Düsseldorf. Ein Hollywoodstar an der Staffelei: Armin Mueller-Stahl zeigt seine „Übermalungen eines Drehbuchs” im NRW-Forum. Denn Block und Zeichenstift gehören zu seinem Leben.
Es gibt nicht viele Talente, die der Ausnahme-Künstler Armin Mueller-Stahl der Welt bislang verbergen konnte. Als Theater-Mime von Rang hat er in der damaligen DDR Erfolge gefeiert. Als Filmstar hat er in Hollywood Karriere gemacht. Selbst eine Laufbahn als Konzertgeiger wäre möglich gewesen. Ausgerechnet seine längste Liaison mit den Musen wurde erst spät publik: die Malerei.
Dabei hat die Liebe früh angefangen. Mit drei Jahren, in der Küche seiner Großmutter, die ihn gemalt hat. Links der Kochlöffel, rechts der Pinsel. Als dem kleinen Armin zu langweilig wurde beim Modellstehen, „da hab' ich zurückgemalt”. Seitdem gehören Block und Zeichenstift zu seinem Leben.
Erinnerungen und Abschiede
Er malt Menschenbilder und Lebenslinien, Erinnerungen und Abschiede, er malt figürlich und abstrakt, derb-expressiv und hauchzart, er malt sich „die Knoten von der Seele.” Wie das aussieht, kann man ab heute im Düsseldorfer NRW-Forum sehen. Ein „Geschenk” des Landes NRW an das Universalgenie, so Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. Wobei der Eigennutz nicht minder groß sein dürfte.
Die „Übermalungen eines Drehbuchs” dokumentieren mit 357 Blättern die Dreharbeiten zu Heinrich Breloers opulenter Roman-Verfilmung „Die Buddenbrooks” vom vergangenen Winter. 173 davon zeigt nun das NRW-Forum. „Fräulein Tony, bleiben Sie einen Moment so!” heißt es da im Textbuch. Und Mueller-Stahl hat darüber kräftige Aquarellfarben aufs Papier geworfen, als hätte das kokette Buddenbrook-Mädchen für ihren Galan Grünlich den prächtigsten Putz angelegt.
Ein leiseweises Lebenserfahrungs-Lächeln
„Man kann die Drehbuchseiten wegschmeißen oder sie vollzeichnen mit Gefühlen”, erklärt der 78-Jährige seine Übermalungen, die nach Drehschluss immer auch ein Abschied von der Arbeit sind. „Als ich jetzt in die Ausstellung kam, hatte ich die Bilder schon wieder vergessen”, lächelt Mueller-Stahl sein leiseweises Lebenserfahrungs-Lächeln, das viel erzählt von dem Mann, der nach 25 Jahren hochdekorierter DDR-Theaterarbeit zu spüren bekam, wie schnell man zur unerwünschten Person werden kann, aus dem Bewusstsein und den Archiven getilgt. Über diese Erfahrung hat Mueller-Stahl später ein Bild gemalt, „Sechs Stühle”, die für die Hoffnung standen, nach der Lektüre der Stasi-Unterlagen noch sechs Freunde aus der alten DDR zu finden. Am Ende blieben vier. Jetzt ist das Stuhl-Bild an den Seiten übermalt.
So erweist sich die Schau als Schlüssel zu sehr persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen. „Als ich während des Krieges mit 14 auf der Flucht zwei Wochen lang in einer Ruine zubringen musste, da fand ich ein verkohltes Buch, das hatte nur noch einen Mittelteil. Den Anfang und den Schluss musste ich erfinden. Dass müssen Sie jetzt mit den Bildern machen”, lautet seine Einladung ans Publikum.
Regisseur, Gaukler und Erfinder in einer Person
Steht das wüste Schwarz für einen verkorksten Drehtag, den der Maler Mueller-Stahl dem Schauspieler von der Seele zeichnete? Was an erster Stelle kommt, weiß der 78-Jährige selbst nicht mehr so genau. Noch ist er im Wort für ein weiteres Filmprojekt, aber der Wunsch, Regisseur seines eigenen Schaffensprozesses zu sein, wird stärker. Beim Film produziere man „doch häufig in die Luft hinein” – „vor der Staffelei bin ich alles: Regisseur, Gaukler und Erfinder in einer Person”.
Und selbst in der betriebsamen Hektik zwischen wuselnden Fotografen und Fernsehkameras wird klar, dass hier nicht nur ein großer Schauspieler und Maler, sondern auch ein wunderbarer Erzähler steht, dessen balsamisch wirkender Stimme selbst Weltstars erliegen. Bei den Dreharbeiten zu Dan Browns „Illuminati” habe ihm Tom Hanks einmal so intensiv zugehört, dass er sich nebenher die Schuhe falsch herum angezogen habe, erinnert sich Mueller-Stahl. Beim Erzählen lässt er die Hände hochfliegen, die nicht stillhalten können. Nur zum Malen kommen sie an diesem Morgen nicht, sie müssen Dutzende Autogrammwünsche erfüllen.
Bis 27. September, NRW-Forum Kultur und Wirtschaft, Ehrenhof 2.