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Man muss schon lange Rockstar sein, um den Mut zu haben, ein Album mit 30 Jahre alten Songs zu veröffentlichen: Bruce Springsteens „The Promise“ wird mit echtem Pathos und falscher Patina wohl ein Standardwerk für Studenten der Springsteenologie.

Bruce Springsteen. Foto: Frank Stefanko © Sony Music
Bruce Springsteen. Foto: Frank Stefanko © Sony Music © Unbekannt | Unbekannt

Ein immerwährendes Jetzt: Das hat der Rock’n’Roll versprochen. Sagt Bruce Springsteen, der am Freitag das Doppelalbum „The Promise“ mit 21 Songs veröffentlicht, die mehr als 30 Jahre alt sind. Und von denen einige nach Klassikern klingen. Es ist die Platte, die nach „Born to Run“ und vor „Darkness on the Edge of Town“ hätte erscheinen können, Songs, die entstanden, als der junge Bruce und seine E Street Band ein Jahr im Studio verbrachten und rund 70 Stücke aufnahmen, von denen zehn düster genug waren für „Darkness“.

Verdunkelt hatte sich die Stimmung relativ bald nach dem grandiosen Durchbruch mit „Born to Run“ 1975: Springsteen lag im Prozess-Clinch mit seinem Manager. „Es ging nicht um Geld, es ging um Kontrolle“, erzählt Springsteen in die Kamera von Dokumentarfilmer Thom Zimny, „darum, wer die Kon­trolle über mein Werk, mein Arbeitsleben haben würde. Ich hatte früh entschieden, dass ich das sein würde.“ Bevor das ein Richter nicht genauso entschieden hatte, konnte der Mittzwanziger nicht ins Studio. Um so länger blieb er, als alles geklärt war.

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Den bombastischen Klang wollte Springsteen erstmal nicht mehr, weniger romantisch, erwachsener sollte das Album wirken. Kein Wunder, dass viele der Stücke auf „The Promise“ damals auf der Strecke blieben. Vollgesaugt mit Rock-Geschichte sind sie, der schmale, strubbelige Spring­steen lässt Erinnerungen an Buddy Holly, Roy Orbison und an Elvis durchklingen, zeigt deutlich, wo er herkommt – und genauso deutlich, wo er hingehen würde. Zu hören gibt’s auch Studio-Aufnahmen von „Fire“ und „Because The Night“, die Springsteen bisher nur live veröffentlicht hat. Und obwohl sich der Titelsong auf der ‘78 erschienenen Platte hervorragend gemacht hätte, flog er raus – er war dem Musiker wohl zu persönlich.

Perfekt gemachtes Springsteen-Pin-up

Foto: Sony Music
Foto: Sony Music © Unbekannt | Unbekannt

Persönlicher wird’s in Zimnys Film: Da erzählt Spring­steen, dass er Patti Smith „Because The Night“ überließ, weil er gewusst habe, dass er ihn nicht beenden würde: „Ich war zu feige, einen echten Lovesong zu schreiben. Sie hatte den Mut.“ Und Smith erzählt, wie sie dran arbeitete, während sie auf einen Anruf ihrer großen Liebe wartete: „Ich war nicht sauer, dass er mich stundenlang warten ließ, denn als er schließlich anrief, hatte ich meinen Teil meines einzigen Hits geschrieben.“

So reduziert „Darkness“ war, so üppig ist die Historien-Box, die der Geschichtenerzähler unter dem Titel „The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story“ (Sony) herausbringt. Die 21 neuen, alten Songs auf dem Doppel-Album (das auch separat erscheint), das „Darkness“-Album und sechseinhalb Stunden Filmmaterial, verpackt ins Faksimile eines Notizbuchs des Songschreibers: Das ist ein bisschen viel, man hat den Eindruck, der 62-Jährige will schon mal den eigenen Nachlass verwalten. Für Studenten der Springsteenologie ist es aber wohl ein neues Standardwerk: mit falscher Patina und echtem Pathos pures, perfekt gemachtes Springsteen-Pin-up.