Petersburg..

Bestseller-Autor Ken Follett beginnt mit dem neuen Werk „Sturz der Titanen“ eine Trilogie über das 20. Jahrhundert - das „dramatischste, gewalttätigste, folgenreichste Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit“, wie er meint.

An Bord der Aurora, die friedlich an der Newa vor Anker liegt, geht es zu wie auf allen berühmten Museumsschiffen. Jede Menge digital hochgerüsteter Touristen, ein paar Brocken Spanisch, Französisch, Schwedisch, Sprachfetzen, die sich beim besten Willen nicht zuordnen lassen, die obligatorische Groß-Gruppe aus China... Doch dann fängt Ken Follett
an zu erzählen, und plötzlich glaubt man ihn wieder deutlich zu hören, den vielleicht folgenschwersten Schuss der Weltgeschichte. Am 25. Oktober 1917, um 21.40 Uhr, gab der Panzerkreuzer mit seiner Bordkanone das Signal zum Sturm auf den Winterpalast – sozusagen die Initialzündung der Oktoberrevolution.

Einer der Bolschewiken, die an diesem Tag verzweifelt auf die Ankunft der von Kronstadt zur Unterstützung aufgebrochenen Aurora gewartet haben, ist Grigori Peschkow. Der ehemalige Metallarbeiter, der es zum Mitglied des Leningrader Sowjets und engen Vertrauten von Trotzki und Lenin gebracht hat, gehört zu den Protagonisten in Ken Folletts neuem Roman „Sturz der Titanen“, der heute weltweit erscheint.

Drei Mal Mittelalter war vorerst genug

Jetzt geht es um das 20. Jahrhundert, das für ihn „dramatischste, gewalttätigste, folgenreichste Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit“. Er meint: die revolutionären politischen und sozialen Veränderungen, den mühsamen und Kampf um die Rechte der Frauen, den Niedergang der Aristokratie, das erwachende Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft und das Erstarken der Gewerkschaften, das Aufblühen sozialistischer und sozialdemokratischer Bewegungen, die (in England) Gründung der Labour Party... „Es waren ganz gewöhnliche Leute, die unsere Welt grundlegend verändert haben.“

Regisseur und Produzent Ridley Scott hat sich die Filmrechte gesichert

Meisterhaft verknüpft Follett in „Sturz der Titanen“ das Schicksal einer deutsch-österreichischen Diplomatenfamilie, einer befreundeten englischen Adelsfamilie, einer Bergarbeiterfamilie aus Wales, eines ungleichen russischen Brüderpaares und eines amerikanischen Diplomaten zwischen 1914 (Attentat von Sarajewo) und 1924. Nun herrscht an Büchern, auch erzählenden, über die ersten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts kein Mangel, weshalb, gesteht Folletts Agent Albert Zuckerman freimütig, anfangs durchaus Bedenken gegen „noch einen Weltkriegsroman“ bestanden.

Dass Follett alle Einwände ignoriert hat, erweist sich als Glückfall. Daten, Fakten, Ereignisse, akribisch recherchiert und von Experten überprüft, bilden nur einen Teil einer Folie, auf der sich das grandiose Panorama einer Epoche entfaltet. „Die Charaktere der Menschen, ihre starken Emotionen und Obsessionen sind wichtiger als die Geschichte“, sagt er. Der „Sturz der Titanen“ spürt, am Schicksal der liebevoll gezeichneten Protagonisten, den auf den ersten Blick unbedeutenden Momenten nach, die sich im Rückblick als Wendepunkte darstellen. „Niemand“, sagt Follett, „wollte den Krieg. Nicht nur die einfachen Menschen, die am meisten darunter litten – die Kapitalisten, die Imperialisten, die europäischen Staatsoberhäupter, alle waren dagegen. Jeder traf nur eine kleine Entscheidung nach der anderen, und jede Entscheidung war ein weiterer Schritt in Richtung Krieg.“

Dem „Sturz der Titanen“, an dem der britische Filmregisseur und Produzent Ridley Scott bereits die Rechte erworben hat, werden zwei weitere Romane folgen, die das Schicksal der Familien fortschreiben. Ken Folletts Generationen-Saga, als Trilogie angelegt, soll 1989, mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion, enden.


Ken Follett: Sturz der Titanen. Lübbe, 1022 Seiten, 28 Euro