Recklinghausen.. Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ bei den Ruhrfestspielen zeigt die große Schauspielerin in einer bildersatten Inszenierung. Nina Hoss spielt die kalte Hedda, unfähig zur Liebe ebenso wie zu simpler Sympathie. Begeisterter Beifall für diese Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin.
In ihrem letzten Kinofilm „Gold“, ab Mitte August in den Kinos, quält sich Nina Hoss zur Goldrauschzeit auf dem Pferderücken quer durch die Wildnis. Ihre Reitkünste kann man jetzt auf der Bühne bewundern: In Stefan Puchers Inszenierung von Henrik Ibsens „Hedda Gabler“, mit der nun die Ruhrfestspiele in Recklinghausen eröffnet wurden, sieht man sie in einer träumerischen Filmsequenz als taffe Frau in einer Westernstadt, die vom hohen Ross aus die drei Männer in ihrem Leben mit den Pistolen ihres Vaters erlegt.
Das ist nur das konsequente Wunschdenken einer berechnenden Frau, die in ihrer Langeweile vergeblich versucht hat, die Menschen um sich herum zu manipulieren. Dies hier ist das letzte Aufbäumen einer glücklosen Puppenspielerin, anrührend auch, weil die Szene unterlegt wird mit „ForNo-One“, dem wunderbar passenden Trauergesang der Beatles, gesungen von Heddas Opfern: „And in her eyesyouseenothing…“
Henrik Ibsens Stück gehört zu den großen Zeitlosen des Theaters, weil menschliche Gefühle nun mal nicht veralten. Hedda, unfähig zur Liebe ebenso wie zu simpler Sympathie, hat sich in einem Akt des Masochismus ausgerechnet in die Ehe mit dem blassen Kunsthistoriker Tesman (Felix Goeser) gestürzt. Eine sich über ein halbes Jahr hinziehende Hochzeitsreise hat sie als Tortur erlebt, nun gebärdet sie sich daheim als zynisches Luxusweibchen, das über die Leere in ihrem Leben klagt, dabei aber wie erstarrt in Sesseln und Sofas verharrt.
Pucher steht mit seiner Lust auf theatralische Stilmittel der Antriebslähmung seiner Protagonistin denkbar konträr gegenüber. Kühler Smalltalk ist seine Sache nicht, bei ihm müssen Bilder sprechen und möglichst unterhaltsam sein, weshalb er die Figuren Ibsens auch gleich klar festlegt.
Nachtfalter und Diva zugleich
Die Hedda von Nina Hoss wirkt in ihrer düsteren Kleidung mit den riesigen Puffärmeln anfangs wie ein Nachtfalter, später erinnert sie mal mit passend onduliertem Haar an eine Diva der Dreißiger, mit transparenter Chiffonbluse auch mal an ein Gewächs der Siebziger. Tesman hingegen kommt den ganzen Abend über aus seinen Hausanzügen und Pantoffeln nicht heraus.
Wie die Menschen hier erscheinen, das hat auch mit den Räumen im opulenten Bühnenbild von Barbara Ehnes zu tun. Das Heim der Tesmans wird per Drehbühne förmlich aufgeblättert und durchschreitet die Epochen. Muffige nordische Blockhütte des späten 19. Jahrhunderts ist es nur von außen, innen warten ein kühl und karg eingerichtetes Sechzigerjahre-Wohnzimmer, ein an Disco-Zeiten erinnernder knallbunter Kunststoffraum sowie ein Tonstudio, wo die Akteure sich zur Session treffen. Der Amtsgerichtsrat Brack (Bernd Moss) streift beim Betreten des Hauses den kleinen Beamten ab und wird zum schmierigen Erpresser. Frau Elvstedt (Anita Vulesica), die als geborener Schmarotzer die Männer als Wirtstiere braucht, erzählt im gleichen Zimmer derart verzückt von ihrem Glück, dass am Ende nur noch Singen weiterhilft.
Ihre Sticheleien, ihre Intrigen
Man merkt sehr schnell, dass Pucher für seine Art des Ibsen-Entertainments jedes theatralische Mittel recht ist. Und hätte er keine so dominierende Aktrice wie Nina Hoss, das Stück könnte gelegentlich Gefahr laufen, sich dabei selbst zu verlieren. Sie aber hält dieses Gefüge zusammen mit ihrer Präsenz, ihren Sticheleien, ihren Intrigen – und ihrer Lustlosigkeit.
Und wie die Hoss den Selbstmord ihres einstigen Verehrers Lövborg (Alexander Khuon) freudig erregt als Erlösung aus der Lethargie begreift („Endlich, eine Tat!“), das lässt nicht kalt. Lang anhaltender, begeisterter Applaus.
Weitere Spieltermine: 6. und 7. Mai 2013
Karten: Ruhrfestspiele und Telefon: (02361) 9218-0