Essen. Die Preisträger des Deutschen Jugendliteraturpreises: In welches Buch sollten Kinder und Jugendliche einen Blick werfen? Wir geben Tipps.
Die Gewinnertitel des Deutschen Jugendliteraturpreises sind gute Geschenkideen. Aber nicht jedes Buch eignet sich für jedes Kind. Wir haben uns die diesjährigen Preisträger angeschaut. Welches Buch ist für wen festtagstauglich?
Gleich eine ganze Reihe ist zum „besten Bilderbuch“ gekürt worden
Nicht nur ein Band, gleich eine ganze Reihe ist dieses Jahr zum „besten Bilderbuch“ prämiert worden: „Dreieck Quadrat Kreis“ – Mac Barnett, der bekannt ist für die lustige Kinderbuchserie „Miles & Niles“, widmet jeder Form eine eigene Geschichte. Am Ende stellt er dem kleinen Zuhörer stets eine Frage wie diese: „Wenn du die Augen schließt, was für eine Form stellst du dir vor?“ So setzen die Kinder die Geschichte in ihrer Fantasie fort.
Die Buch-Reihe besticht durch die Illustrationen von Jon Klassen, der den schlichten Formen etwas Menschliches verleiht: Wie sie etwa mit großen Augen ängstlich zum Höhleneingang hinter dem Wasserfall schauen, weil dahinter das Dunkle lauert. Und nicht nur das.
Jedes der drei Bücher steht für sich – und doch hängen alle Geschichten zusammen. Das gefällt nicht nur künftigen Mathematikern. Wer nicht gleich den ganzen Schuber für 45 € kaufen und sich stattdessen für einen der drei Titel (je 15 €) entscheiden möchte, dem sei „Kreis“ ans Herz gelegt. Der traut sich ins Dunkle (Aus dem Englischen von Thomas Bodmer, NordSüd, 136 S., ab 5).
Ein wunderbares Geschwisterbuch ist das „beste Kinderbuch“ des Jahres
„So war es andauernd: Sie ging mir auf die Nerven und ich fand sie toll, beides.“ Das denkt der zehnjährige Alfred über seine zwei Jahre jüngere Schwester Katinka. Und dann ist da noch der siebenjährige Robbie. „Es stimmt nicht, dass er behindert ist oder zurückgeblieben. Er ist nur anders.“ Zusammen sind sie die Bukowskis.
Viel Geld haben die Eltern der Geschwister nicht, aber da sie eher zufällig ein kleines Kind retten, erhalten sie zum Dankeschön eine Saisonkarte für das Freibad – und damit beginnt ein besonderer Sommer mit geteilten Pommes, Ängsten auf dem Zehnmeterbrett und Erfolgen beim Schwimmenlernen.
Will Gmehling ist mit „Freibad – Ein ganzer Sommer unter dem Himmel“ ein wunderbares Geschwisterbuch gelungen über das Glück in der Gemeinschaft, über Hürden des Lebens und über das Anderssein als Bereicherung. Das Ganze ist nicht plump-pädagogisch, sondern gut erzählt in kurzen, nicht zu anspruchsvollen Sätzen. Eine schöne Geschichte, die viele Jungen wie Mädchen mögen werden (Peter Hammer, 160 S., 14 €, ab 9).
Das beste Sachbuch erzählt von den Wundern der Antarktis
Es ist „nur“ eine Eiswüste – und doch so bedeutend für den Rest unseres Planeten: „A wie Antarktis. Ansichten vom anderen Ende der Welt“, heißt das großartige Sachbuch von David Böhm. Er schreibt über Expeditionen, Tiere wie Robben und Pinguine, Meeresströmungen, Eisberge – und seine eigene Reise in die Antarktis. Der Autor und Illustrator vermittelt Wissen sehr anschaulich und unterhaltsam, auf wunderschönen, teils ausklappbaren Seiten. Er stellt viele Fragen, die Kinder – und auch Erwachsene – einladen, sich ihre eigenen Gedanken über diesen fremd wirkenden Kontinenten zu machen, der das Wetter auf der ganzen Erdkugel beeinflusst. Ein Buch, das man immer wieder gern in die Hand nimmt, um darin zu versinken (Aus dem Tschechischen von Lena Dorn, Karl Rauch, 22 €, 76 S., ab 8).
Ein Jugendbuch-Tipp von der Nominierungsliste erzählt, was Heimat bedeutet
Lucie Schmurrer braucht Geld, um endlich von dem komischen Freund der Mutter wegzukommen. Als aus dem Gassi-Gehen-Job mit einem Hund bei einem verrückten Alten nichts wird, bleibt die fast 13-Jährige trotzdem in seiner Wohnung, um mit ihm ein geheimes Kochbuch zu verfassen. Das bringt nicht nur Geld, sondern auch das Rezept für einen Liebesketchuptrank, den aber nicht nur ein Junge probiert... „Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte“ von Dita Zipfel ist das Jugendbuch des Jahres. Rán Flygenring hat das Buch illustriert. Schon andere preisgekrönte Bücher hat sie bildstark umgesetzt, etwa „Maulina Schmitt“ und „Frerk, der Zwerg“ von Finn-Ole Heinrich.
Es ist ein gutes Buch, voller Humor und Fantasie. Und wer so etwas mag, wird es lieben. Aber wird diese Geschichte wirklich viele Jugendliche erreichen? Die Charaktere sind arg skurril (Hanser, 208 S., 15 €, ab 12). Da lohnt sich ein Blick auf die Nominierungsliste für das beste Jugendbuch: Etwa „Elektrische Fische“ von Susan Kreller, sehr schön geschrieben, über Heimat und was das eigentlich bedeutet. Das bewegt auch viele Jugendliche (Carlsen, 192 S., 15 €, ab 12).
Der Preis der Jugendjury geht an die US-Autorin Sarah Crossan
Wer ein Buch schenken möchte, das nicht nur aus Erwachsenen-Sicht bereichernd ist, sondern auch wirklich viele junge Leser begeistert, der ist bei dieser Kategorie richtig. Hier wählen Jugendliche ihren Favoriten des Jahres selbst aus. Dieses Mal: „Wer ist Edward Moon?“ von Sarah Crossan. Die Autorin erzählt die Geschichte des Jungen Joe in den USA, dessen älterer Bruder Edward des Mordes an einen Polizisten beschuldigt – und zum Tode verurteilt wird. „Drei Jahre, bevor man ihn für alt genug hielt, ein Bier in einer Bar zu bestellen.“ Joe muss ohne seinen Bruder groß werden, reist schließlich mit 17 Jahren in die Nähe des Gefängnisses in Texas, um Edward vor seiner Hinrichtung zu besuchen. Immer mit der Hoffnung, das Ganze noch zu verhindern.
Wie schon bei Sarah Crossans wunderbarem Erstling „Die Sprache des Wassers“ erinnert auch dieses Buch auf den ersten Blick an einen Gedichtband. Aber die Autorin reimt nicht, sie lässt unnötige Wörter weg, um mit wenigen noch viel mehr zu sagen. Sie berührt den Leser zutiefst, wirft Fragen auf über Strafe und Vergebung. Sie zeigt, wie sehr Vorurteile den Blick vernebeln und wie Familien von Verurteilten ebenfalls Opfer werden. Dieses Buch stimmt sehr nachdenklich (Aus dem Englischen von Cordula Setsman, Mixtvision, 357 S., 17 €, ab 14).
Neue Talente werden geehrt – so wie die Hamburgerin Rieke Patwardhan
Der Jugendliteraturpreis fördert mittlerweile auch Nachwuchsautoren. Rieke Patwardhan wird so für ihr Kinderbuch geehrt: „Forschungsgruppe Erbsensuppe oder wie wir Omas großem Geheimnis auf die Spur kamen“. Nils, Evi und „die Neue in der Klasse“ Lina, die mit ihrem Vater aus Syrien geflüchtet ist, schließen sich zu einer Bande zusammen. Sie wollen herausfinden, warum Nils‘ Oma plötzlich einen riesigen Vorrat an Erbsensuppe anlegt. Ständig schaut sie auf den Fernseher und verfolgt die Nachrichten über den Krieg in Syrien.
Die Autorin lässt spüren, was es heißt, die Heimat zu verlieren, fliehen zu müssen, neu anzukommen. Der Hamburgerin ist ein Buch gelungen, das mithilft, Vorurteile abzubauen – und zugleich junge Mädchen und Jungen gut unterhält. Sie schreibt kindgemäß, ohne zu verstören (Illustriert von Regina Kehn, Knesebeck, 144 S., 13 €, ab 8).