nicht nur nebenher verdiente der glückliche Gigoux aufgrund seiner nun blendenden Kontakte zu Staat und Upperclass mit Grundstücks-Spekulationen ein Vermögen, das er vorzugsweise in Kunst anlegte. Sein Ziel: eine enzyklopädische Sammlung der bedeutendsten Künstler zwischen Renaissance und (seiner) Gegenwart für das Museum seiner Heimatstadt. Und er kaufte mit Künstler-Kennerblick: halb seiner Nase folgend, halb der Kasse und dem Kanon: Cranach, Dürer, Goya, die großen Niederländer, Venezianer und Florentiner, aber auch seine Zeitgenossen von David bis Delacroix, das Feinste vom Feinen...

In Wuppertal lassen sich nun etliche Tiepolos bewundern, neben filigranen Mantegna-Zeichnungen, Historien- und Genrebildern; besonders beeindruckt ein schöner Männerkopf von Bernadino Licino (1489-1565), der mühelos in unser Jahrhundert blickt; es lohnt sich ebenso, Zeit zu finden für die dramatischen biblischen Szenen von Tintoretto, aber auch für geniale Tierstudien von Théodore Géricault und köstliche Fingerübungen wie den bruchlandenden Pegasus von Eugène Delacroix.

Wuppertal ist stolz auf den Coup

Die größte Entdeckung ist vielleicht nicht diese exquisite Sammlung, sondern jener vergessene Salon-Maler Jean Gigoux selbst. Nachdem es die letzten 50 Jahre in Besançon aufgerollt im Archiv verbracht hatte, ist – neben anderen – sein Pariser Goldmedaillen-Gemälde von 1835, „Die letzten Momente im Leben von Leonardo da Vinci“, restauriert in Wuppertal zu bewundern. Ein großes, ein großartiges Bild: Wir sehen auf gut 20 Quadratmetern einen greisen Leonardo vor der letzten Beichte. Und noch nach 200 Jahren wissen wir nicht, ob das Genie vor dem sinistren Beichtvater auf die Füße gerissen oder auf die Knie gezwungen wird. Ein Seelenschlachtgemälde, gemalt von einem jungen Meister, der sich unbescheiden in einer der Randfiguren selbst verewigt hat: Jean Gigoux aus Besançon.

Nein, es müssen nicht immer die Väter, Onkel und Tanten der Moderne sein. Große Kunst verdient jenseits aktueller Moden, Märkte und Avantgarde-Fixierung unsere Wertschätzung. Der umtriebige Museumschef Gerhard Finckh gibt sich wenig Mühe, seinen Stolz auf den neuerlichen großen Wuppertaler Coup nach „Rubens 2012“ zu verbergen. Recht hat er.